Wirtschaftsethik

Wir müssen mutig handeln. Und zwar jetzt.

Erinnern Sie sich noch an die Uhren vor der Apple Watch? Auf ihnen konnte man sehen, wie der Zeiger unermüdlich im Kreis wanderte. Tick, tick, tick. Das hatte etwas Beruhigendes, dachte man damals. Heute denkt man eher: etwas Ermüdendes.

25.02.2025

Wir müssen mutig handeln. Und zwar jetzt.

Wir sind aufs Neue geeicht. Auf ständige Umwälzung, auf Ausbruch und Disruption in Permanenz. Bloß nicht stillsitzen, sofort aus den Fahrwassern ausscheren, sobald sie alt werden, permanent neue Regeln entwerfen, um sie morgen wieder umzustoßen. Das kann einen in schwachen Momenten natürlich auch mit Heimweh nach jenen Zeiten erfüllen, in denen die Uhr noch brav im Kreis lief, wie die Erde um die Sonne.

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Doch während wir in unserer digitalen Gegenwart von den technologischen Entwicklungen mitgerissen werden und in unserer Welt kaum ein Stein auf dem anderen zu bleiben scheint, dürfen wir die Sicherung unserer Lebensgrundlagen und das entschlossene Handeln im Sinne einer gesunden Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Oft wird dieser Appell auch mit dem Wort „Nachhaltigkeit“ betitelt.

Konkretes nachhaltiges Handeln war in den vergangenen Jahrzehnten allerdings eher unpopulär beim Homo sapiens. Keiner wollte so recht ins Handeln kommen, jeder forderte vom anderen die Übernahme der Verantwortung. Nach diesem Muster wurde auch ab 2015 langsam der Ruf nach mehr Regulatorik lauter – und zwar überraschenderweise zunehmend auch aus der Wirtschaft. Zuvor hatten bereits Akteure aus der Zivilgesellschaft, politische Parteien und natürlich Wissenschaftler stärkere Regeln gefordert – aber die Vertreter der Wirtschaft? Sie hatten bis dato mehrheitlich diese Rufe belächelt oder schlicht ignoriert.

Wie konnte sich dieser Sinneswandel vollziehen? Ganz einfach: Das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften ist über Jahre gewachsen. In der wirtschaftlichen Realität aber begegnen wir dem Problem, dass es keinen fairen Wettbewerb gibt: Wer als Unternehmer in nachhaltige Prozesse, Materialien oder Produkte investiert, läuft Gefahr, ökonomisch das Nachsehen zu haben. Was fehlt, ist ein Level Playing Field.

Die große Mehrheit der globalen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hatte über Jahrzehnte hinweg rein auf Freiwilligkeit gesetzt. Das hat aber nicht funktioniert. Die Auswertungen der mehrjährigen Nationalen Aktionspläne der deutschen Bundesregierung hatten das im Jahr 2020 noch einmal sehr deutlich gezeigt: Nur im Vertrauen auf Freiwilligkeit und ohne regulatorische Leitplanken war spätestens hinter den Werktoren der Unternehmen Schluss mit Nachhaltigkeit, Menschenrechten und ökologischer Verantwortung.

In der Konsequenz erscholl der Ruf nach ebendiesen regulatorischen Vorgaben – und er wurde erhört. Rund um den Globus und allen voran in der EU wurden fleißig Richtlinien und Verordnungen produziert (allein in den fünf Jahren der letzten Von-der-Leyen-Legislaturperiode kamen über 6.000 Rechtsakte zusammen!).

Ein echtes Bürokratiemonster ist entstanden – ein Level Playing Field für nachhaltigeres Wirtschaften jedoch nur in zarten Ansätzen. Anstelle von belastbaren Leitplanken gibt es heute mehr Desorientierung und Verdruss. Ressourcen werden in sinnlose Administration gepumpt, derweil die Versuchung zu Greenwashing durch schlecht aufgesetzte Berichtspflichten kontinuierlich steigt.

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Und das Absurdeste: Der Ball wird wieder an die Wirtschaft zurückgespielt. Die Verantwortung für die Erfüllung des Wesentlichkeitsprinzips (im Reporting eigentlich ein uralter Hut) obliegt beim Non-Financial-Reporting wieder allein den Unternehmen. Mittels hochkomplexer Rahmenwerke sollen sie nun berichten, welche Nachhaltigkeitsaspekte durch sie beeinflusst werden bzw. für ihr Geschäftsmodell Chancen und Risiken bergen.

Wie damals die Uhrzeiger vor dem digitalen Zeitalter bewegen wir uns unermüdlich im Kreis. Das politische Pendel schwingt aktuell in eine neue Richtung, das ist normal (wenngleich bedauerlich die jetzige Richtung). Von diesen Vorgängen dürfen wir uns jedoch nicht beirren lassen, wir müssen alles daransetzen, aus dem Kreisschema auszubrechen. Wir müssen handeln.

Und wer ist dieses „Wir“, das da handeln muss? Es sind alle verantwortlichen Entscheider auf strategischer und operativer Ebene in Wirtschafts- und natürlich Beratungsunternehmen.

Da es inzwischen fünf vor zwölf ist (eigentlich ja eher zwei vor zwölf), haben wir nur noch eine Handlungsoption: Wir müssen verantwortungsvolle und mutige Antworten auf die grundlegenden Nachhaltigkeitsfragen finden, vor denen wir stehen. Dafür müssen wir die Optimierungspotenziale entlang der relevanten Prozesse genau prüfen und endlich Initiative in unseren Peer Groups ergreifen. Wir müssen für Schulterschlüsse sorgen und jenes dringend notwendige Level Playing Field selbst schaffen, das uns die Bürokraten in Brüssel ebenso wenig bringen werden wir andere politische Heilsbringer. Wir sind gefragt. Und wenn wir das alles ins Werk setzen? Dann wird es sich am Ende rechnen. In Form von Umsatz und Zukunftsfähigkeit – für unsere Unternehmen und uns alle.

Sven Grönwoldt berät seit über zehn Jahren Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeits-/ESG-Strategien-, -Management und -Reporting.
Sven Grönwoldt berät seit über zehn Jahren Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeits-/ESG-Strategien-, -Management und -Reporting.
Quelle: UD
 

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