Powerplay für die Umwelt
Müll steckt voller Energie, doch erst durch einen enormen Kraftakt wird daraus wieder ein wertvoller Rohstoff. Um die oft sperrigen Abfallmengen überhaupt verarbeiten zu können, werden sie in gewaltigen Maschinen zerkleinert. Angetrieben von kraftvollen Megariemen der ContiTech AG.
09.03.2015
Ein Gastbeitrag von Rolf Marwede, Segmentleiter Polyurethan-Riemen bei der ContiTech Power Transmission Group
Eine beschauliche 7000 Seelen Gemeinde ist das österreichische Kuchl nahe Salzburg. Idyllisch gelegen im Salzburger Land am Fuße des Hohen Gölls. Was hier niemand zunächst vermutet: Einer der führenden Hersteller von gigantischen Zerkleinerungsanlangen für Restmüll ist hier zu Hause: das Unternehmen Untha shredding technology. Es war einmal: Früher haben wir unseren Müll in die Tonne geworfen oder in Säcken herausgestellt. Die Müllabfuhr kam einmal die Woche zur Abholung, und alles landete auf großen Deponien am Stadtrand.
Seit 2005 ist das anders: Unbehandelter Restmüll darf nicht mehr einfach so auf die Kippe. Die EU-Deponierichtline aus dem Jahr 1999 wird in ganz Europa seither schrittweise umgesetzt. Es wird gesammelt, analysiert, sortiert, zerkleinert, zersetzt, wiederverwertet. Und es wird verbrannt. ‚Thermische Verwertung‘ schafft heute wertvolle Energie aus Restmüll, mit dem Krankenhäuser beheizt oder Strom erzeugt werden.
Portionsgerecht in die Verwertung
Doch bevor der Energieträger Abfall zum Brennstoff wird, schlägt die Stunde der Shredder. Sie zerkleinern Autoreifen, Hausmüll, Holzreste und all das, was dem Wertstoffkreislauf nicht zugeführt werden kann, zu Granulat. Und das trägt zu einer wirtschaftlichen und umweltgerechten ,Energienutzung‘ bei.
Dabei haben sich die Mengen, die thermisch verwendet werden, allein in den gut letzten 10 Jahren vervierfacht: Heute sind es jährlich über 20 Millionen Tonnen Hausmüll. Der Bedarf an HighTech Maschinen wächst dabei mit. Bestes Beispiel dafür ist der sogenannte Nachzerkleinerer TR3200, das Flaggschiff von Untha. Das österreichische Unternehmen UNTHA shredding technology lieferte ein Exemplar kürzlich als Herzstück für eine Sekundärbrennstoffaufbereitungsanlage nach Northampton, England.
Dabei handelt es sich um eine der leistungsstärksten Lösungen am Markt. Die Maschine ist so groß wie ein Zeitungskiosk, und sie bringt 315 Kilowatt auf die Antriebswelle. Das ist mehr, als bei so manchem Sattelschlepper. Power, die nötig ist, um pro Stunde bis zu 15 Tonnen Hausmüll in maximal 30 Millimeter große Stücke zu verarbeiten – die Ladung eines vollen Müllwagens. Doch: Ohne den starken Karbonriemen Synchrochain der ContiTech aus dem niedersächsischen Dannenberg wäre das kaum möglich.
Gewaltige Herausforderung
Für eine so enorme Leistungsfähigkeit wie die des TR3200 braucht es einen Antriebsriemen in mächtiger Dimension, dazu staubresistent und mit reduziertem Energieverbrauch. Eine sichere und dauerhafte Kraftübertragung für die neue Maschine musste her. Das stellte Untha vor eine große Herausforderung. Die Unterstützung kam aus Deutschland. „Es gab am Markt einfach noch keinen Zahnriemen für die sichere Übertragung der enormen Kräfte “, erklärt Axel Thor von ContiTech Österreich. Er besprach die Aufgabe mit seinen Kollegen der Power Transmission Group, die sich intensiv mit der Lösung auseinandersetzten. Fast fünf Meter lang und 22 Zentimeter breit sollte der neue Antriebsriemen sein. „Das überstieg alles, was wir bis dahin im Portfolio hatten“, erinnern sich die Ingenieure der ContiTech AG, die für diese spannende Forschungsarbeit in Vorleistung gingen.
Anders als im beschaulichen Kuchl ging es um Größe, um Maximum an Stärke und Leistung. Die Spezialisten entwickelten einen ganz besonderen Hochleistungszahnriemen, ohne dass auch nur ein Gramm Kautschuk verwendet wurde. Die extreme Widerstandskraft des neuen Produktes mit dem Namen CONTI SYNCHROCHAIN CARBON besteht aus überaus belastbarem Polyurethan-Kunststoff. In seinem Inneren sind extrem stabile Zugstränge aus Kohlefasern eingebettet. Damit kann die Innovation etwa die fünffache Zugkraft eines Standard-Zahnriemens übertragen. Dabei läuft der Karbonriemen im spanischen Hochsommer genauso zuverlässig wie im winterkalten Skandinavien.
HighTech Wissen gefragt
Auf dem Weg zum neuen Spitzenprodukt waren einige wichtige Etappen zu schaffen, wie beim Bergaufstieg auf den Hohen Gölls: Die Ingenieure der ContiTech entwickelten eine neue Gießform, weil ein Zahnriemen mit fünf Metern Länge komplett in einem Stück gefertigt werden muss. Das Gewicht der stählernen Konstruktion ist auch nicht ohne: fünf Tonnen bringt sie auf die Waage, so viel wie zwei VW-Busse. Die Produktionsabläufe waren ebenso eng abzustimmen wie die ideale Rezeptur für das Polyurethan (PU) oder die Lage, Länge und Dicke der integrierten Kohlefaserzugstränge zu berechnen. Und natürlich gab es wie beim Erklimmen eines Felsens auch die eine oder andere Hürde zu überwinden.
Millimetergenau werden die Zugstränge heute in der Gussform positioniert. Wenn das Material ausgehärtet ist, wird die Lauffläche mit dem unverkennbaren gelben Spezialgewebe sichtbar. Es schützt die einzelnen Zähne vor schneller Abnutzung und ermöglicht so Laufleistungen von bis zu zehntausend Arbeitsstunden und mehr.
Nach intensiven Tests und Prüfungen über einige Monate hinweg erlangte der stärkste PU-Zahnriemen der Welt 2013 seine Serienreife und wird dutzendfach eingesetzt. Tendenz steigend. Jeder Zahnriemen wird mit viel Aufwand und hochwertig einzeln hergestellt. Das Granulat aus dem hochmodernen Shredder kann nun beispielsweise direkt als Brennstoff in den Drehrohrofen einer Zementfabrik eingeblasen werden. Der Clou daran: Die Zementhersteller werden für die Müllentsorgung vergütet und sparen gleichzeitig teure Primärenergie.
Damit steht dem weltweiten Beitrag großer Zerkleinerungsmaschinen für ein Mehr an Umwelt- und Ressourcenschutz, angetrieben von einem energiesparenden Riesen, nichts mehr im Weg. Und das ganz unspektakulär vor der herrlichen Kulisse eines imposanten Berggipfels im Salzburger Land.