Circular Economy

Die Zukunft des Recyclings hat gerade erst begonnen

Kunststoff ist zu wertvoll zum Wegwerfen. Trotzdem wird zu viel davon verbrannt und nicht recycelt. Zum einen schludern viele Verbraucher bei der Mülltrennung, zum andern sortieren die Entsorger noch zu viele Kunststoffe als nicht verwertbar aus. Wie aber kann das Plastikrecycling besser werden? Dazu gibt es spannende Ideen.

01.08.2019

Die Zukunft des Recyclings hat gerade erst begonnen

Die Deutschen gelten als Recycling-Weltmeister. Nach Zahlen des Umweltbundesamtes werden beispielsweise 46,7 Prozent der Kunststoffabfälle dem Recycling zugeführt. Gute 30 Prozent davon stammen aus Verpackungsmüll. Weltweit liegt die Plastikrecyclingquote bei nur 16 Prozent.

Tatsächlich wird wohl wesentlich weniger Kunststoff „werkstofflich verwertet“. Thomas Obermeier, Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft, verwies bereits 2015 auf welt.de auf „statistische Tricks“ bei der Quotenberechnung. Denn es würden gar nicht alle Abfälle wiederverwertet, die den Entsorgern zum Recycling angeliefert und entsprechend statistisch erfasst werden.

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Abfallsortierung übersieht zu viele Wertstoffe 

Ein Blick auf einen typischen Abfallsortierprozess zeigt das Dilemma: Automatische Sortieranlagen, wie sie unter anderem Unternehmen wie Suez oder Interseroh betreiben, leiten Abfälle zunächst unter Magnet- und Wirbelstromabscheidern entlang, wo metallische Stoffe aussortiert werden. An diesem Punkt würde beispielsweise ein Joghurtbecher, an dem noch der Aluminiumdeckel hängt, entnommen und das Plastik nicht mehr recycelt werden.

Dann erreicht der Müllstrom Infrarotscanner. Diese erkennen das jeweilige Material anhand der Wellenlänge des reflektierten Lichts. Verschiedene Kunststoffarten wie Polypropylen und Polyethylen, Getränkekartons, aber auch Pappe und Papier lassen sich so zuverlässig aussortieren. Schwierigkeiten bereiten hingegen stark verschmutzte Abfälle und sogar Kunststoffe mit schwarzen Oberflächen. Sie reflektieren kaum Licht, werden so vom Infrarotscanner „übersehen“ und landen fälschlicherweise im Ausschuss.

Besser sortierter Abfall ist also eine Grundvoraussetzung für höhere Recyclingquoten. Gerade bei Kunststoffabfällen birgt dies darüber hinaus das Potenzial für hochwertigere Recyclingprodukte. Damit beispielsweise das PET einer Lebensmittelverpackung nach dem Recycling wieder für die Umhüllung von Essbarem genutzt werden kann, muss es absolut sauber sein, und es dürfen keine anderweitigen Kunststoffe in das Rezyklat gelangen. 

Da dieser Recyclingkunststoff allerdings knapp ist, werden aus Kunststoffrezyklat vorwiegend einfachere als die Ausgangsprodukte gefertigt. Typische Erzeugnisse sind Isoliermaterialien, Teichfolien, Abfallbehälter oder Ruhebänke.

Ballen aus Altplastik
Kunststoffgranulat in einer Recyclinganlage

Sortenreine Kunststoffsortierung ist der Schlüssel zum Erfolg

Wer eine effiziente Methode entwickelt, um Kunststoffabfall besser zu sortieren, hat also eine Art „heiligen Gral“ des Recyclings gefunden. Daran mögen die Initiatoren des Entwicklungsprojektes von PETCore Europe gedacht haben, das sie „HolyGrail“ betitelten. 29 Partner, darunter Procter & Gamble (P&G), Nestlé, Henkel, der Leergutautomaten-Hersteller Tomra Sorting Solutions, BASF und auch Suez, erarbeiteten gemeinsam eine Technologie, die Kunststoffmaterialien mit digitalen Wasserzeichen versieht. 

„HolyGrail“ steht mit vier anderen Projekten im Finale der „Sustainability Awards“ von Packaging Europe in der Kategorie „Driving the circular economy“. Der Sieger wird am 25. September 2019 auf der FachPack 2019 in Nürnberg gekürt.

„Die niedrigen Recyclingquoten in der EU hängen hauptsächlich mit zu geringen Sammlungsquoten und einer schlechten Sortiereffizienz zusammen“, sagt HolyGrail-Projektleiter Gian De Belder, Verpackungsentwickler bei P&G. HolyGrail verbessere die Sortierqualität deutlich.

Verpackungen werden dank der digitalen Wasserzeichen „intelligent“, betonte er bei der Präsentation der Vorführanlage bei Tomra in Mülheim-Kärlich bei Koblenz. Sie kommunizierten dank der unsichtbaren, aber maschinell lesbaren Kennzeichnungen quasi über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg mit ihrer Umwelt. Entsprechend viele Verpackungen mit Wasserzeichen vorausgesetzt, könnten Sortieranlagen so die Abfallströme leichter und zuverlässiger als bisher nach Materialarten und Verwendungszwecken trennen.

Mit der neu entwickelten Technologie kann man einerseits Packmittel wie Etiketten, Hüllen, Folien und Beutel direkt kennzeichnen, erläuterte Gian de Belder. Andererseits könnten die Markierungen auch direkt auf PET- oder HDPE-Flaschen sowie andere Kunststoffprodukte aufgebracht werden. Um die codierten Informationen automatisch auszulesen, werde ein Scanner-Modul benötigt, das sich bei jeder Sortieranlage einfach nachrüsten lasse.

