Ach du grüne Kapsel!
Kaffee aus der Kapsel liegt voll im Trend. Doch Umweltschützer und Verbraucher kritisieren immer wieder, dass mit den Einzelportionen viel Abfall verbunden ist. Hersteller setzen daher verstärkt auf die Circular Economy und biologisch abbaubare Kunststoffe. Eine aktuelle Studie zum Kapselrecycling zeigt, welche Alternative die bessere ist und wo Industrie, Recyclingsystem und Politik nachbessern müssen.
10.08.2017
Mit einem leisen Klacken fällt die Kaffeekapsel ins Fach, Sekunden später füllt die brummende Maschine eine Tasse mit duftendem Kaffee und der perfekten Crema. Schnell und unkompliziert soll die Zubereitung heute sein, das Aroma für jede Tasse wählbar. Für Fans macht das die traditionelle Kanne Filterkaffee obsolet. “Die Kapseln sind mit einem Luxusgefühl im Alltag verbunden und erfüllen das Bedürfnis nach Individualität”, sagt Holger Preibisch vom Deutschen Kaffeebund. Mit der Zubereitungsart in der Kapsel ist es Nespresso gelungen, einen Markt zu kreieren, den es vorher so nicht gab. Damit geht eine Kritik an der Verwendung von viel Verpackungsmaterial einher – Kunststoffe, insbesondere aber Aluminium, das die Einzelportionen umschließt, stehen in der Kritik.
Umweltauswirkungen von Kapselmüll und Kaffeeanbau im Vergleich
Ganze 5.000 Tonnen Kapselmüll sollen weltweit allein im Jahr 2015 angefallen sein, so eine Hochrechnung von Stiftung Warentest. Unnötig, finden Kritiker. Unentbehrlich für das tolle Aroma, sondern auch Anpassung an die Bedürfnisse der Konsumenten (Portionierter Kaffee hat die globale Kaffeekultur geprägt!) halten die Hersteller dagegen. Die großen Vorteile an den aromaversiegelten Einzelportionen: Eine tassenweise Zubereitung beuge einerseits der Lebensmittelverschwendung vor, da weniger Kaffee weggeschüttet werde. Zudem brauche man pro Tasse mit den Kapseln durchschnittlich drei Gramm weniger Kaffee, und dessen Anbau wirkt sich negativer auf die Umwelt aus, als die Verpackungen, bestätigt auch Chahan Yeretzian, Dozent für analytische Chemie an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaft. Gründe hierfür sind der Einsatz von Diesel und Benzin im Plantagenbetrieb und Düngemittel, die in eine Ökobilanz einzubeziehen sind. Die Bilanz von neun Gramm losem Kaffee und einer Kapsel mit sechs Gramm Inhalt sei insgesamt ausgeglichen.
Wenn schon so viel Verpackungsmaterial verwendet werde, müsse es auch in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden, sagen die Experten des Recyclinginstituts cyclos-HTP. Hersteller beteuern, ihre Kapseln seien zu Prozentsätzen von bis zu 90 Prozent recyclingfähig. Doch damit das funktioniert, müssen viele Aspekte dazu beitragen, den Stoffkreislauf zu schließen. Wie hoch die tatsächliche Recyclingfähigkeit verschiedener Kapseln tatsächlich ist, hat cyclos-HTP in einer Studie des Kaffeeverbandes zum Kapselrecycling untersucht. Neben den Ergebnissen zum Status Quo der funktionierenden Kreislaufwirtschaft, enthält die Studie Empfehlungen, wo die Hersteller ihre Produkte optimieren sollten und so den ökologischen Zugewinn durch effektives Recycling signifikant steigern können. Die Studie wurde in Auftrag von Nestlé von dem unabhängigen Institut durchgeführt – mit dem Ziel, Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen zu identifizieren.
Potenziale der Kapselmaterialien für die Kreislaufwirtschaft
Konkret standen neun Kapseln von verschiedenen Hersteller im Fokus, darunter auch Nespresso (Aluminium), die Dolce Gusto Kapseln von Nestlé und mehrere, vorzugsweise baugleiche Kunststoffkapseln aus Polypropylen (PP). Alle wurden auf ihre Recyclingfähigkeit hin untersucht, die nach dem Brühvorgang und mit Kaffeerest gemessen wurde. Sofern die Kapseln in einem zusätzlichen Aromabeutel verpackt waren, wurde auch dieser in die Recyclinganalyse einbezogen.
Die Voraussetzung für die Vergleichsanalyse waren bei allen Kapseln ähnlich. Grundsätzlich könnte das Kapselmaterial aller Hersteller etwa zu 80 bis 95 Prozent recycelt werden. Für die untersuchten konventionellen Kapselwerkstoffe existieren zudem geeignete Erkennungsverfahren in den Recyclinganlagen. Damit sind die Potenziale für eine Schließung der Produktkreisläufe grundsätzlich erst einmal gegeben. Eine Ausnahme: Kapseln aus Kunststoff, der nach Herstellerangaben biologisch abbaubar ist, sind nicht zum Recycling vorgesehen oder geeignet.
