Politik
Volkskrankheit Diabetes: Politik und Unternehmen lassen Engagement vermissen
Diabetes ist Volkskrankheit. In deutschen Unternehmen ist davon allerdings kaum was zu merken. Die meisten Betroffenen verheimlichen ihre Erkrankung, ducken sich weg, aus Angst vor Stigmatisierung und Nachteilen im Beruf. Unterstützung von ihren Arbeitgebern erhalten sie kaum. Denn viele Unternehmer wissen wenig über die Krankheit und schon gar nichts von Betroffenen in ihrem Betrieb. Auch die Politik lässt sie oft im Stich. Von mehr Unterstützung würden Diabetiker und ihre Arbeitgeber gleichermaßen profitieren.
18.03.2013
„Wer von Diabetes betroffen ist“,
sagt Manfred Flore vom Deutschen Diabetiker Bund DDB, „hat nicht nur mit seiner
Krankheit zu kämpfen, sondern oft auch mit hartnäckigen Vorurteilen“. Häufig
würden Betroffene generell als dick und dumm verunglimpft. Wer ein solches
Stigma trage, halte sich mit der Offenbarung seiner Erkrankung im Berufsleben
verständlicherweise eher zurück.
Flore ist Geschäftsführer des mitgliederstärksten deutschen Diabetikerverbands und hat täglich mit Betroffenen zu tun. Regelmäßig hört er von Fällen, in denen Diabetiker vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedroht sind. „Meist, weil sie zu lax mit ihrer Krankheit umgehen - und daraus nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Unternehmen Risiken entstehen können.“ Ein unterzuckerter Gabelstaplerfahrer etwa könnte für seine Kollegen und die Betriebssicherheit durchaus zum Problem werden.
„Selbstverantwortung ist das A und O“
Die Betonung liegt auf „könnte“. Denn Diabetiker seien nicht per se ein Risiko für den Betriebsablauf oder gar die Sicherheit im Unternehmen. „Wer mit seiner Erkrankung verantwortlich umgeht“, so Flore, „steht Menschen ohne Diabetes in nichts nach“. Ein Diabetiker, der sich gesund ernähre, regelmäßig bewege und minutiös auf seinen Insulinspiegel achte, sei ebenso leistungsfähig wie ein Arbeitnehmer ohne Diabetes. „Das verlangt aber Selbstverantwortung. Sie ist das A und O, wenn die Krankheit keine schlimmen Folgen zeitigen soll.“
Hilfsmittel, die Diabetiker beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Krankheit unterstützen, gibt es zuhauf. Sie leisten mittlerweile viel mehr als die reine Messung des Blutzuckerspiegels. Eine deutlich umfassendere Lösung bietet beispielsweise das im Taunus ansässige Unternehmen Sinovo. Dessen Chef Alf Windhorst ist selbst „zuckerkrank“ und hat vor einigen Jahren zunächst für eigene Zwecke eine Software namens SiDiary entwickelt. Mittlerweile vertreibt Windhorst sie via Internet weltweit und in über 20 Sprachen.
Hilfe zur Selbsthilfe
SiDiary bietet Hilfe zur Selbsthilfe. „Es ist ein modernes elektronisches Tagebuch, mit dem Diabetiker in Echtzeit dokumentieren können, wie viel Broteinheiten sie wann und wo zu sich genommen haben und wann sie wie viel Insulin injiziert haben“, sagt der Entwickler. Die dokumentierten Daten unterstützten sie und die behandelnden Ärzte dabei, die nötige Therapie zu definieren, zu optimieren, die Krankheit im Griff zu halten und Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Gegenüber ähnlichen Produkten anderer Hersteller hebt sich SiDiary unter anderem dadurch ab, dass die Tagebuchführung unterwegs möglich ist - mit dem Smartphone und eigens entwickelten Apps. „Die Daten können dadurch dort erfasst werden, wo sie anfallen, etwa im Restaurant oder während der Arbeit“, sagt Windhorst. Spätere Nachträge, die zu Schludereien und Fehlern verleiteten, würden damit unnötig.
