Existieren umweltschonende „Kreislauf-Flaschen“ wirklich?
Günther Jauch wirbt in einer deutschlandweiten Kampagne neuerdings für das PET-Einwegsystem von Lidl. Damit stößt er nicht nur auf positive Resonanz. Das Gegenteil ist der Fall: Zu den großen Kritikern der Werbeoffensive gehört auch das Umweltbundesamt. Doch wie berechtigt sind die negativen Kommentare wirklich?
02.06.2023
„Tatsache ist, dass sich Plastik mittlerweile extrem gut recyceln lässt. Ein perfekter Kreislauf existiert zwar nicht, aber Kunststoff kann auf vielen anderen Wege verwertet werden – auch nachhaltig“, so Cyrill Hugi. Der Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens Enespa ist für seine Forschung auf diesem Gebiet bekannt. Außerdem entwickelte er ein innovatives Verfahren, mit dem Kunststoffabfälle in synthetisches Öl umgewandelt werden können.
In diesem Ratgeber beleuchtet der Experte für grüne Technologien daher, wie nachhaltig Jauchs beworbenes PET-Modell tatsächlich ist. Auch verrät Hugi, ob es schon bald die perfekte „Kreislauf-Flasche“ geben könnte.
Ein wichtiger Schritt in die grüne Zukunft
Plastik muss zwingend mehrfach verwertet werden. Nur so lassen sich die enormen Abfallmengen bewältigen. Zugleich können mithilfe einer zielgerichteten Aufbereitung kostbare Primärrohstoffe geschont werden. Dabei ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, dass die Mehrfachverwertung von Plastik die umweltschonende oder gar illegale Entsorgung schon heute deutlich reduziert.
Günther Jauchs Engagement für das PET-Einwegsystem von Lidl darf somit als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden. Dennoch ist die Kritik an der Kampagne berechtigt. Eine perfekte „Kreislauf-Flasche“ existiert bis dato nämlich nicht. Vielmehr müssen auch weiterhin nachhaltigere Lösungen für die Plastikmassen rund um den Globus gefunden werden.
Recycling als Lösung mit Verbesserungspotenzial nutzen
Mechanisches Recycling entlastet die Umwelt – daran lässt sich nicht rütteln. Jedoch geht auch diese Rohstoffaufbereitung mit Nachteilen einher. Dazu gehört etwa, dass sämtliche Materialverunreinigungen komplett entfernt werden müssen. Die sogenannte Sortenreinheit ist unverzichtbar. Gleichzeitig wird sich Mikroplastik trotz aller Bemühungen nie vollends beim Auswaschen vermeiden lassen.
Darüber hinaus kann gemischter Plastikabfall auf Grundlage von chemischem Recycling schon heute deutlich effizienter wiederverwertet werden. In der mechanischen Variante ist ein vergleichbarer Wirkungsgrad nur mit einem hohen Kostenaufwand erreichbar. Unternehmen müssen folglich dazu bereit sein, innovative Lösungen im Rahmen der Rohstoffaufbereitung nutzbar zu machen. Chemisches Recycling soll als Beispiel hierfür genannt sein.
Die Vorteile von Plastik ausschöpfen
Gemischte Kunststoffe werden beim chemischen Recycling in reinen Kohlenstoff, neues Kunststoffgranulat, Öl oder Gas umgewandelt. Diese Erzeugnisse decken einen vielfältigen Bedarf, etwa im Rahmen von Veredelungs- oder Destillationsprozessen in der Chemieindustrie. Daher sollte sich die Gesellschaft vom Vorurteil verabschieden, dass Plastik automatisch schlecht sei. Wird es korrekt aufbereitet, handelt es sich dabei nämlich um ein kostbares Material mit geringer Dichte und langer Haltbarkeit. Günther Jauch geht mit der PET-Kampagne von Lidl also einen Schritt in die richtige Richtung. Zur „echten Kreislauf-Flasche“ ist es trotzdem noch ein weiter Weg. Verständlich also, warum das beworbene Mehrwegsystem harsch kritisiert wird.
Über Cyrill Hugi
Cyrill Hugi ist Experte für grüne Technologien und CEO der Schweizer Enespa AG. Gemeinsam mit seinem knapp 50-köpfigen Team entwickelt er innovative Methoden, mit denen reguläre Kunststoffabfälle in hochwertiges Öl umgewandelt werden können. Zugleich ist die Enespa auf den Bau und den Vertrieb modularer Anlagen für Recyclinghöfe, staatliche Institutionen und Konzerne spezialisiert. So leistet der Schweizer Betrieb tagtäglich einen wertvollen Beitrag für den Umweltschutz. Mehr dazu finden Sie hier.