Ein Europäischer Finanz-Klima-Pakt
Vor Kurzem hat sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) mit einer Stellungnahme in die grundlegend wichtige Debatte über die Bekämpfung des Klimawandels eingebracht. Der Klimawandel muss als Chance für die Schaffung neuer nachhaltiger und guter Arbeitsplätze begriffen werden, denn auf einem toten Planeten wird es keine Arbeitsplätze geben.
15.12.2018
Nach Meinung des EWSA muss es das unabdingbare Ziel des Projekts Europa sein seine Bürger und insbesondere seine jungen Menschen mit Zuversicht zu erfüllen.
In seinem jüngsten Bericht hat der Weltklimarat (IPCC) seine Schlussfolgerungen aufs Neue bekräftigt: Unsere Ressourcen gehen zur Neige (mit entsprechenden Folgen für uns), das Klima gerät außer Kontrolle, Tier- und Pflanzenarten verschwinden, und der Menschheit drohen unerträgliche Lebensbedingungen. Gleichzeitig hat die Finanzialisierung der Welt im Bumerang-Effekt die Krise von 2008 ermöglicht, und, worüber sich alle seriösen Wirtschaftswissenschaftler im Klaren sind, es sind sämtliche Voraussetzungen für eine erneute Krise gegeben, da die Krisenbewältigungsstrategie 2008 vor allem in dem Versuch bestand, die Wirtschaft durch massive Geldschöpfung wieder in Schwung zu bringen. Damit haben die Zentralbanken vor allem neue Finanzblasen geschaffen, anstatt die Realwirtschaft anzukurbeln.
Rezessionen, aus denen sich viele Staaten nur schwer befreien können, führen zu Ausgrenzung, vermehrten Ungleichheiten, Stagnation der Löhne, Arbeitslosigkeit und begünstigen Extremismus, Nationalismus und Isolationismus.
In seiner Stellungnahme möchte der EWSA ein nachhaltiges Konzept zur Überwindung von Finanz-, Umwelt- und Sozialkrisen aufzeigen und unterstützt den Appell des Wirtschaftswissenschaftlers Pierre Larrouturou und des Klimawissenschaftlers und Nobelpreisträgers Jean Jouzel.
Nachhaltigkeitswende benötigt neue Investitionen
Um bis Mitte des Jahrhunderts die notwendige Nachhaltigkeitswende zu bewerkstelligen, wäre es erforderlich, im Rahmen eines Finanz-Klima-Pakts bis 2030 jährlich 1.115 Milliarden Euro in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Dazu müssen die derzeitigen Investitionen neu und umweltverträglich ausgerichtet sowie neue Investitionen mobilisiert werden.
Die ungeheuren Geldmengen, die die Europäische Zentralbank (EZB) geschöpft und in die Finanzkreisläufe der Mitgliedstaaten gepumpt hat, könnten zur Finanzierung der Nachhaltigkeitswende mobilisiert werden, anstatt in Spekulationsblasen zu fließen. Konkrete Anwendungen auf dem Weg zur Nachhaltigkeitswende wären zum Beispiel die energetische Sanierung von Gebäuden, der Aufbau einer europäischen Produktionsbasis für Batteriezellen, einer Schlüsseltechnologie der neuen industriellen Revolution, oder der energieeffiziente Umbau von Landwirtschaft und Industrie.
Dieser Herausforderung wäre auf europäischer Ebene nur die Europäische Investitionsbank (EIB) gewachsen, die zur Bank für nachhaltige Entwicklung werden könnte. Sie könnte sämtliche Vorhaben im Zuge der Nachhaltigkeitswende über die EZB refinanzieren. Nachdem die EZB nun jahrelang und mit zweifelhaftem Erfolg eine quantitative Lockerung betrieben hat, könnte sie nun eigentlich auf eine qualitative Lockerung umschwenken. Anstatt den Unternehmen Aktienrückkäufe und damit Kurs- und Aktionärsgewinne zu ermöglichen, würde sie die umweltverträglichen Vorhaben der EIB finanzieren.
Die europäischen Haushaltsbehörden müssen im Bereich der öffentlichen Finanzierung ein Beispiel mit großer Signalwirkung setzen: Im Rahmen der Debatte über den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen unterbreitet der EWSA den ehrgeizigsten Vorschlag aller europäischen Institutionen: 40 Prozent des EU-Haushalts sollen für die Bekämpfung des Klimawandels aufgewendet werden.
Öffentliche Haushalte in der Pflicht
In diesem Kontext kann der Finanz-Klima-Pakt mit einer umfassenden Lösung für Wirtschafts-, Umwelt- wie auch Sozialkrisen aufwarten. Letzterer Aspekt ist entscheidend: Im Rahmen der Wende können Arbeitsplätze im Bereich der herkömmlichen Energieträger verlorengehen, und es müssen die Voraussetzungen für die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen werden.
Die Schaffung guter Arbeitsplätze ist auch notwendig, um auch diejenigen, die im Zuge der durch die künstliche Intelligenz oder die digitale Revolution ausgelösten Umwälzungen das Nachsehen haben, mitzunehmen. Sofern der politische Wille vorhanden ist, kann nach Meinung des EWSA jeder gefährdete durch einen neuen Arbeitsplatz ersetzt werden. Zwischen 2008 und 2010 wurde Geld in Höhe des BIP Spaniens geschöpft, um die europäischen Banken wieder flott zu machen. Warum dann jetzt nicht geeignete europäische Mechanismen schaffen, um die Umstellung der umweltschädlichen Sektoren zu finanzieren?
Die europäischen Bürger werden den Wandel unterstützen, wenn er auch für soziale Gerechtigkeit und Fortschritt steht. Darum geht es auch auf der COP 24 in Kattowitz: Europa verfügt über die notwendigen Werkzeuge, um die soziale Dimension des Wandels zu steuern. Nun muss noch der politische Wille gefunden werden. Der EWSA steht hinter dieser Initiative.