Die klassischen Hersteller von Geräten zum Messen von Blutzucker bieten ähnliche Programme an. Laut Windhorst sind sie jedoch meist nicht von unterwegs nutzbar und dokumentieren größtenteils nur Blutzuckerwerte. Was der Patient gegessen habe, wie sich sein Gewicht entwickle, welche Medikamente er einnähme - all das falle oft herunter. SiDiary schließe diese Lücken und eröffne den behandelnden Ärzten so einen detaillierten Einblick in den Krankheitsverlauf. Falls wichtige Werte aus dem Ruder laufen, ermögliche dies ihnen und den Erkrankten ein frühzeitiges Gegensteuern.
Flore ist Geschäftsführer des mitgliederstärksten deutschen Diabetikerverbands und hat täglich mit Betroffenen zu tun. Regelmäßig hört er von Fällen, in denen Diabetiker vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedroht sind. „Meist, weil sie zu lax mit ihrer Krankheit umgehen - und daraus nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Unternehmen Risiken entstehen können.“ Ein unterzuckerter Gabelstaplerfahrer etwa könnte für seine Kollegen und die Betriebssicherheit durchaus zum Problem werden.
„Selbstverantwortung ist das A und O“
Die Betonung liegt auf „könnte“. Denn Diabetiker seien nicht per se ein Risiko für den Betriebsablauf oder gar die Sicherheit im Unternehmen. „Wer mit seiner Erkrankung verantwortlich umgeht“, so Flore, „steht Menschen ohne Diabetes in nichts nach“. Ein Diabetiker, der sich gesund ernähre, regelmäßig bewege und minutiös auf seinen Insulinspiegel achte, sei ebenso leistungsfähig wie ein Arbeitnehmer ohne Diabetes. „Das verlangt aber Selbstverantwortung. Sie ist das A und O, wenn die Krankheit keine schlimmen Folgen zeitigen soll.“
Hilfsmittel, die Diabetiker beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Krankheit unterstützen, gibt es zuhauf. Sie leisten mittlerweile viel mehr als die reine Messung des Blutzuckerspiegels. Eine deutlich umfassendere Lösung bietet beispielsweise das im Taunus ansässige Unternehmen Sinovo. Dessen Chef Alf Windhorst ist selbst „zuckerkrank“ und hat vor einigen Jahren zunächst für eigene Zwecke eine Software namens SiDiary entwickelt. Mittlerweile vertreibt Windhorst sie via Internet weltweit und in über 20 Sprachen.
Hilfe zur Selbsthilfe
SiDiary bietet Hilfe zur Selbsthilfe. „Es ist ein modernes elektronisches Tagebuch, mit dem Diabetiker in Echtzeit dokumentieren können, wie viel Broteinheiten sie wann und wo zu sich genommen haben und wann sie wie viel Insulin injiziert haben“, sagt der Entwickler. Die dokumentierten Daten unterstützten sie und die behandelnden Ärzte dabei, die nötige Therapie zu definieren, zu optimieren, die Krankheit im Griff zu halten und Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Gegenüber ähnlichen Produkten anderer Hersteller hebt sich SiDiary unter anderem dadurch ab, dass die Tagebuchführung unterwegs möglich ist - mit dem Smartphone und eigens entwickelten Apps. „Die Daten können dadurch dort erfasst werden, wo sie anfallen, etwa im Restaurant oder während der Arbeit“, sagt Windhorst. Spätere Nachträge, die zu Schludereien und Fehlern verleiteten, würden damit unnötig.
Die klassischen Hersteller von Geräten zum Messen von Blutzucker bieten ähnliche Programme an. Laut Windhorst sind sie jedoch meist nicht von unterwegs nutzbar und dokumentieren größtenteils nur Blutzuckerwerte. Was der Patient gegessen habe, wie sich sein Gewicht entwickle, welche Medikamente er einnähme - all das falle oft herunter. SiDiary schließe diese Lücken und eröffne den behandelnden Ärzten so einen detaillierten Einblick in den Krankheitsverlauf. Falls wichtige Werte aus dem Ruder laufen, ermögliche dies ihnen und den Erkrankten ein frühzeitiges Gegensteuern.
Zu haben ist das Programm in
einer unlimitierten Version für knappe 50 Euro. Diese Anschaffungskosten übernehmen
die Krankenkassen indes nicht. „Unser Gesundheitssystem versucht, kurzfristig
Kosten zu sparen, nicht langfristig“, meint Windhorst. DDB-Mann Flore sieht das
ähnlich: „Das größte Sparpotenzial im Gesundheitssektor liegt in der Förderung
der Prävention.“ Wer die Folgekosten von Diabetes senken wolle, müsse es den
Erkrankten ermöglichen, ihre Selbstverantwortung gerecht zu werden, und da
passiere viel zu wenig.
