Circular Economy

Reststoffe durch 3-D-Druck verwertbar machen

Abfälle und andere Reststoffe, die zum Beispiel in der Landwirtschaft oder der Lebensmittelproduktion entstehen, landen oft einfach auf dem Müll. Produktdesignerin Amelie Graf hat sich überlegt, wie solche Biomaterialien sinnvoll weiterverarbeitet werden können. Ihre Idee: mit Hilfe des 3-D-Drucks unter anderem essbare Verpackungen herzustellen und so Stoffkreisläufe zu schließen.

08.02.2024

Developing Process example of cacao pod fiber formulation for paste extrusion 3D printingzoom
Developing Process example of cacao pod fiber formulation for paste extrusion 3D printing

In ihrem Projekt „Mattering – Paste and Pour“ konzentriert sich die Produktdesignerin Amelie Graf auf das transformative Potenzial von Biomaterialien, die aus Reststoffen und Abfällen der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion hergestellt werden. Ziel ist es, ungenutzte Ressourcen zu erkennen und Rezepturen für alternative Material- und Produktkonzepte zu entwickeln. Dabei spielen die Techniken „Paste“ und „Pour“ eine zentrale Rolle. „‚Paste‘ bezieht sich auf den 3D-Druckprozess mit Biomaterial-Teigen (Pasten), während ‚Pour‘ das Herstellen von textilen Flächen oder Biokunststoff-Folien durch Gießtechniken umfasst“, erklärt Graf.

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Die Reststoffe, die Graf dazu verwendet, sind unter anderem Kakaoschalenfasern, Kirschkernpulver und Sägespäne. „In Südamerika wird aus Kakaoschalen beispielsweise Tee hergestellt, in Europa werden die zu Fasern zermahlenen Schalen als Füllstoff in der Lebensmittelproduktion oder als Pflanzendünger eingesetzt“, weiß Graf. Für den Pasten-Extrusion 3D-Druck würden die Fasern aber nicht, wie herkömmliche Rohstoffe für die Herstellung von Biokunststoffen, durch chemische Prozesse modifiziert, sondern mithilfe essbarer Bindemittel zu einem druckfähigen Teig verarbeitet.

Ein gesunder Materialkreislauf

Eat after usezoom
Eat after use

Es entsteht eine Art Zwischennutzungs-Zeit in einem gedruckten Objekt oder Produkt, wie zum Beispiel ein essbarer Becher. „Nicht nur für Menschen sind diese Objekte essbar, sondern auch für Mikrooganismen, Mikroben und Kleinstlebewesen, die unseren Kompost, die Darmflora von Säugetieren und unsere Umwelt bevölkern“, meint die Produktdesignerin. „Diese Lebewesen können durch die schonende Verarbeitung das Material verstoffwechseln, was zur Entstehung von wertvollem Humus beiträgt.“ Die im Material beinhalteten Nährstoffe können so in natürlichen Kreisläufen zirkulieren, zur Regeneration unserer ausgebeuteten Böden und zum Wachstum neuen Lebens beitragen. „Dieses alternative Materialkonzept fördert einen natürlichen Stoffwechselkreislauf beziehungsweise Materialkreislauf statt ihm, wie die meisten Materialien basierend auf fossilen Rohstoffen, zu schaden. Ein ‚gesunder Abrieb‘ entsteht, um es in den Worten von Prof. Dr. Michael Braungart von (Erfinder des Designkonzepts Cradle-To-Cradle) zu sagen“, ergänzt Graf.

Ein langer Weg von der Idee zur Umsetzung

Meal Bag Samples - An edible food packagingzoom
Meal Bag Samples - An edible food packaging

Die Idee für das Projekt „Mattering“ hatte Graf im Jahr 2019 während ihres Masterstudiums Produktdesign an der Universität der Künste in Berlin. „Die Inspiration kam aus der tiefen Reflexion über das Konzept der Materie, angeregt durch verschiedene Gedankenmodelle, die ich durch Materialexperimente visualisierte“, erinnert sich Graf. „Ich war fasziniert von der Idee, die konventionelle Sicht auf Materialien zu hinterfragen und zu erweitern. Besonders prägend war die Schlussfolgerung, dass Materie nicht nur eine passive Rolle in unserer Welt spielt, sondern (re-)aktiv an den zyklischen Prozessen der Natur teilnimmt.“ Diese Überlegungen führten die Produktdesignerin zur Entwicklung der „Meal Bag“, eines Konzepts für essbare Lebensmittelverpackungen. Dieses stellt herkömmliche Verpackungsmaterialien in Frage und definierte die Bedeutung von Materie und Material in unserem täglichen Leben neu.

Bevor es so weit war, experimentierte Graf zunächst mit zahlreichen Materialien und testete diverse Rezepturen für verschiedene ess- und/oder kompostierbare Biomaterialien. Dazu gehörten auch weitreichende Recherchen zu den verarbeiteten Rohstoffen, Fertigungsprozessen, fossilen Rohstoffen, linearen Produktkreisläufen, Eco-Design Prinzipien, der weltweiten Plastic-Pollution, anwachsenden Umweltkatastrophen, der Zerstörung von Ökosystemen durch Rohstoffabbau und nicht zuletzt den über- und untergeordneten Stoffkreisläufen. „Diese Verknüpfungen von Theorie und Praxis bilden die Grundlage für das Projekt ‚Mattering – Paste & Pour‘, in dem ich meine Erkenntnisse visualisiere, anwende und in Form von physischen Prototypen teilen möchte“, sagt Graf.

