I, Robot & A.I.: Womit lagen die Kino-Dystopien falsch?
In der Science-Fiction-Kultur allgegenwärtig, liefert das Bild des menschenähnlichen Roboters häufig Stoff für eine dystopische Darstellung. Einschlägige Filme wie „Terminator“, „Matrix“ und „I, Robot“ sind nur eine kleine Auswahl zahlreicher Beispiele, die eine negativ konnotierte Vorstellung von Androiden offenbaren.
03.04.2020
von Dr. Heiner Pollert
Roboter, die nicht nur aussehen wie Menschen, sondern auch selbstständig denken und handeln – das Bild der superintelligenten Maschinen, die die Weltherrschaft an sich reißen, erfreut sich großer Beliebtheit in einschlägigen Sci-Fi-Romanen und Filmen. Eben jenes Porträt legt sich wie ein Schatten über die aktuelle Debatte um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Unmut und Misstrauen gegenüber der Innovation zeigen sich bereits in zahlreichen Meinungsstudien zum Thema KI. Mit ihren Warnungen vor dem Einfluss künstlicher Intelligenz auf die Menschheit trugen der Physiker Stephen Hawking und der Tech-Visionär Elon Musk dann nicht unbedingt dazu bei, den generellen Argwohn zu beseitigen. Wenn eine Auswahl der klügsten Menschenköpfe eine kritische Haltung gegenüber KI einnimmt, muss die Besorgnis doch berechtigt sein, oder?
„1984“ reloaded
Mehrere Ängste stehen in Zusammenhang mit KI im Vordergrund. Dazu gehört beispielsweise die Furcht vor Überwachung oder dem Verlust der Privatsphäre, wie das aktuelle Beispiel eines US-Start-ups kürzlich demonstrierte. Der Upload eines einzigen Fotos in die von dem Unternehmen entwickelte App ermöglicht es, eine Person aus einer Datenbank von drei Milliarden Bildern herauszufiltern und zu identifizieren – sofern ihr Abbild bereits dort aufgenommen wurde. Als Datengrundlage dienen dabei sämtliche Internetquellen: Aus sozialen Netzwerken, von diversen Unternehmenswebsites, YouTube-Videos oder auch aus Nachrichtenseiten stammen die gesammelten Fotos. Bisher noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben dient die Software aktuell ausschließlich Behörden zur Strafverfolgung und einigen privaten Unternehmen zur Personenidentifikation. Auch wenn die Gesichtserkennungssoftware keine hundertprozentige Genauigkeit aufweist, so bedeutet diese Entwicklung einen Rückschritt hinsichtlich der Wahrung der Privatsphäre. Noch weiter geht die chinesische Regierung mit ihrem bereits vor Jahren eingeführten Gesichtserkennungssystem. Beim Zugang zum Bürogebäude oder ins Hotel, beim Einchecken am Flughafen oder künftig auch für die Zahlung des U-Bahn-Tickets müssen sich chinesische Bürger einem Gesichtsscan unterziehen. Auf tausend Einwohner kommen inzwischen schon mehr als hundert Überwachungskameras. Seit Dezember 2019 muss sich jeder, der einen Mobiltelefon- oder Internetvertrag abschließt, einem Gesichtsscan unterziehen. Dadurch sollen Bürgerrechte im Netz geschützt und Betrug vorgebeugt werden.
Angst vor menschlicher Redundanz
Im Zusammenhang mit Roboter-Dystopien steht auch die Furcht vor dem Ende des freien Willens und dem Verlust der menschlichen Einzigartigkeit – sogar eine regelrechte Angst vor einer Verschwörung der Androiden gegen ihren Urheber gehört zu den Bedenken. Diese Ängste liegen in der Sorge des Menschen begründet, durch KI überflüssig zu werden –
vor allem in der Arbeitswelt. Selbstständig lernende Technik, die sich stetiger Verbesserung unterzieht, löst Unbehagen bei Arbeitnehmern aus. Doch in welchem Maße KI-Lösungen in der Arbeitswelt Platz finden, hängt immer noch stark vom jeweiligen Berufsfeld ab. Denn eine flächenübergreifende Umsetzung der Technologie in Unternehmen existiert noch lange nicht, zugleich lassen sich nicht alle Berufe automatisieren. Im industriellen Zweig etwa sorgt künstliche Intelligenz mithilfe der Robotik durchaus für körperliche Entlastung beim Menschen – eine zwangsläufige Ablösung durch ihren mechanischen Kollegen bedeutet dies für ihn jedoch nicht. Die physische Unterstützung ermöglicht dem Fachpersonal vielmehr, sich anspruchsvolleren Tätigkeiten zu widmen. Sicherlich wird KI einige Berufsgruppen ablösen, wie jede neue Technologie schafft sie aber wiederum auch zahlreiche neue Jobs, wie zum Beispiel als Software-Architekt oder Data-Scientist. Künstliche Intelligenz wird den Arbeitsmarkt verändern, das bedeutet aber nicht, dass der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft und Intelligenz zugleich schwindet – lediglich eine Verlagerung der Aufgabenbereiche ist zu erwarten.
