„Es wird zu viel auf Verschleiß gefahren“
Investitionen in Energieeffizienz machen gerade bei energieintensiven Gebäuden der Gesundheitswirtschaft viel Sinn – nicht nur ökologisch. Doch bei Gesprächen mit Brachen-Entscheidern trifft Gebäude-Experte Andreas Blassy von Caverion Deutschland allzu häufig noch auf kurzfristiges ökonomisches Denken. Er fordert ein schnelles Umdenken – und mehr staatliche Anreize.
25.07.2023
Nachhaltigkeit spielt für den Besitz und Betrieb von Immobilien eine immer größere Rolle. Wie steht es ganz konkret um den Energieverbrauch von Gesundheitsimmobilien, etwa im Vergleich mit Privathäusern?
Gesundheitsimmobilien spielen für die nachhaltige Transformation des Gebäudesektors eine sehr große Rolle. Als klassifizierte Gewerbeimmobilien binden Krankenhäuser, Pflegeheime oder auch Labore extrem viele und leider zu oft fossile Ressourcen. Je kräftiger an Transformationsprozess gefeilt wird, desto mehr Energie wird eingespart.
Zur Einsparung bieten sich dabei mehrere Möglichkeiten. Auf Basis der täglichen Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Branche denke ich an verschiedene Ansätze. Wo werden überschüssige Wärme, Kaltluft oder Strom verbraucht? Gibt es innerhalb eines Gebäudes Redundanzen mit hohem Energieverbrauch? Welche Ressourcen beansprucht der IT-Betrieb in Gesundheitsimmobilien? All dies sind Fragen, mit denen sich Gebäudetechniker im Zuge einer Bestandsaufnahme beschäftigen müssen.
Gegenüber dem privaten Bereich gibt es im Detail mehrere Unterschiede zu beachten: Krankenhäuser haben meist sehr volatile Energieverbräuche, da sich nicht in jedem Monat die gleiche Anzahl an Personen im Objekt befindet. Komplexe technische Einbauten und jahrzehntealte, teils lückenhafte Unterlagen, Pläne und Papiere steigern die Ansprüche, die hinter Umbauten stecken, um ein Vielfaches.
In welchen konkreten Situationen wird zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Laboren besonders viel Energie verbraucht? Was ist vermeidbar?
Meiner Meinung nach werden primär in den Abläufen zur Regelung und Bereitstellung von Kälte und Lüftung, aber auch bei der Bereitstellung von Dampf- und Warmwasser die meisten Energien in Gesundheitsimmobilien verbraucht. Hintergrund sind meist hohe Hygienestandards und Redundanzen in den Häusern. Dazu kommen, je nach Ausstattung, hohe Verbräuche und Anforderungen durch Diagnostikgeräte und Labortätigkeit. Und damit verbunden auch die IT-Technik.
Ineffizient werden diese Prozesse dann, wenn zu viel Leerlauf entsteht, die Anlagen ungeregelt organisiert sind oder die Bereitstellung von Energie ineffizient und mit zu viel Verlusten abläuft. Gründliche Bestandsaufnahmen können diese Symptome nicht nur erfassen, sondern in Kombination mit langfristiger Planung auch beseitigen.
Welchen Beitrag leistet Gebäudetechnik in diesem Verfahren? Welche konkreten Schritte werden getan, um den Energieverbrauch in Gesundheitsimmobilien effizienter zu gestalten?
Wir setzen an gleich mehreren Schnittstellen an, die für den energieeffizienten Gebäudebetrieb wesentlich sind. Neben Maßnahmen zur intelligenten Energiebereitstellung kümmern wir uns um ausschlaggebende Maßnahmen wie eine bedarfsgerechte Regelung, die angepasste Anlagentechnik und hydraulische Optimierung.
Erst sobald Schritte in dieser Richtung getan sind, dokumentieren digitale Messinstrumente, beispielsweise in Form implementierter Energiemonitorings, die positive Langzeitwirkung unserer Eingriffe. Entscheider können dann sofort sehen, wie viele Energien durch gebäudetechnische Maßnahmen eingespart werden. Und das jeden Tag. Gerade für den Return on Investment (ROI) spielen derartige Reportings eine wichtige Rolle.