Doch das Recyclingpotenzial bei den konventionellen Materialien entspricht nicht 1:1 der tatsächlichen Recyclingfähigkeit. Das hängt nämlich von alltäglichen Faktoren bei der Entsorgung und in den Recyclinganlagen ab: Entscheidend ist dabei vor allem, ob die Materialien in den Recylinganlagen erkannt und richtig sortiert werden.
Darauf müssen Hersteller achten
Hersteller müssen etwa bereits beim Produktdesign auf die richtige Materialauswahl achten. So ist die Farbe der Kapseln beim Kunststoff Polypropylen, der in einem sogenannten NIR-Spektrometrieverfahren optisch durch Reflexion erkannt wird, ein entscheidender Faktor. Bei dem Verfahren wird das von der Verpackung reflektierte Licht in ein Spektrum eingeordnet, welches für jeweils einen bestimmten Kunststoff charakteristisch ist. Ist der Farbstoff der Kapsel auf Rußpartikelbasis hergestellt, wird das Licht nicht ausreichend reflektiert und die Kapsel kann nicht erkannt werden. Im Test war dies bei mehreren Kapseln der Fall, sodass es in der Praxis zu einer totalen Fehlverwertung kommt. Helle PP-Kapsel konnten im Test zu 85 Prozent recycelt werden, während die dunklen PP-Kapseln zu null Prozent erkannt und verwertet wurden. Eine durchsichtige Kapsel wurde ebenfalls nicht durch die NIR-Detektion erkannt, obwohl sie aus recyclingfähigem PP besteht. Der Hersteller gab nach Erhalt der Testergebnisse an, er habe zwischenzeitlich auf kompostierbare Kapseln umgestellt, die beim Test noch nicht vorlagen. Die mögen eine höhere emotionale Akzeptanz bei manchen Verbrauchern haben, sind in der Verwertungspraxis aber auch keine Ideallösung.
Bei Materialwahl punktet Aluminium
Bei Aluminium läuft die Erkennung problemlos. Die Technologie wird von cyclos als „robust“ eingeschätzt. Das leitfähige Aluminium wird über einen Wirbelstromscheider zuverlässig aus den Verpackungen herausgefiltert. Obwohl beim späteren Einschmelzen ein Teil des eingesetzten Materials verloren geht und die Kapseln so nur auf eine Recyclingfähigkeit von 79 Prozent kommen, punkten die Aluminiumkapseln in der Kreislaufwirtschaft und sollten deshalb unbesorgt in der Gelben Tonne entsorgt werden. Anders als Kunststoff kann Aluminium ohne Qualitätseinbußen wiederverwendet werden. So befinden sich 75 Prozent des jemals produzierten Aluminiums noch heute in Verwendung. Des Weiteren lassen sich selbst ältere Sortieranlagen ohne größeren Aufwand für das Herausfiltern des Leichtmetalls nachrüsten. Übrigens: Das nicht 100% recycelt werden können liegt am natürlichen Materialverlust beim „Verschwelprozess“.
Hersteller sollten bei der Produktion zudem auf eine Anpassung der verwendeten Stoffe an den Basiswerkstoff setzen, empfiehlt cyclos. Denn nur dieser wird effektiv recycelt. Innen verbaute Teile aus anderem Kunststoff, beispielsweise Filter, werden nicht vorher aus den Kapseln entfernt und müssen vom Gesamtgewicht der recycelbaren Kapsel abgezogen werden. Das gleiche gilt für Plastikbeutel, die dem Aromaschutz dienen. Für eine hohe Verwertbarkeit sollte der Anteil gleicher Stoffe daher maximiert werden.
Einige der untersuchten Kapseln konnten nur zuverlässig erkannt werden, wenn sie in einem speziell dafür vorgesehenen Recyclingbeutel entsorgt wurden. Hier ist der Verbraucher gefordert, richtig vorzubereiten. Wenn der nicht mitspielt, liegt auch die Recyclingfähigkeit dieses Kapselsystems bei null Prozent, denn bei Nichterkennung landen sie in der Verbrennung. Mit dem Beutel lagen diese Kapseln mit einer Recyclingfähigkeit von 90 Prozent an der Spitze des Vergleichstests.
Schwachpunkt Fehlwürfe: Zu viele Kapseln landen im Restmüll
Eine zentrale Frage ist, wie Verbraucher dazu motiviert werden können, die Kapseln richtig zu entsorgen. Einige Organisationen gehen daher so weit, eine Pfandpflicht für Kapseln zu fordern. Aber auch ohne Pfandpflicht gibt es Luft nach oben. Mehr Orientierung könnte den Verbrauchern helfen, das ökologisch Richtige zu tun: Eine klare Kommunikation der Hersteller zur Entsorgung und Verwertung – und eine Ausweitung der freiwilligen Lizensierung, damit recyclingfähige Kapseln auch formal korrekt über die Dualen Systeme verwertet werden können.