Back to reality
Was kann KI nach heutigem Stand wirklich? Gegenwärtig befindet sich die Technologie längst nicht in einem Stadium, in dem sie dem Menschen gefährlich werden könnte – von etwaigen Verschwörungen gegen ihren fleischlichen Entwickler oder dessen Versklavung ganz zu schweigen. Viele wissen bis heute nicht genau, was der Begriff künstliche Intelligenz eigentlich genau beschreibt. Letztlich stellt KI nichts weiter dar als eine fortschrittliche Art der Softwareprogrammierung, die so weit geht, komplexe Aufgaben nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns zu lösen. Bereits jetzt existiert schon eine Vielzahl unterschiedlicher Einsatzgebiete, in denen KI in autonomer, assistiver oder kooperativer Form Verwendung findet. Beispielsweise im Finanzwesen, wo täglich eine gewaltige Masse von Daten anfällt, erweist sich der Einsatz von KI als überaus hilfreich. Erste Systeme gehen dabei über die einfache Datenauswertung hinaus, indem sie die ihnen vorliegenden Informationen nach Abhängigkeiten zueinander aufbereiten, Chancen erfassen und Trends ermitteln. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Informationen auswerten, sondern auch Prognosen erstellen. Im Bereich der Meteorologie trägt KI zur Vorbeugung von Naturkatastrophen bei, präzisere Wettervorhersagen und damit geringere Ernteausfälle werden ermöglicht. Autonome Fahrzeuge können darüber hinaus die Unfallrate im Straßenverkehr erheblich reduzieren und auch beim Thema Datensicherheit zeigt sich die große Bedeutung von KI. Dort sorgt Maschinelles Lernen zum einen dafür, Anomalien in Transaktionen und Prozessen aufzudecken, zum anderen erkennt das Verfahren auch Betrugsversuche und schützt vor Hackerangriffen. Besonders im Gesundheitsbereich offenbart KI bahnbrechendes Potenzial: So profitiert etwa die Medizin von einer verbesserten Diagnostik, da Maschinelles Lernen nicht nur präzise Befunde, sondern auch zuverlässige Prognosen liefert, wie etwa beim Interpretieren von bildgebenden Verfahren oder bei der Krebserkennung. Anhand der genannten Beispiele lässt sich bisher nur erahnen, wie hoch das eigentliche Ausmaß der Möglichkeiten durch KI sein kann – steckt die Forschung gegenwärtig doch noch in den Kinderschuhen.
Wo Schatten, da auch Licht
Die unterschiedlichen Einsatzbereiche von künstlicher Intelligenz haben wenig mit dem dystopischen Science-Fiction-Bild einer roboterbeherrschten Zukunft gemein. Vielmehr verspricht ihr Potenzial, unser Leben einfacher und sicherer zu machen. Auch wenn KI im Laufe der letzten Jahre auf weitgehend unauffällige Art mehr und mehr Einzug in unseren Alltag hielt, so ist sie bereits heute schon nicht mehr aus dem täglichen Leben wegzudenken. Doch smarte Geräte, intelligente Anlagen und Umgebungen im Bereich der Unterhaltungselektronik sind nur ein Bruchteil von dem, was KI wirklich kann. Weniger der durch künstliche Intelligenz geschaffene Konsumaspekt, sondern ihr gesellschaftlicher Nutzen sollte vermehrt im Vordergrund stehen. Hier folgt der Appell an die Wissenschaft: Aufklärung fördern und Transparenz schaffen, um den Argwohn einzudämmen. Denn so schnell lässt sich KI aus dem täglichen Leben nicht mehr verdrängen – und das ist auch gut so.
Über den Autor
Dr. Heiner Pollert ist CEO der Aircoating Technologies GmbH. 1998 gründete er die Patentpool Group, deren Geschäftsmodell darin besteht, patentrechtlich schutzfähige, innovative Technologien wie das Oberflächenbeschichtungsverfahren Aircoating zu managen und zu vermarkten. Mithilfe von Kapital, Know-how und einem breiten Netzwerk transformiert die Patentpool Group Innovationen in marktfähige Konzepte. Hierbei agiert das Unternehmen als Schnittstelle, um Projekte in der Wertschöpfungskette zu optimieren. Pollert wirkt seit 2007 als Landeswirtschaftssenator und seit 2013 als Mitglied im Beratungsausschuss „Initiative Mittelstand“ im BVMW Bayern. Außerdem ist der studierte Jurist seit 2010 Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Erfindungswesen e.V. In den letzten Jahren erhielten zahlreiche innovative Technologien, die Pollert mit der Patentpool Group entwickelte, Auszeichnungen wie beispielsweise den „ISPO Award“, den „Best Specialist Data Provider" des Technical Analyst Awards oder die Anerkennung als „Global FinTech Start-up of the Year“.