Lieferketten-Monitoring: Audi setzt auf Künstliche Intelligenz
Die Lieferkette in der Automobilproduktion ist komplex. Umso wichtiger ist es, mögliche Risiken zu verstehen und Zusammenhänge frühzeitig herzustellen. Seit Oktober 2020 analysieren deshalb intelligente Algorithmen in einem Pilotprojekt in weltweit rund 150 Ländern Nachrichten über Lieferant*innen aus online zugänglichen öffentlichen Medien und sozialen Netzwerken. Geprüft werden Nachhaltigkeitskriterien wie Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverstöße und Korruption.
16.08.2021
Besteht der Verdacht auf potenzielle Nachhaltigkeitsverstöße, schlägt die Künstliche Intelligenz Alarm.
Durch ein digitales Lieferkettenmonitoring will Audi seine Nachhaltigkeitsaktivitäten künftig weiter intensivieren. Dem Unternehmen ist wichtig, dass die eigenen Nachhaltigkeitsanforderungen auch innerhalb der Lieferkette von allen beteiligten Firmen eingehalten werden. Die direkten Zulieferfirmen sind verpflichtet, diese Anforderungen wiederum auch an ihre Lieferant*innen weiterzugeben. Dieses Nachhaltigkeitsradar dient dazu, frühzeitig von Verstößen zu erfahren und entsprechende Konsequenzen einzuleiten.
Digitales Frühwarnradar für die Lieferkette
Im Code of Conduct für Geschäftspartner hat Audi seine Nachhaltigkeitsanforderungen für Geschäftspartner*innen zusammengefasst. Begründete Hinweise auf Verstöße nimmt Audi sehr ernst und geht ihnen konsequent nach. Die festgelegten Umwelt-, Sozial- und Compliancerichtlinien bilden die Basis für die Zusammenarbeit und sind fester Bestandteil der Risikoprüfprozesse. Seit 2019 ist das Sustainability-Rating (S-Rating), das Nachhaltigkeitsrating für Lieferant*innen, ein verpflichtendes Vergabekriterium. Mit diesem Verfahren prüft Audi, ob die Vertragspartner*innen die Vorgaben des Code of Conduct für Geschäftspartner*innen einhalten. Eine Zusammenarbeit kommt nur bei einem positiven Ergebnis der Prüfung zustande. Im Jahr 2020 erhielt der Volkswagen Konzern die Selbsteinschätzung der eigenen Nachhaltigkeitsleistung von mehr als 13.000 Lieferant*innen. Mehr als 800 Lieferant*innen wurden vor Ort geprüft, mehr als 1.300 haben ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessert und werden nun den Ansprüchen von Audi gerecht. Die im Code of Conduct für Geschäftspartner*innen festgeschriebenen Nachhaltigkeitsanforderungen für mehr als 14.000 direkte Zulieferunternehmen aus rund 60 Ländern sollen auch an die vorgelagerten Partnerunternehmen weitergegeben werden. Um die Einhaltung der Anforderungen des S-Ratings zu überprüfen, unterhält Audi zudem mehrere Beschwerdekanäle. Dazu gehören beispielsweise ganz klassische Wege wie Postfächer und Ombudsleute. Seit Oktober 2020 ergänzt Künstliche Intelligenz das Lieferkettenmonitoring bei Audi und erweitert die klassischen Beschwerdekanäle damit um ein proaktives Tool. „Um verantwortungsvoll mit der Komplexität in unseren Lieferketten umzugehen, setzen wir auf starke Allianzen und neue Technologien“, sagt Susanne Lenz, Strategin für Nachhaltigkeit in der Lieferkette bei Audi. Das ganzheitliche Risikomonitoring bei Audi kombiniert unterschiedliche Methoden und Systeme miteinander – auch mit dem Ziel, die Komplexität in der Zuliefererstruktur verantwortungsvoll zu managen.