„Unternehmen lassen Betroffene alleine“
Viel zu wenig passiert auch in den deutschen Unternehmen. Schätzungen zufolge gibt es hierzulande sieben Millionen Diabetiker. Bis zum Jahr 2030 könnte ihre Zahl auf 20 Millionen ansteigen. Der Großteil hält sich heute aus Angst vor Nachteilen mit der Offenbarung seiner Krankheit zurück. „In den meisten Unternehmen werden die Betroffenen alleine gelassen. Sie können vielleicht noch einen Schwerbehindertenausweis beantragen - ihr Stigma würde damit aber nur noch größer.“
Das sagt Harald Nikutta, der in Deutschland die Unternehmens- und Geschäftsentwicklung der international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars verantwortet. Einer seiner beruflichen Schwerpunkte liegt auf dem Thema Corporate Social Responsibilty, kurz: CSR, also der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Hilfe für Diabetiker, sagt er, komme in den meisten Unternehmen bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung „schlicht nicht vor“. Da gäbe es einen blinden Fleck.
Hohe Kosten durch Unterlassung
Der geht Nikutta zufolge zulasten der Mitarbeiter, die sich weiter wegducken und mit ihre Krankheit unter erschwerten Bedingungen umgehen müssen. Dieser blinde Fleck schade aber auch den Unternehmen selbst massiv - durch Fehlzeiten, Folgeerkrankungen, fehlende Motivation der Erkrankten. Letztlich verschärfe die Ignoranz gegenüber Diabetes auch den Fachkräftemangel: Denn zumeist seien ältere und erfahrene Mitarbeiter betroffen, deren krankheitsbedingtes und zum Teil ungeplantes Ausscheiden mit einem spürbaren Verlust von Know-how einhergehe. Unterm Strich, sagt der Volkswirt, entstünden so hohe betriebswirtschaftliche Kosten und unnötige Risiken für die Unternehmen.
Kosten, die sich ihm zufolge deutlich mindern ließen - wenn die Unternehmen endlich anfingen, Diabetiker in ihren Reihen bei der Wahrnehmung eines eigenverantwortlichen Umgangs mit ihrer Krankheit zu unterstützen. „Bei anderen Erkrankungen sind sie ja auch aktiv“, sagt Nikutta. Bandscheibengeschädigte zum Beispiel könnten in der Regel auf etliche Hilfestellungen ihrer Arbeitgeber zurückgreifen, von der Rückenschule bis zum höhenverstellbaren Schreibtisch. Diabetiker dagegen bekämen: nichts. Das müsse sich ändern.
Nikutta rät Unternehmen dazu, Diabetikern künftig ebenfalls im Berufsalltag unter die Arme zu greifen - und zwar initiativ, und sowohl psychologisch als auch ganz praktisch: „Schon überschaubare Maßnahmen wie eine Kostenübernahme bei der Anschaffung von Hilfsmitteln, die die Eigenverantwortung stärken, können hier viel bewegen“, sagt der Unternehmensberater. Nötig seien solche Hilfestellungen schon im Eigeninteresse der Unternehmen. Möglich seien sie auch unter Wahrung der Anonymität.
Zeit für einen Wandel
So lange Diabetes mit einem Stigma belegt ist, müssen Betroffene die in Anspruch nehmen können. Rauswagen aus dem Schutz der Anonymität werden sie sich erst, wenn mit hartnäckigen Vorurteilen aufgeräumt wurde. DDB-Geschäftsführer Flore wünscht sich eine große öffentliche Kampagne, die über die Volkskrankheit Diabetes aufklärt. Eine Kampagne, die Betroffenen ihr Stigma nimmt und Gesunde durch Tipps zur Prävention vor einer Erkrankung bewahrt.
