Politik

Internationaler Standard macht die Beachtung von Menschenrechten durch Unternehmen prüfbar

Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Das sagte schon Berthold Brecht. Beim Thema Unternehmen und Menschenrechte galt und gilt das noch immer allzu oft. Doch spätestens seit der Einführung der sogenannten Ruggie-Prinzipien durch die Vereinten Nationen bekommt das Thema jetzt einen stärkeren völkerrechtlich bindenden Rahmen. Was jetzt noch fehlt ist ein überprüfbarer Standard für die Praxis. Genau daran arbeitet die international aktive Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars. UmweltDialog sprach darüber im zweiten Teil des Interviews mit Hubertus Eichler und Harald Nikutta.

22.05.2013

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars arbeitet an einem überprüfbaren Standard für die Einhaltung von Menschenrechten, Fotos: Mehmet Dilsiz/Fotolia.com
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars arbeitet an einem überprüfbaren Standard für die Einhaltung von Menschenrechten, Fotos: Mehmet Dilsiz/Fotolia.com

UD: Wirtschaft und Menschenrechte. Wie passen die beiden Themenfelder für Sie zusammen?

Harald Nikutta: Wir erwarten, dass Unternehmen bei ihrem Tun die Menschenrechte gewährleisten. Idealerweise ist es die selbstverständliche Eintrittskarte zum wirtschaftlichen Miteinander. Das Einhalten entsprechender Grundsätze ist daher auch weniger stark von den westlichen Industrieländern getrieben, sondern von den Schwellenländern, die in der weltweiten Wirtschaftswelt mitmachen wollen. Sie haben - zumindest auf den ersten Blick - die Herausforderung zur Einhaltung von Menschenrechten im täglichen Wirtschaftsleben.

UD: Wie Berthold Brecht sagte: Erst kommt das Fressen, dann die Moral....

Nikutta:
Genau! Das war im Geschäftsleben lange so und ist es in Teilen auch heute noch. Das muss man ganz deutlich sagen. Gerade im internationalen Wirtschaftsleben herrscht an vielen Stellen die Einstellung vor, dass man die Missachtung von Menschenrechten billigend in Kauf nimmt oder einfach weniger genau hinsieht. Was wir aber seit einiger Zeit feststellen ist, dass mehr Verantwortung gefordert wird.

Hubertus Eichler: Wir sehen, dass vor allem die Problematik des Reputationsschadens bei vielen Unternehmen eine zentrale Rolle spielt. In diesem Zusammenhang kommt Menschenrechtsthemen und Menschenrechts-nahen Themen immer größere Bedeutung zu. Da geht es nicht nur um die Sorge vor negativer Presse, sondern gerade jetzt im Zeitalter sozialer Netzwerke kann das Bild, das ein Unternehmen in der Öffentlichkeit abgibt, außer Kontrolle geraten. Stichwort Shitstorm. Davor haben Unternehmen gewaltigen Respekt und möchten keine unnötigen Risiken eingehen. Außerdem werden sie zunehmend seitens ihrer Kunden und der Zivilgesellschaft aufgefordert, präventive und aufdeckende Maßnahmen zu ergreifen.

UD: Zur Kontrolle bedarf es Regeln. Diese sollten sektorübergreifend und allgemein anerkannt sein. An solchen Ansätzen arbeiten Sie derzeit. Wie kann man sich das vorstellen?

Nikutta: Kein Unternehmen kann alleine einen Standard durchsetzen, und sei er noch so gut elaboriert. Das gilt auch für Mazars. Deshalb wollen wir von vornherein auch Andere dafür gewinnen und proklamieren, dass dies ein offener Standard wird, den wir gemeinsam mit Anderen vorantreiben. Das Thema Menschenrechte muss umfassend adressiert werden. Denn wir haben nur dann langfristig eine Existenzberechtigung, wenn wir uns als Wirtschaftsvertreter diesen zentralen Fragen und Themen ernsthaft stellen. Scheitern wir damit, dann bewegen wir uns in einer Wirtschaftswelt, in die wir als Mazars mit unserem ethischen Kompass nicht hineinpassen. Im Umkehrschluss ist dies auch eine Diskussion, bei der wir am Ende unseren Beitrag geleistet haben, die Welt zum Guten zu verändern.

Eichler: Wir arbeiten sehr intensiv zusammen mit der NGO „Shift“ von John Ruggie, dem UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte. Dabei werden zwei Standards entwickelt: Erstens ein Reportingstandard für Unternehmen und zweitens ein Prüfungsstandard für Wirtschaftsprüfer. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen diese Standards der Öffentlichkeit präsentiert werden.

UD: Sind Menschenrechtsthemen nur etwas für Schwellen- und Entwicklungsländer? Welche Rolle spielen sie hierzulande?

Nikutta: Die Position hierzulande ist, das alles ok sei. Wir halten die Menschenrechte ein! Ich möchte diese Wahrnehmung gerne provokativ in Frage stellen. Der Glaube täuscht nämlich. Wir verletzten Menschenrechte allerdings viel subtiler. Denken Sie etwa an Mobbing oder „freiwillig“ geleistete Überstunden aufgrund von Firmen- oder Gruppendruck. Vor allem jedoch betroffen sind die Unternehmen, die eine weitverzweigte Lieferkette haben, weil sie im Rahmen der Globalisierung Abläufe aus der Hand gegeben, die sie jetzt nicht mehr unmittelbar kontrollieren. Es geht also um die Einhaltung von Compliance und Mindeststandards, ein Einlösen des ethischen Tickets, um legitimen Zugang zu internationalen Märkten und Fertigungskapazitäten zu erlangen.

UD: Einen wichtigen Kompass für Ihre Ausrichtung bildet der UN-Rahmen „Protect, Respect and Remedy“, auch bekannt als Ruggie-Report, der in die UN Guiding Principles der UN eingeflossen ist. Könnten Sie die Eckpfeiler und was das für Unternehmen bedeutet aus Ihrer Sicht kurz erläutern?

Eichler:
Die UN Guiding Principles, die Professor Ruggie entwickelt hat, richten sich an Staaten und erst in zweiter Linie an Unternehmen. Mein Verständnis ist jedoch, dass Unternehmen aufgefordert sind,  proaktiv Verantwortung vor allem dort zu übernehmen, wo Staaten und lokale Regierungen nicht dafür sorgen, dass die universellen Menschenrechte eingehalten werden. Dies ist allerdings auch ein hochkritisches und sensibles Thema. Denken Sie zum Beispiel an Indien: Die Behandlung von Frauen in Indien ist, auch bedingt durch das Kastensystem, katastrophal.

UD: Wie können nun Unternehmen dazu beitragen, dass diese teilweise kulturell gewachsenen, verkrusteten Strukturen aufgebrochen werden?

Eichler: Das ist mit Sicherheit eine schwierig zu beantwortende Frage für das jeweilige Unternehmen. Es muss für sich - zunächst intern - klären, wie es damit umgehen und sich positionieren will. Das hängt wiederum zum Teil von der Branche ab, von der Kundenstruktur, von den Ansprüchen der Stakeholder. Die Ambition von John Ruggie ist es nichtsdestotrotz - und da schließen wir uns auch als Mazars an - darauf hinzuwirken und unsere Mandanten zu ermutigen, an dieser Stelle mehr zu tun und diese „Extrameile“ zum Wohle der Menschen zu gehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Über die Gesprächspartner:
Hubertus Eichler ist Direktor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars. Harald Nikutta, Leiter der Unternehmensentwicklung von Mazars.

Quelle: UD
 

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