KI-Software: Monitoring in 50 Sprachen und 150 Ländern
Das von Audi gemeinsam mit Volkswagen und Porsche genutzte digitale Frühwarnsystem für Nachhaltigkeitsrisiken sammelt öffentlich zugängliche Nachrichten in mehr als 50 Sprachen und aus rund 150 Ländern. Dazu gehören Social-Media-Kanäle wie Twitter oder YouTube genauso wie lokale Nachrichtenmedien. Da die vom österreichischen Start-up Prewave entwickelte KI mithilfe automatischer Spracherkennung den Sinn der jeweiligen Meldungen versteht, lassen sich potenzielle Nachhaltigkeitsverstöße einwandfrei identifizieren. „Wir freuen uns, gemeinsam mit Audi, Volkswagen und Porsche dieses Vorzeigeprojekt in der Automobilindustrie durchzuführen. Tausende global verteilte Lieferant*innen werden dank unserer Technologie in Echtzeit auf Nachhaltigkeitsrisiken geprüft. Machine Learning und automatisierte Sprachverarbeitung machen so möglich, was manuell ein Ding der Unmöglichkeit wäre: kontinuierliche Risikoabschätzungen über die gesamte Lieferkette hinweg, mit denen die Beschaffung dann proaktiv auf die Lieferant*innen zugehen kann“, sagt Harald Nitschinger, CEO von Prewave. Und weil die intelligenten Algorithmen stetig dazulernen, verbessert sich das System kontinuierlich – die Erkenntnisleistung von Hinweisen auf sich entwickelnde Risiken steigt. Doch der entscheidende Vorteil der von Audi eingesetzten KI ist die Schnelligkeit, mit der relevante Informationen online erkannt und gebündelt übermittelt werden. „Weil wir Hinweise früher erhalten, können wir mögliche Nachhaltigkeitsrisiken für unsere Lieferkette rechtzeitig bewerten und schnell reagieren“, sagt Susanne Lenz.
Soziales, Umwelt und Cyberkriminalität: KI mit breit gefächertem Einsatzgebiet
Der inhaltliche Einsatzbereich der KI ist breit gefächert: In der Kategorie „Soziales“ beispielsweise liegt ein Schwerpunkt auf arbeitsrechtlichen Entwicklungen, Unruhen in der Belegschaft, Kinderarbeit oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Relevante Kriterien aus dem Bereich „Umwelt“ speisen sich aus öffentlichen Daten unter anderem zu Luftverschmutzung, Wasserbeeinträchtigungen, Wasserverbrauch oder Abfallproblematiken. Und bei Themenfeldern wie Cyberrisiken analysiert die KI Meldungen, die den Verdacht auf Cyberangriffe, Datenbetrug oder Datendiebstahl nahelegen. Bei jedem sich entwickelnden möglichen Nachhaltigkeitsrisiko wird Audi automatisiert benachrichtigt. Bei Audi wird der Sachverhalt dann genau geprüft. Sind die übermittelten Informationen korrekt, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet.
KI als Wegbereiter der Nachhaltigkeit
Und so können Audi, Volkswagen und Porsche im Bedarfsfall sofort Nachbesserungen verlangen oder die Geschäftsbeziehung komplett beenden. „Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden bei uns zu Wegbereitern der Nachhaltigkeit“, sagt Vorstandsmitglied Dirk Große-Loheide, der bei Audi das Ressort Beschaffung und IT verantwortet.
Schlagfertiges Tool für mehr Transparenz in der Lieferkette
Die Zuverlässigkeit und Prognosefähigkeit der installierten Software wird derzeit bei mehr als 4.000 Zulieferunternehmen überprüft. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die bei Audi eingesetzte KI geeignet ist, optimal und schnell auf die sich täglich ändernden, dynamischen Risiken in den Lieferketten zu reagieren. Susanne Lenz sagt: „Die Analyse umfangreicher Datenmengen mithilfe von Künstlicher Intelligenz zeigt, wie Digitalisierung Risiken in unserer Lieferkette sichtbar machen kann. Mit Prewave nutzen wir ein lernfähiges, schlagfertiges Tool für mehr Transparenz und ein effizientes Monitoring der Nachhaltigkeitsvereinbarungen.“
Der Einsatz von KI im Lieferkettenmonitoring verschafft Audi auch einen klaren Wettbewerbsvorteil: Laut einer Capgemini-Studie von Anfang 2021, in der Kund*innen aus Deutschland, Großbritanninen und den USA befragt wurden, sehen fast 70 Prozent der Autokäufer*innen das Thema Nachhaltigkeit als wichtiges Kaufkriterium.