Zeit wäre es. „Diabetes“, sagt Flore, „ist als einzige nicht ansteckende Krankheit von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Bedrohung der Menschheit anerkannt“. Mit seinem Wunsch nach mehr öffentlicher Aufklärung ist der Verband in der deutschen Politik bislang indes auf taube Ohren gestoßen. Nikutta immerhin hat Hoffnung, dass die Unternehmen einen Wandel im Umgang mit Diabetes einleiten. Mit der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung meinten es viele ernst. „Es ist an der Zeit, dass sie die auch in den eigenen Reihen vorantreiben.“
„Unternehmen lassen Betroffene alleine“
Viel zu wenig passiert auch in den deutschen Unternehmen. Schätzungen zufolge gibt es hierzulande sieben Millionen Diabetiker. Bis zum Jahr 2030 könnte ihre Zahl auf 20 Millionen ansteigen. Der Großteil hält sich heute aus Angst vor Nachteilen mit der Offenbarung seiner Krankheit zurück. „In den meisten Unternehmen werden die Betroffenen alleine gelassen. Sie können vielleicht noch einen Schwerbehindertenausweis beantragen - ihr Stigma würde damit aber nur noch größer.“
Das sagt Harald Nikutta, der in Deutschland die Unternehmens- und Geschäftsentwicklung der international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars verantwortet. Einer seiner beruflichen Schwerpunkte liegt auf dem Thema Corporate Social Responsibilty, kurz: CSR, also der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Hilfe für Diabetiker, sagt er, komme in den meisten Unternehmen bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung „schlicht nicht vor“. Da gäbe es einen blinden Fleck.
Hohe Kosten durch Unterlassung
Der geht Nikutta zufolge zulasten der Mitarbeiter, die sich weiter wegducken und mit ihre Krankheit unter erschwerten Bedingungen umgehen müssen. Dieser blinde Fleck schade aber auch den Unternehmen selbst massiv - durch Fehlzeiten, Folgeerkrankungen, fehlende Motivation der Erkrankten. Letztlich verschärfe die Ignoranz gegenüber Diabetes auch den Fachkräftemangel: Denn zumeist seien ältere und erfahrene Mitarbeiter betroffen, deren krankheitsbedingtes und zum Teil ungeplantes Ausscheiden mit einem spürbaren Verlust von Know-how einhergehe. Unterm Strich, sagt der Volkswirt, entstünden so hohe betriebswirtschaftliche Kosten und unnötige Risiken für die Unternehmen.
Kosten, die sich ihm zufolge deutlich mindern ließen - wenn die Unternehmen endlich anfingen, Diabetiker in ihren Reihen bei der Wahrnehmung eines eigenverantwortlichen Umgangs mit ihrer Krankheit zu unterstützen. „Bei anderen Erkrankungen sind sie ja auch aktiv“, sagt Nikutta. Bandscheibengeschädigte zum Beispiel könnten in der Regel auf etliche Hilfestellungen ihrer Arbeitgeber zurückgreifen, von der Rückenschule bis zum höhenverstellbaren Schreibtisch. Diabetiker dagegen bekämen: nichts. Das müsse sich ändern.
Nikutta rät Unternehmen dazu, Diabetikern künftig ebenfalls im Berufsalltag unter die Arme zu greifen - und zwar initiativ, und sowohl psychologisch als auch ganz praktisch: „Schon überschaubare Maßnahmen wie eine Kostenübernahme bei der Anschaffung von Hilfsmitteln, die die Eigenverantwortung stärken, können hier viel bewegen“, sagt der Unternehmensberater. Nötig seien solche Hilfestellungen schon im Eigeninteresse der Unternehmen. Möglich seien sie auch unter Wahrung der Anonymität.
Zeit für einen Wandel
So lange Diabetes mit einem Stigma belegt ist, müssen Betroffene die in Anspruch nehmen können. Rauswagen aus dem Schutz der Anonymität werden sie sich erst, wenn mit hartnäckigen Vorurteilen aufgeräumt wurde. DDB-Geschäftsführer Flore wünscht sich eine große öffentliche Kampagne, die über die Volkskrankheit Diabetes aufklärt. Eine Kampagne, die Betroffenen ihr Stigma nimmt und Gesunde durch Tipps zur Prävention vor einer Erkrankung bewahrt.
Zeit wäre es. „Diabetes“, sagt Flore, „ist als einzige nicht ansteckende Krankheit von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Bedrohung der Menschheit anerkannt“. Mit seinem Wunsch nach mehr öffentlicher Aufklärung ist der Verband in der deutschen Politik bislang indes auf taube Ohren gestoßen. Nikutta immerhin hat Hoffnung, dass die Unternehmen einen Wandel im Umgang mit Diabetes einleiten. Mit der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung meinten es viele ernst. „Es ist an der Zeit, dass sie die auch in den eigenen Reihen vorantreiben.“
Quelle: UD