Öko-Institut entwirft Fahrplan zur Rohstoffwende
75 Rohstoffe, elf Nachhaltigkeitskriterien, vier Bedürfnisfelder, zwei Szenarien – die Rohstoffwende verlangt eine detaillierte Analyse. Das Öko-Institut hat erstmals für verschiedene Rohstoffgruppen rohstoffspezifische Ziele und Instrumente für eine künftige nachhaltige Rohstoffpolitik definiert. In seinem zweiten Policy Paper im Projekt „Rohstoffwende Deutschland 2049“ ermittelt das Projektteam am Beispiel der Rohstoffe Neodym und Kies Entlastungspotenziale für die vier wesentlichen Bedürfnisfelder Wohnen, Arbeiten, Mobilität und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).
25.07.2016
Der detaillierte Vergleich zeigt: Für den heimischen Massenrohstoff Kies braucht es unbedingt konkrete politische Vorgaben, die den Verbrauch reduzieren und den Einsatz von recyceltem Baumaterial steigern. Bei Neodym, das in der Zukunft voraussichtlich verstärkt für Elektromotoren beispielsweise für Elektro-Pkw genutzt werden wird, ist eine Zertifizierung nachhaltig geförderter Rohstoffe notwendig.
Fokus Kies: Längere Lebensdauer von Gebäuden, verstärktes Betonrecycling
Die Analyse des Rohstoffs Kies macht deutlich, dass für eine Rohstoffwende der Bedarf dieses heimischen Primärbaustoffs deutlich sinken muss. Der Abbau in Kiesgruben nimmt viel Fläche in Anspruch und zerstört intakte Landschaften und damit Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Das „Rohstoffwendeszenario“ nimmt deshalb an, dass durch eine längere Nutzung von Bestandsgebäuden durch vorausschauende Sanierung der Neubaubedarf zurückgeht. Zusätzlich soll bei der Errichtung neuer Bauten mehr Sekundärmaterial, also etwa Betonbruch als Kiesersatz, verwendet werden.
„Wir sehen hohe Potenziale, um künftig weniger Primärkies in Tagebauen fördern zu müssen“, erläutert Dr. Matthias Buchert, Projektleiter von „Rohstoffwende Deutschland 2049“. „Dafür muss bis zum Jahr 2049 der Rohstoffbedarf für Neubauten stark reduziert werden und es muss mehr Recyclingbeton zum Einsatz kommen. Das ist heute schon technisch möglich, wird jedoch selten praktiziert. Dann können jährlich 23 Millionen Tonnen Primärkies weniger nachgefragt werden – das ist fast eine Halbierung im Vergleich zu heute und einem „Weiter so“-Szenario.“
Um steuernd einzugreifen schlägt das Projektteam des Öko-Instituts vor, eine Primärbaustoffsteuer einzuführen. Sie soll Anreize schaffen, die Primärrohstoffvorkommen an Kies zu schonen und den Einsatz von Recyclingbaustoffen zu fördern.
Das Projekt „Rohstoffwende Deutschland 2049“
Im Rahmen des Eigenprojektes „Rohstoffwende Deutschland 2049“ erarbeitet das Öko-Institut seit Sommer 2014 eine umfassende Strategie für eine Rohstoffwende. In Stakeholder-Workshops mit Teilnehmern aus Politik, Wissenschaft, Industrie und NGOs wurden die Zwischenergebnisse vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse dieser Workshops flossen in die beiden Policy Paper ein.
Bis Ende 2016 definiert das Projektteam für alle untersuchten Rohstoffgruppen spezifische Ziele. Es arbeitet darüber hinaus neue und ambitionierte Maßnahmen und Instrumente aus, mit denen die Ziele einer Rohstoffwende in Deutschland erreicht werden können. Dazu gehören unter anderem ökonomische Instrumente, Ansätze zur Zertifizierung von Rohstoffen ebenso wie Anforderungen an Branchen und Unternehmen, menschenrechtliche und ökologische Risiken in der Wertschöpfungskette ihrer Produkte zu minimieren. Die finalen Projektergebnisse werden auf der Jahrestagung des Öko-Instituts am 1.12.2016 erstmals öffentlich vorgestellt.