Ist ein Gesundheitsgebäude dann energieeffizient, bieten wir uns auch nach getaner Arbeit als kontinuierlicher Berater an. Wenn beispielsweise neue Prozesse entdeckt werden, die den Gebäudebetrieb energieineffizient machen, passen wir gerne an.
Was sind Ihre Erfahrungen aus dem Kontakt mit Entscheidern aus dem Umfeld von Gesundheitsimmobilien? Gibt es beispielsweise Vorbehalte, wenn die Frage nach Energieeffizienz auftritt?
Bedauerlicherweise hemmen ineffiziente Strukturen und lange Entscheidungsprozesse die Herstellung von Energieeffizienz von Gebäuden aus dem Gesundheitsbereich. Wir sehen, dass im Sinne eines ressourceneffizienten Gebäudes nicht selten zu statistisch aufs Geld geschaut wird. Begrenztes Budget trifft dann auf Investitionspunkte, welche teilweise und zu Unrecht als zu hoch eingestuft werden. Zum großen Teil wird auch aus Kostendruck oder Renditevorgaben auf Verschleiß gefahren.
Vergleichsweise eher greifen Entscheider öffentlicher Beteiligungen zu. Die Privatwirtschaft legt den Fokus hingegen auf einen schnellen ROI, was allerdings zu kurz gedacht ist. Zumal die ökologischen und ökonomischen Kosten höher ausfallen, je später sich das Marktumfeld für echte Eingriffe in energieineffiziente Abläufe des Gebäudebetriebs entscheidet.
Inwiefern wird sich die Nachhaltigkeitsdebatte auch auf Immobilien der Gesundheitsbranche langfristig übertragen, und wie gut stehen die Chancen für einen echten nachhaltigen Transformationsprozess?
Ich schätze die Chancen dann als gut ein, wenn Energieeffizienz dauerhaft als unverzichtbares Asset für das Erreichen der Klimaziele bewertet wird. Investitionen sollten nicht als Hürde, sondern als sinnvolles Instrument zur Steigerung des Gebäudewertes ausgelegt werden.
Bürokratie muss abgebaut werden. Ausschreibungen wurden ursprünglich dafür implementiert, um Chancengleichheit zu gewähren und Manipulation zu vermeiden. Mittlerweile wird es dazu missbraucht, Preise unter die Rentabilität zu drücken, was ungeplante Kosten durch mindere Qualität, Nachträge und juristische Konflikte fördert. Hochqualifizierte Firmen nehmen hieran nicht mehr teil, was bleibt, ist Mittelmaß. Um schnell effiziente Ergebnisse zu erzielen, muss dieses aufgebrochen werden.
Das gilt sowohl für den institutionellen als auch für den privaten Bereich. Ein energieeffizientes Gebäude kann langfristig und bei guter Ausstattung einen noch höheren Wert aufzeigen als ein Vergleichsobjekt mit guter Lage und dafür schlechteren energetischen Kennzahlen.
Auch der gesetzliche Rahmen ändert sich so weit, dass ein grüner Gebäudesektor alternativlos wird. Unabhängig, ob es gewerbliche oder private Nutzer betrifft.
Je mehr und je flexibler Fördergelder von politischer Seite in diesem Transformationsprozess zugestanden werden, desto besser.
Andreas Blassy ist Head of Digital- & Energy Services der Caverion Deutschland GmbH. Caverion steht für „Building Performance“, also die technische Gebäudeausrüstung in allen Gewerken. Caverion OY, mit Sitz in Helsinki, beschäftigt mehr als 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zehn Ländern Nord-, Ost- und Zentraleuropas. Rund 2.200 davon arbeiten an 19 Standorten in Deutschland. Das Unternehmen erwirtschaftete 2022 einen Gesamtumsatz in Höhe von rund 2,4 Milliarden Euro. Die Aktien von Caverion werden an der Börse in Helsinki gehandelt.