Nestlé Waters bringt rPet-Flasche auf den Markt

Hochwertiges, lebensmittelsicheres Kunststoffrezyklat ist knapp. Erst meisterte Nestlé Waters die dafür nötigen logistischen Herausforderungen und präsentierte dann die ersten Wasserflaschen, die komplett und nicht nur zu geringen Anteilen aus recyceltem PET bestehen. Zunächst kommen belgische Kunden der Marke Valert in den Genuss der nachhaltigen Innovation. Anfang 2020 will Nestlé Waters dann auch auf dem deutschen Markt eine komplett recycelte Flasche anbieten.

Mehr dazu erfahren Sie in diesem Artikel.

Mehr als eine Utopie: „unendliches“ Recycling

Nicht nur die Sortierung, sondern gleich den kompletten Recyclingvorgang wollen hingegen Entwickler verändern, die sich mit „chemischem Recycling“ befassen. Ihr Ziel ist das „unendliche“ Recycling von Kunststoffen.

Bedeutete Kunststoffrecycling bisher, dass gebrauchtes Plastik sortiert, geschreddert, geschmolzen und zu neuen Produkten geformt wird, geht es bei chemischem Recycling darum, die Ursprungsrohstoffe der Plastikprodukte wiederzugewinnen.

Dafür werden die Kunststoffabfälle meist erhitzt und vergast und dann in verschiedenen Syntheseverfahren in ihre Bestandteile zerlegt. Die Rezyklate lassen sich genauso wie Primärrohstoffe zu neuen, hochwertigen Plastikerzeugnissen verarbeiten. Eine vielversprechende Technologie: McKinsey taxiert das weltweite Marktpotenzial chemischer Recyclingverfahren auf 70 Milliarden Euro.

„Chemisches Recycling ist deshalb so interessant, weil dabei jeglicher PET-Abfall benutzt werden kann, um lebensmitteltaugliches PET herzustellen, sogar auch Abfall, der aus den Ozeanen aufgesammelt wurde oder Kunststoff aus anderen Quellen, wie zum Beispiel Polyestertextilien“, umschreibt Maria Luisa Polli, Technische Direktorin für Mittel- und Osteuropa bei Coca Cola, die Vorteile der Methode. Der Getränke-Multi beteiligt sich am Konsortium „DEMETO“. Dessen Ziel ist es, eine vom Schweizer Unternehmen „gr3n“ entwickelte Methode zur Marktreife zu führen. PET wird dabei mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung in seine Grundbestandteile Ethylenglykol und Terephthalsäure zerlegt.

Stärker im experimentellen Status steckt noch die „ChemCycling“-Methode, die BASF federführend mit zehn Industriepartnern vorantreibt. Aus gemischtem, bislang nicht verwertbarem Plastikmüll wird unter Sauerstoffausschluss sogenanntes Pyrolyseöl hergestellt. In einem „Steamcracker“ wird das Öl dann bei 850 Grad Celsius in die Rohstoffe Ethylen und Propylen aufgespalten. Kooperationspartner wie Storopack oder Schneider Electric haben bereits erste Testprodukte aus dem Rezyklat gefertigt. 

Bis chemische Recyclingverfahren wirklich marktreif sind, wird noch einige Zeit vergehen. „Die technische Reife solcher Verfahrensketten ist derzeit noch ungenügend“, sagte Rainer Mantel, Geschäftsführer der Frankfurter BKV GmbH, zu Jahresbeginn der Zeitschrift „Wasser und Abfall“. Fünf bis 15 Jahre Entwicklungsarbeit seien noch zu leisten, prognostizierte er kurze Zeit später bei einer Veranstaltung von PlasticsEurope Deutschland.

Kunststoffgranulat

Spezielles Plastik-Enzym spaltet fast alles

Ähnlich wie beim chemischen Recycling zerlegt auch ein Verfahren von Carbios aus Frankreich PET- oder Polyesterkunststoffe in ihre Ursprungsbestandteile. Anstatt thermochemischer Prozesse nutzt das „grüne“ Chemieunternehmen allerdings ein Hydrolyse-Verfahren. Die erwünschte Reaktion wird durch Wasser und ein natürliches, durch Carbios optimiertes Enzym erzielt.

Carbios hebt hervor, dass bioenzymatisches Recycling vergleichsweise wenig Energie verbraucht. Der Aufspaltungsprozess erfolgt bei einer Temperatur von 65 Grad Celsius und dauert etwa 16 Stunden. Zurück bleiben lediglich Wasser und Reste wie Nicht-PET-Kunststoffe, Papier oder Aluminium.

Auch mit dieser Methode lassen sich gemischte Abfallmengen verarbeiten. Das Enzym spaltet jegliche PET- oder Polyesterfasern auf, aber auch Mehrschichtmaterialien und Verbundstoffe, wie sie beispielsweise bei Sport-Funktionskleidung auftreten.

Die Recycling-Innovation haben die Franzosen zunächst in einem Konsortium mit dem Kosmetikkonzern L’Oréal entwickelt. Im April 2019 kamen Nestlé Waters, PepsiCo und Suntory Beverage & Food hinzu. Die Kooperationspartner wollen das bioenzymatische Recylcing binnen vier Jahren industrietauglich machen.

„Wir sehen Biorecycling als einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft“, verweist Massimo Casella, Head of Reseach & Development bei Nestlé Waters, auf das Potenzial der neuen Methode. Für Nestlé Waters sei die Förderung dieser und anderer Recyclingverfahren ein Schritt auf dem Weg zum selbst gesteckten Unternehmensziel, bis 2025 die Menge an recyceltem PET in Kunststoffflaschen um 35 Prozent zu erhöhen.

Quelle: UmweltDialog
 

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