Mobilität & Logistik

Sarasin stellt Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen in Frage

Die Schweizer Bank Sarasin stellt Österreichs Vorreiterrolle in Sachen Biokraftstoffe auf ein hohes Podest, warnt aber zugleich vor den negativen Auswirkungen des Biofuel-Booms. Die Ziele der EU-Kommission bei den Biotreibstoffen halten die Bankexperten nämlich für problematisch, da die Diesel- und Ethanolgewinnung Mensch und Umwelt belasten können.

24.10.2006

Für 2005 hatte die EU-Kommission bei Biokraftstoffen einen Marktanteil von zwei Prozent vorgegeben. In den meisten EU-Staaten erreichte man nur 1,4 Prozent, in Österreich hingegen drei Prozent. Bis 2010 soll EU-weit ein Marktanteil von 5,75 Prozent erreicht werden. "Die Bank Sarasin äußert in ihrer jüngsten Studie 'Biokraftstoffe - erdölfreie Fahrt in die Zukunft' jedoch Bedenken gegenüber diesen Zielen", so der Biotechnologe Matthias Fawer-Wasser, Nachhaltigkeitsanalyst der Bank Sarasin, im Gespräch. Es sei etwa deutlich bemerkbar, dass die Aktienkurse der Unternehmen in der Biokraftstoffbranche aufgrund der hohen Branchenerwartungen von Investoren deutlich gestiegen sind. Der Experte sieht allerdings die Zukunft deutlich nüchterner, da die Entwicklung rasch an natürliche Grenzen stoßen werde.

Die hohen Erdöl-Kosten sorgen für einen steigenden Bedarf von Biotreibstoffen wie etwa Bioethanol und Biodiesel. "Es steht außer Zweifel, dass sowohl Bioethanol, der aus der Vergärung zucker- oder stärkehaltiger Pflanzen gewonnen wird, als auch Biodiesel aus Pflanzenöl die Energieabhängigkeit von anderen Ländern und auch die CO2-Emissionen verringern. Dennoch sind beide Biokraftstoffe nicht immer so ökologisch und sozial verträglich wie ihr Name es vermuten lässt", meint Fawer-Wasser. Der Experte verweist hier auf Soja- und Palmölexporten aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die teilweise erhebliche Risiken aufweisen. "Bioethanol schneidet hier aus nachhaltiger Sicht noch besser ab als Biodiesel. Die Gründe dafür sind die breitere Rohstoffbasis, eine höhere Hektarausbeute und eine bessere CO2-Bilanz von Bioethanol." Der Experte verweist auch auf die erheblichen Umweltbelastungen durch den Rohstoffanbau sowie dem erhöhten Druck zur Rodung der Regenwälder. Erschwerend hinzu kämen noch kritische Arbeits- und Sozialbedingungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. "Insgesamt ist die für Energiepflanzen verfügbare Landfläche ohnehin begrenzt, oft steht dieser Anbau deshalb in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion", meint Fawer-Wasser.

"Positiv sind allerdings optimierte Pflanzensorten und neue Technologien zur effektiveren Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation zu bewerten", meint der Biotechnologe. Hier wären ohne weiteres zweistellige Prozentzahlen vorstellbar. "Bei der Ethanol-Produktion etwa helfen neue enzymatische Verfahren, auch aus der Zellulose von Stroh und Stängeln Bioethanol zu gewinnen." Dadurch gebe es zum einen keine Konkurrenz mehr zu Nahrungspflanzen, zum anderen könne eine Treibhausgasreduktion von fast 90 Prozent gegenüber 30 bis 50 Prozent bei herkömmlichen Technologien erreicht werden. Fawer-Wasser betont auch die Notwendigkeit, Rohstoffe aus den lokalen Anbaugebieten mit kurzen Transportwegen zu beziehen. Auch hier gelte ein sozialer und ökologischer Anforderungskatalog. "Diese neuen Qualitätsstandards können auch verhindern, dass ökologisch bedenkliche Biokraftstoffe verwendet werden."

Eine zweite Generation von Biokraftstoffen wie Zellulose-Ethanol oder Biogas bewerten die Experten der Bank wesentlich positiver, da einerseits die Hektarausbeute höher ist und andererseits mehrere verschiedenen Pflanzen eingesetzt werden können. "Für eine dauerhaft positive Entwicklung am Finanzmarkt wird langfristig entscheidend sein, ob die Produzenten von Biokraftstoffen Nachhaltigkeitskriterien für die Beschaffung und Herstellung berücksichtigen, denn nur so ist das 'Bio' im Namen der Kraftstoffe auch wirklich gerechtfertigt", erklärt der Experte abschließend.
Quelle: pte
 
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