Auf jeden Fall solle das Duale System seine Öffentlichkeitsarbeit verbessern und die Kunden besser informieren, wie sie welche Verpackungen entsorgen können, so cyclos. Außerdem solle das Duale System den Unternehmen dann konkrete technische Vorgaben machen, insbesondere hinsichtlich der Sortierung, damit der Kreislauf wirklich geschlossen werden kann, heißt es in der Studie weiter. Nicht erkennbare Farben etwa ließen sich so leicht vermeiden.
Von der Politik fordert die Studie eine Anpassung der Gesetze. Aktuell gehören die nicht restentleerten Kapseln mit Kaffeesatz laut Gesetz in den Restmüll – obwohl dies ökologisch nicht die beste Lösung ist. Herstellern sollte es künftig freistehen, ob sie das Duale System nutzen wollen. Der Anschluss- und Benutzungszwang an die Restabfallentsorgung sei kontraproduktiv für die vielfach intendierte Kreislaufwirtschaft. Nestlé lässt daher die Kapseln für Nespresso, Nescafé Dolce Gusto und Special.T bereits seit der Änderung des Verpackungsgesetzes freiwillig für die Dualen Systeme lizensieren, um so eine möglichst hohe stoffliche Verwertung der Kapseln zu erreichen. Allerdings sind viele Verbraucher verunsichert, welche der Kapseln in den Gelben Sack gehören. Eine einheitliche Regelung könnte zu deutlich höheren Recyclingquoten beitragen.
Wie „Bio“ sind die Biokapseln wirklich?
Viele Kapseln landen trotz aller Versuche, einen lückenlosen Wertstoffkreislauf zu etablieren, in der Müllverbrennung, weil die Verbraucher sie in den Restmüll werfen. Einige Hersteller haben hier eine Chance gesehen und setzen auf kompostierbare Kapseln. Sie sollen die Vorzüge von „Single Portions“ und ökologischer Verwertbarkeit vereinen. Andere setzen auf andere Materialien wie etwa Bio-Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen. Aber wie gut sind die Alternativen?
Auf jeden Fall seien sie schlechter, als die klassischen Kapseln, sagt Günter Dehoust vom Öko-Institut. Zumindest wenn man voraussetze, dass für die konventionellen Kapseln ein funktionierendes Recyclingsystem existiere. Denn die Bioplastik-Alternative könne gar nicht recycelt werden und somit ginge ihr Material grundsätzlich verloren, so Dehoust weiter.
Selbst wenn die biologisch abbaubaren Kapseln auf dem Kompost landen, heißt das noch lange nicht, dass sie dort auch wirklich kompostiert werden können: Das Material benötigt hohe Temperaturen und eine lange Zeit zum Verrotten – und dies fehlt sowohl in modernen Kompostieranlagen als auch auf dem heimischen Komposthaufen. So liegt die maximale Abbauzeit in Kompostieranlagen bei derzeit 90 Tagen - biologisch abbaubare Kapseln brauchen länger und sind deshalb de facto gar in heutigen Anlagen gar nicht richtig kompostierbar. „Viele Kompostierer sortieren heute Verpackungen oder Produkte aus Biokunststoffen noch vor dem Eingang in die Rotte aus dem Bioabfall aus. Das aussortierte Plastik geht direkt in die Verbrennung“, sagt Philip Sommer von der Deutschen Umwelthilfe. Müllverbrennung – ob über den Restmüll oder durch Aussortieren beim Kompostierer, ist aus ökologischer Sicht immer die schlechteste Variante. Zudem werden auch die kompostierbaren Kapseln nicht immer aus Naturfasern oder Harzen, sondern bisweilen aus Rohöl hergestellt. Mit dieser Alternative ist dann gar nichts gewonnen.
Fakten-Kasten:
- Ein 500 Gramm Beutel Kaffee benötigt 30 Gramm Verpackungsmaterial. Daraus kann man 55 Tassen Kaffee zubereiten.
- In 30 Kapselverpackungen stecken etwa 180 Gramm Kaffee. Bei Filterkaffee brüht man mit 180 Gramm Kaffeepulver nur etwa 20 Tassen.
- Die Rücknahmekapazität von Kapseln der Marke Nespresso beträgt in Deutschland 100 Prozent.
- Am zuverlässigsten ist die Sortierung von Aluminium. Die Recyclingfähigkeit der getesteten Aluminiumkapseln beträgt 79 Prozent
- Die beste Recyclingfähigkeit von 95 Prozent bekommt eine PP-Kapsel, die allerdings im Erkennungsbeutel entsorgt werden muss.