Wie nachhaltig sind Gewürze und Kräuter?
Eine nun veröffentlichte Studie des ZNU der Universität Witten/Herdecke hat ergeben, dass es große Unterschiede bei Umwelt- und Sozialauswirkungen zwischen den wichtigsten Anbauländern von Kräutern und Gewürzen gibt. Unternehmen müssen sich mit den spezifischen Herausforderungen auseinandersetzen, um Veränderungen herbeizuführen und können sich nicht auf Label und Siegel verlassen. Mehr Potenzial bietet die Zusammenarbeit mit den direkten und indirekten Lieferant:innen in der Lieferkette.
24.03.2023
Das Lieferkettengesetz, die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder die kritischen Diskussionen in Medien und Gesellschaft – die Gründe, warum sich Unternehmen mit nachhaltigem Wirtschaften auseinandersetzen, sind vielfältig. Gewürze und Kräuter werden in dieser Debatte jedoch selten betrachtet. Zudem fehlen wissenschaftliche Daten zu den spezifischen Auswirkungen der einzelnen Gewürze und Kräuter.
Ziel der Studie war es daher, die wesentlichen Nachhaltigkeitsherausforderungen von Gewürzen und Kräutern für die wichtigsten Anbauländer zu quantifizieren und mögliche Lösungen aufzuzeigen. Die Analyse umfasst länderspezifisch die Auswirkung auf Wasserknappheit, den Einsatz kritischer Pestizide und Düngemittel sowie die Menschenrechtsrisiken. Diese Umwelt- und Sozialauswirkungen wurden bereits in einer früheren Studie des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) als die zentralen Nachhaltigkeitsherausforderungen von Gewürzen und Kräutern identifiziert. Um Unternehmen aufzuzeigen, welche Einflussmöglichkeiten sie auf ihre Lieferketten haben, wird zudem ein Überblick über die wissenschaftliche Forschungsliteratur gegeben.
„Die Ergebnisse zeigen, dass es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbauländern gibt,“ sagt Julius Wenzig, Autor der Studie von der Universität Witten/Herdecke. „Während zum Beispiel in Pfefferproben aus Vietnam und Brasilien sehr viele kritische Pestizide nachgewiesen werden, finden sich in Proben aus Indien und Sri Lanka deutlich weniger.“
Es lassen sich auch Herausforderungen benennen, die von Gewürzen und Kräutern abhängen. Beispielsweise zeigen die Daten, dass Chili und Paprika einen relativ großen Einfluss auf die lokale Wasserknappheit und die Ökosysteme haben, während der Anbau von Ingwer und Kurkuma weniger zu Buche schlägt. Auch sind die menschenrechtlichen Risiken beim Anbau von Petersilie relativ gering, während sie bei Kurkuma und Ingwer höher ausfallen. Auf Basis dieser Daten können Unternehmen eine Risikoabschätzung vornehmen und Prioritäten für einzelne Gewürze und Kräuter sowie für Anbauländer setzen. Um konkrete Handlungsempfehlungen für produzierende oder handelnde Unternehmen abzuleiten, sollten idealerweise spezifische Daten erhoben und ausgewertet werden.
Unternehmen können sich nicht auf Labels oder Siegel verlassen
Zu den Einflussmöglichkeiten von Unternehmen zeigt die Literaturrecherche, dass Nachhaltigkeitslabels und -siegel im Durchschnitt keinen signifikanten Einfluss auf die ökologische, ökonomische und soziale Situation der Erzeuger:innen im globalen Süden haben. Zu häufig kommt es in landwirtschaftlichen Erzeugerorganisationen in den Entwicklungsländern zu Ineffizienzen, Machtmissbrauch und Misswirtschaft, sodass die Prämien für zertifizierte Ware teilweise nicht bei den landwirtschaftlichen Betrieben ankommen. Vielversprechender ist die direkte Einflussnahme von Unternehmen auf ihre Lieferkette. „Vorliegende Studien sehen großes Potenzial für nachhaltigere Lieferketten in der direkten Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen einer Lieferkette. So können produkt-, standort- und unternehmensspezifische Herausforderungen der Gewürzbranche gemeinsam angegangen werden,“ sagt Julius Wenzig. Um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zu unterstützen, Erfahrungen auszutauschen und Aktivitäten zu bündeln, können zudem Multi-Stakeholder-Initiativen wie zum Beispiel die Sustainable Spices Initiative oder das ZNU-Partner:innennetzwerk wirksam sein.
Methode
Die Daten der Studie basieren auf unterschiedlichen Quellen. Für die Analyse der wichtigsten Anbauländer wurde die Trade Map des International Trade Center verwendet. Die nachgewiesenen Pestizide wurden von iComplai UG auf Basis von Daten der European Food Safety Authority (EFSA) in einem Dashboard aufbereitet. In Zusammenarbeit mit Lars Neumeister, unabhängiger Pestizidexperte, wurden die Pestizide anhand des Toxic Load Indicators (TLI) bewertet. Für die Erfassung des Düngemittelbedarfs wurde auf Daten von Farooqi et al. (2005) zurückgegriffen. Der Wasserfußabdruck wurde auf Grundlage der Verbrauchsdaten von Mekonnen & Hoekstra (2011) berechnet und zur Bewertung der Wasserknappheit wurde die AWARE-Methode (Available WAter REmaining) von Boulay et al. (2018) angewandt. Die menschenrechtlichen Risiken wurden direkt der Social Hotspot Database (SHDB) entnommen. Bei den Bewertungen handelt es sich um eine relative Bewertung der höchsten Werte im Vergleich zu den niedrigsten Werten. Daher können keine Aussagen über absolute Auswirkungen getroffen werden. Die Literaturrecherche basiert auf deutsch- und englischsprachiger Literatur, vorwiegend aus wissenschaftlichen Zeitschriften und grauer Literatur.