Mit dem Lebensmitteldrucker zu essbaren Ergebnissen

Mit den Ergebnissen will Graf einen Weg aufzeigen, wie wir alternative Rohstoffe statt der Fossilen nutzbar machen und damit natürliche Stoffwechselkreisläufe und eine Regeneration der Erde unterstützen können. „Den Pasten-Extrusions 3D-Druck finde ich für die Umsetzung besonders spannend, da er eine dezentrale bedarfsorientierte Produktion von Lebensmitteln, Produkten oder architektonischen Elementen ermöglicht“, erklärt Graf die Auswahl der Technik. Für Herstellung von druckfähigen Pasten benötige man lediglich eine herkömmliche Küchenausstattung. Außerdem könnten Rohstoffe aus der direkten Umgebung verwertet werden. Dies vermeide eine Vielzahl an Transportwegen.

Der Lebensmittel-3D-Drucker, mit dem Graf aktuell arbeitet, erhielt sie von einem Start-up aus ihrer Region, der Firma Print-to-Taste aus Freising. Der Procusini, in Deutschland hergestellt, kann verschiedene Arten von Pasten und Teigen (zum Beispiel Marzipan) weiterverarbeiten, indem er aus einer Art Edelstahlspritze additiv Schichten druckt. So können, auch durch den Einsatz verschiedener Düsen-Größen, unterschiedlichste Formen, Muster, Flächen, Gitter, etc. gedruckt werden. „Natürlich limitiert das additive Verfahren auch“, meint Graf. „Die Entwicklung von Produkten aus dem Lebensmittel-3D-Drucker ist ein Zusammenspiel aus Pasten-Qualität, 3D-Drucker-Pfad und den Druck-Einstellungen, wie Geschwindigkeit, Schichthöhe, Flussrate etc. Diese Herausforderung ist eine Art ‚Try and Error‘-Spiel, es erfordert Geduld und Erfahrung.“

Stone powder formulation 3D structure development samples for paste extrusion 3D printingzoom

Stone powder formulation 3D structure development samples for paste extrusion 3D printing.

Cherrystone powder formulation sample for paste extrusion 3D printingzoom

Cherrystone powder formulation sample for paste extrusion 3D printing.

Gemeinsam zu mehr Materialvielfalt

Als Creative Fellow von CIRCE (Creative Impact Research Centre Europe) entwickelte Graf neue Rezepturen. Im nächsten Schritt möchte sie ihre Resultate weiter verfeinern und auch Anleitungen für die Herstellung von Produkten aus Biomaterial-Pasten auf Basis von Reststoffen und Abfällen aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion erstellen. „Meine Ideen möchte ich ‚massentauglich‘ machen, indem ich mein Wissen teile und anderen die Möglichkeit gebe, es zu nutzen und weiterzuentwickeln“, so Graf. Initiativen wie „materiom.org“ böten dafür eine passende Plattform und Community. Mit der Hilfe von Open Data und Künstlicher Intelligenz unterstützt Materiom Wissenschaftler:innen, Designer:innen, Start-ups, Hersteller und Marken dabei, Materialien zu entwickeln, die gut für unsere Umwelt und unseren Planten sind. Die Plattform bietet einen offenen Zugang zu Informationen über alternative Rohstoffe und Biomaterial-Rezepturen. Zudem können sich Forschende innerhalb der Community vernetzen, austauschen und ihr eigenes Wissen teilen.

 
 

„Durch CIRCE habe ich erfahren, welch eine große Rolle Austausch und Kollaboration spielen, wenn wir unsere Zukunft in ein lebenswertes Szenario steuern möchten“, sagt Graf. „Mit meinem Projekt trete ich für eine neue Materialvielfalt ein, die uns helfen kann, das Zeitalter fossiler Rohstoffe zu überwinden und die Regeneration unserer natürlichen Lebensräume fördert. Für ein Leben mit, statt von der Natur.“

Amelie Grafzoom
Amelie Graf
 
 

Über CIRCE

Das Projekt ist Teil des Netzwerkes des Creative Impact Research Centre Europe (CIRCE). Dieser aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte, internationale Think Tank entwickelte im letzten Jahr ein Maßnahmenprogramm, dass Akteur:innen der Kultur- und Kreativwirtschaft passgenau in ihrer Innovationskraft stärkt. Innerhalb kürzester Zeit sind so 58 Projekte entstanden, die den brennenden Themen unserer Zeit begegnen. Sie widmen sich dabei den verschiedensten Themenbereichen, sei es Nachhaltigkeit, Vielfalt, Technologie, Bildung, Teilhabe sowie gesellschaftliches Miteinander und transformatives staatliches Handeln. 

Mehr dazu finden Sie auf der CIRCE-Website

Weitere Beiträge aus der Reihe:

Stampflehm als Baustoff?
Quelle: UD
 

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