Grüne Immobilien: Nachfrage steigt, Kostendruck auch
Umweltfreundliche Gebäude werden weltweit immer stärker nachgefragt. Dennoch werden die Bemühungen der Branche, Netto-Null-Ziele zu erreichen, durch Unsicherheiten bei der Gesetzgebung und fehlende Messmethoden behindert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 4.000 Fachleuten aus der Immobilienbranche.
09.02.2024
Demnach wies der RICS-Index für nachhaltiges Bauen einen Nettosaldo von +44 auf, was auf eine steigende Nachfrage von Nutzern und Investoren nach klimaangepassten Immobilien signalisiert. Die Nettobilanz errechnet sich aus dem Anteil der Befragten, die einen Anstieg der Nachfrage melden, abzüglich des Anteils, der einen Rückgang meldet. Der Aufwärtstrend wurde in allen in der Umfrage erfassten Regionen festgestellt, wobei das Nachfragewachstum in Europa (Nettosaldo von plus 73) vor dem Nahen Osten und Afrika (plus 52), dem Asien-Pazifik-Raum (plus 38) und Nord- und Südamerika (plus 26) am höchsten liegt.
Mehr als die Hälfte der Befragten weltweit berichtet, dass die Nachfrage der Mieter nach grünen und nachhaltigen Gebäuden in den letzten zwölf Monaten zugenommen hat. Der größte Anteil (circa 42 Prozent) stellen einen leichten Anstieg fest, während etwa elf Prozent einen deutlichen Aufschwung sehen. In Europa liegen die Werte für einen leichten Anstieg bei 53 Prozent und für einen deutlichen Anstiegt bei 24 Prozent. Im Vergleich dazu liegen die Werte für Deutschland je bei 53,5 beziehungsweise circa 31 Prozent.
Die Ergebnisse im Bereich Investment zeigen weitgehend ähnliche Trends. Fast zwei Fünftel (39 Prozent) der Umfrageteilnehmer weltweit berichten von einem leichten Anstieg der Investorennachfrage nach grünen Immobilien in den letzten 12 Monaten. Zudem stellen inzwischen fast 15 Prozent einen deutlichen Anstieg der Nachfrage fest. In Deutschland ist laut 53,5 Prozent der Umfrageteilnehmer ein leichter Nachfrageanstieg zu verzeichnen (Europa: 38 Prozent) und laut 31 Prozent (Europa: 39 Prozent) ein deutlicher Anstieg. Insgesamt lag der Wert für Deutschland damit bei 84, 5 Prozent (Vorjahr: 87 Prozent, 38 Prozent leichter Anstieg und 49 Prozent Prozent deutlicher Anstieg).
Starker Einfluss grüner Merkmale auf Mieten und Kapitalwerte
Die Teilnehmer wurden gebeten, anzugeben, inwieweit sich grüne und nachhaltige Merkmale eines Gebäudes auf die Mieten und Kapitalwerte in ihrem Land auswirken. Auf einer Skala von eins (grüne Merkmale haben keine Auswirkungen) bis fünf (grüne Merkmale mit erheblichen Auswirkungen) wählten rund zwei Drittel der Befragten weltweit eine Bewertung zwischen drei und vier. Demnach haben Nachhaltigkeitsmerkmale eines Gebäudes einen starken Einfluss auf Mieten und Kapitalwerte. In Europa sind etwa 27 Prozent der Befragten der Meinung, dass grüne Merkmale einen erheblichen Einfluss auf den Kapitalwert einer Immobilie haben. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Befragten der Befragten, die angaben, dass grüne Merkmale eines Gebäudes den Mietpreis erheblich beeinflussen, bei rund 16 Prozent.
Energieeffizienz, Reduzierung des Energieverbrauchs und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe besonders wichtig
Um festzustellen, was die wichtigsten Merkmale eines grünen Gebäudes für Nutzer und Investoren sind, wurden die Experten gebeten, Aspekte des grünen Gebäudes auf einer Skala von eins (überhaupt nicht wichtig) bis fünf (wesentlich) zu bewerten. Energieeffizienz, die Reduzierung des Energieverbrauchs und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe stehen ganz oben auf der Liste. Rund 30 Prozent der Mitwirkenden weltweit sind der Meinung, dass dies ein wesentliches Merkmal für Anleger ist. Ein Bruchteil weniger (28 Prozent) gibt an, dass dies ein wichtiges Merkmal für die Nutzer ist. Auch Green-Building-Zertifizierungen stehen bei den Marktteilnehmern ganz oben auf der Agenda. Rund 30 Prozent der Befragten weltweit geben an, dass eine Green-Building-Zertifizierung (zum Beispiel BREEAM, LEED, WELLS, NABERS) für Investoren ein wesentliches Merkmal eines nachhaltigen Gebäudes ist. Im Vergleich dazu gibt rund ein Fünftel der Befragten an, dass dies ein wichtiges Merkmal für die Nutzer ist.
Barrieren durch hohe Anschaffungskosten und mangelnde Nachweise für Kapitalrendite
Hohe Anschaffungskosten werden von fast drei Fünfteln der Befragten weltweit als eines der Haupthindernisse für den Erwerb grüner Gebäude angesehen. Ein erheblicher Anteil der Fachleute (rund 40 Prozent) ist der Meinung, dass der Mangel an Belegen für eine Kapitalrendite und Unsicherheit sowie der Mangel an Daten über die Vorteile des Erwerbs umweltfreundlicher Gebäude ein entscheidendes Problem sind. Darüber hinaus nennt knapp ein Drittel der Befragten weltweit mangelndes Wissen, mangelndes Bewusstsein und mangelnde Expertise der Anleger in Bezug auf grüne Immobilien als Haupthindernis.
