Lieferkettengesetz bedeutet Wettbewerbsvorteile
Gestern wurden dem Interministeriellen Ausschuss für Wirtschaft und Menschenrechte (IMA) unter Leitung des Auswärtigen Amts, die Ergebnisse des sogenannten NAP-Monitorings (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte) vorgestellt. Der Menschenrechtsexperte und ehemalige Bundesbeauftragte Markus Löning bewertet für UmweltDialog die Entwicklung.
12.08.2020
Aus der NAP-Befragung geht hervor, inwiefern deutsche Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten überprüfen. Das Ergebnis: Weniger als ein Fünftel der befragten Unternehmen tun dies. Die Bundesregierung hatte bereits zuvor angekündigt, einen Regulierungsvorschlag für eine verpflichtende menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen, ein Lieferkettengesetz; auf den Weg zu bringen. Markus Löning, Gründer von „Human Rights & Responsible Business“ und ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung begrüßt ein solches Gesetz: „Es wird Zeit, dass deutsche Unternehmen wissen, welche menschenrechtlichen Standards für sie verbindlich sind, an welche Regeln sie sich zu halten haben und wie sie über deren Einhaltung zu berichten haben. Ein Lieferkettengesetz kann das leisten. Idealerweise sollte es dies auf europäischer Ebene geben, aber ein deutsches Lieferkettengesetz ist ein erster Schritt, um die Unternehmen jetzt schon fitter im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Nachhaltigkeit – und dazu gehört die Einhaltung der Menschenrechte – ist ein wesentlicher Vorteil im internationalen Wettbewerb. Das Lieferkettengesetz wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen insofern stärken.”
Teile der deutschen Unternehmen sind gegen ein solches Gesetz. Das Hauptargument: Unternehmen brauchen alle Ressourcen im Kampf gegen die Corona-Auswirkungen; ein neues Gesetz würde die deutsche Unternehmenslandschaft noch weiter belasten. Dazu sagt Markus Löning: „Die Pandemie zeigt doch ganz deutlich, wie wichtig es ist, dass die Unternehmen eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten pflegen. Das Argument der Verbände, neue Regulierungsvorschläge seien schwierig in der Praxis anzuwenden und überlasteten die Unternehmen, ist schwach. Deutsche Unternehmen waren immer in der Lage, sich an neue Regulierungen anzupassen, denn sie schaffen Klarheit darüber, was genau verlangt wird. Oft genug konnten sie daraus Wettbewerbsvorteile ziehen. Das wird beim Lieferkettengesetz genauso sein.“
Zur Befürchtung der Verbände, dass Unternehmen sich im Falle eines Lieferkettengesetzes um Haftungsfragen sorgen müssen, sagt Löning: „Unternehmerisches Handeln ist immer mit Verantwortung und damit auch Haftung verbunden, ein Lieferkettengesetz wird hier keine neue Dimension hinzufügen. Auch hier gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip: man kann nur haften, wo man auch tatsächlich Einfluss hat, insofern sind diese Befürchtungen übertrieben. Mit einer vernünftigen Due Diligence kann jedes Unternehmen die Haftung auch abwehren.“
Die Befragung, das NAP-Monitoring, wurde von einem Konsortium unter Leitung der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY) über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt. Laut NAP von 2016 hatte die Regierung bereits damals rechtliche Maßnahmen angekündigt, sofern die Untersuchung ergibt, dass 50 Prozent der deutschen Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nicht nachkommen. Erste Zwischenergebnisse zeigten bereits, dass weniger als 20 Prozent der Unternehmen, die an der Umfrage teilnahmen, ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ausreichend nachkommen. Die heute vorgelegten Ergebnisse bestätigen letztlich diesen Befund.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kündigten Anfang Juli 2020 an, nach Vorlage der finalen Ergebnisse im Interministeriellen Ausschuss Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz vorzulegen.