Fast ein Drittel der Fachleute in Großbritannien und Europa gibt an, dass das Fehlen gemeinsamer Standards und Definitionen für umweltfreundliche Gebäude ein Haupthindernis ist. Dies könnte eine Reaktion auf die Forderung nach einer Weiterentwicklung verbindlicher Normen für die Gesamtenergieeffizienz in ganz Europa sein. Dies wird als entscheidender Schritt angesehen, um den nationalen Regierungen dabei zu helfen, die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und die ehrgeizigen Ziele des Grünen Deals der EU zu erreichen.
CO2-Messung und CO2-Bepreisung stehen noch am Anfang
Obwohl sowohl die Nachfrage von Nutzern als auch von Investoren nach grünen Immobilien steigt, gibt es immer noch einen Mangel bei der Messung der CO2-Emissionen. Wie in den vergangenen Jahren, wurden auch dieses Mal Experten aus der Baubranche befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa 43 Prozent der Umfrageteilnehmer weltweit angeben, dass bei Projekten keine Messung des gebundenen Kohlenstoffs vorgenommen wird. Selbst wenn eine Bewertung des Kohlenstoffs vorgenommen wird, gibt es kaum Hinweise darauf, dass sich dies auf die Auswahl von Materialien und Komponenten auswirkt. Um die Klimaziele jedoch zu erreichen, muss die Messung zur gängigen Praxis werden.
Inzwischen gibt fast ein Drittel der Branchenvertreter an, dass das Fehlen gemeinsamer Normen und Definitionen für grüne Gebäude ein entscheidendes Hindernis für weitere Investitionen darstellt. Gleiches gilt auch für Standards zu Energieausweisen (EPC) für Gewerbeimmobilien. Die Ergebnisse aus den fünf großen Regionen (UK, Europa, Asien-Pazifik, Naher Osten und Afrika und Nord- und Südamerika) sind sich mehr oder weniger ähnlich, was die Anwendung der CO2-Bepreisung angeht. Weltweit glaubt nur rund ein Viertel der Befragten, dass die Regierungspolitik in Bezug auf Kohlenstoff-Reduzierung sehr effektiv oder effektiv ist. Allerdings reicht wohl der Einfluss auf die Preisbildung noch nicht aus, um Wirksamkeit bei der Eindämmung der Treibhausgasemissionen und dem Management der Klimarisiken zu erreichen.
Nachhaltiges Bauen
Die Teilnehmer wurden gebeten, die Grundsätze des nachhaltigen Bauens in ihren jeweiligen Regionen von „sehr gut etabliert“ bis „keine Fortschritte“ zu kategorisieren. Die Abfallminimierung, das Recycling und die Wiederverwendung von Materialien nach dem Abriss vor Ort scheinen im Vordergrund zu stehen. Darauf folgen die Wassereffizienz und die Minimierung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die natürliche Umwelt. Rund 45 Prozent der Befragten weltweit sehen diese Faktoren als etablierte oder sehr etablierte Praktiken in der Branche an. Ein weitgehend ähnlicher Anteil weist auch auf den Bau umweltfreundlicher und besonders energieeffizienter Gebäude hin. Inzwischen sind weltweit rund 39 Prozent der Meinung, dass die Verwendung nachhaltiger Baumaterialien und das Bauen mit recycelten, erneuerbaren oder Abfallmaterialien und -komponenten ein etabliertes oder sehr gut etabliertes Prinzip ist.
Susanne Eickermann-Riepe, Vorsitzende des RICS European World Regional Board (EWRB): „Die Dekarbonisierung ist im Real Estate Sektor noch zu langsam und nicht ausreichend effektiv. Die Branche muss ihre Emissionen bis 2030 um 50 Prozent reduzieren, wenn sie bis 2050 Netto-Null erreichen will. Dabei muss der graue Kohlenstoff bis 2030 branchenweit um mindestens 40 Prozent verringert werden. Diese Ziele sind bei gleichbleibendem Tempo der Umsetzung nicht zu erreichen. Ein Bündel von Maßnahmen und Standards wird notwendig werden, um den Prozess und die Implementierung zu unterstützen. Die Messung von Kohlenstoffemissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg muss zur gängigen Praxis werden. Praktiken der Kreislaufwirtschaft müssen Einzug halten und Qualifizierungsmaßnahmen sind auf allen Ebenen notwendig. Das wird nicht ohne Technologie möglich sein, da umfassende Datenmengen entstehen und die Nachvollziehbarkeit für die zukünftige Prüfung der nicht-finanziellen Berichterstattung gesichert werden muss. Die Regierungspolitik wird eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung der Umsetzung spielen. Entscheidend ist, dass CO2-Bepreisungsmechanismen besser gestaltet werden, um das Verhalten in den frühen Phasen des Projekts gezielt zu beeinflussen und damit die Emissionen entlang des Lebenszyklus zu reduzieren. Aus diesem Grund entwickelt die RICS weiterhin ihre grünen Standards, wie zum Beispiel das kürzlich entwickelte Whole Life Carbon Assessment (WLCA), um die Branche bei den Themen Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung zu unterstützen. Was wir messen können, können wir auch steuern - ein erster wichtiger Schritt ist es, das Ausmaß und den Umfang der Emissionen zu verstehen.“