Politik

Nachhaltige Entwicklung statt BIP: Alternative Wohlfahrtsmessung mit der KFW

Wirtschaftliche Entwicklung muss nicht zwangsläufig auf Kosten der Umwelt und des gesellschaftlichen Zusammenhalts gehen. Das zeigt der aktuelle KFW-Nachhaltigkeitsindikator. Dieser Ansatz gibt quantitativ Auskunft über den Fortschritt der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Damit gehört der Nachhaltigkeitsindikator zu einer von vielen verschiedenen Möglichkeiten, die die Wohlfahrt einer Gesellschaft alternativ zum Bruttosozialprodukt messen: „So wie nachhaltige Investoren sich nicht mehr allein auf die Finanzberichterstattung eines Unternehmens verlassen, ist ein ganzheitlicher Ansatz auch für die Messung einer Volkswirtschaft sinnvoll“, sagt Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KFW Bankengruppe.

25.06.2013

Der Bundestag diskutiert die "W³-Indikatoren." Foto: Presseamt Berlin
Der Bundestag diskutiert die "W³-Indikatoren." Foto: Presseamt Berlin

Was soll nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Wohlstandsindikator kommen, um den Zustand einer Gesellschaft zu beurteilen? Die "W³-Indikatoren“, lautet beispielsweise die Antwort der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Bundestages, deren Abschlussbericht aktuell im Parlament diskutiert wird: „Soziale Gerechtigkeit, sinkender Umweltverbrauch, individuelle Lebensqualität und auch qualitativer wirtschaftlicher Erfolg: Diese Aspekte könnten zukünftig den wirklichen Wohlstand einer Gesellschaft messen“, erklärt Daniela Kolbe (MdB, SPD), Vorsitzende der Kommission. „Wachstum alleine reiche für Zufriedenheit nicht aus.“ So bestehen die W³-Indikatoren aus zehn verschiedenen Variablen, welche neben dem materiellen Wohlstand auch die Dimensionen des sozialen und ökologischen Wohlstands einer Volkswirtschaft beschreiben. Hier stehen Fragen nach Beschäftigungsgrad, Bildungsstand, Gesundheit, Treibhausgase oder Artenvielfalt im Mittelpunkt.

KFW-Nachhaltigkeitsindikator

Neben dem Vorschlag der Enquete-Kommission gibt es weitere derzeit diskutierte Ansätze, die mehr als nur die ökonomische Leistung einer Gesellschaft aufzeigen. Dazu zählen etwa der Nationale Wohlfahrtsindex des Umweltbundesamtes oder der Nachhaltigkeitsindikator der KFW-Bankengruppe: „Für die drei Themenbereiche Wirtschaft, -Umwelt und gesellschaftlicher Zusammenhalt wurden geeignete Schlüsselthemen identifiziert und mit Basisindikatoren unterlegt, die die Entwicklung in diesen Bereich quantifizieren“, erklärt der Bericht „Nachhaltigkeitsindikator 2012“, dessen Ergebnisse die Entwicklung des Jahres 2011 aufzeigen. Insgesamt besteht ein Gleichgewicht innerhalb der drei Nachhaltigkeits-Felder, so dass überall gleich viele Themenbereiche und Basisindikatoren berücksichtigt werden. Die nachhaltige Entwicklung in Deutschland wird wiederum im Zeitablauf anhand der Veränderungen der Indikatoren dargestellt: „Die für alle Basisindikatoren einheitliche Benchmark lautet, mindestens so gut zu sein wie im Durchschnitt der jüngeren Vergangenheit, wobei diese als gleitende Zehnjahresperiode vor dem jeweiligen Bezugsjahr definiert wird.“ Zur Ermittlung aller Ergebnisse dient ein Scoreverfahren, bei dem auf einer Punkteskala der Wert -2 das Minimal- und +2 das Maximalergebnis darstellt.

Die Nachhaltigkeitsdimension gesellschaftlicher Zusammenhalt verbesserte sich am deutlichsten. Foto: pixelio/S. Hofschlaeger
Die Nachhaltigkeitsdimension gesellschaftlicher Zusammenhalt verbesserte sich am deutlichsten. Foto: pixelio/S. Hofschlaeger

Nachhaltige Entwicklung 2011

Zeuner zeigt sich von den Werten für 2011 erfreut. Demnach weisen alle Felder eine positive Entwicklung auf, sogar die beste seit sechs Jahren: „Die Verbesserung aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen ist das Ergebnis steigender Beschäftigung, höherer Ausgaben für Bildung und Forschung seit 2009 und die Energiewende.“ Im Bereich Wirtschaft stieg der Gruppenscore um 0,1 Punkte auf 0,9 Zähler an. Insgesamt wurde keins der wirtschaftlichen Schlüsselthemen innerhalb des Berichts schlechter als 2010 bewertet; die Sachkapitalbildung stieg sogar um einen Zähler an. Die Erwerbsquote lag mit 53,3 Prozent zwar nur marginal höher als 2010 (53,2 Prozent), trotzdem übertrifft der Wert deutlich den Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (52,5 Prozent). Insofern bewertet der Bericht das Schlüsselthema der Erwerbsbeteiligung wie im Vorjahr mit dem Positivscore 1.

Der Gruppenscore im Bereich Umwelt stieg um 0,2 Zähler auf 0,5 Punkte an. Hierbei seien vor allem das Energiekonzept der Bundesregierung und der Atomausstieg verantwortlich, informiert der Bericht. Wiederzufinden sei das in den positiven Entwicklungen der Schlüsselthemen Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energienutzung. Keinen Fortschritt gab es bei den Luftschadstoffemmissionen, die sich im Vergleich zum Vorjahr auf den Minimalwert von minus 2 verschlechterten. Besorgt zeigt sich der Bericht über die Entwicklung der Artenvielfalt. Der hier zugrunde gelegte Basisindikator zur Bestandentwicklung ausgewählter Vogelarten verharrte wie 2010 auf minus 2 Punkten.

Den kräftigsten Anstieg konnte der Bereich des gesellschaftlichen Zusammenhalts verzeichnen, dessen Gruppenscore sich von 0 auf 0,6 Punkte erhöhte. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung konnte sich beispielsweise die Langzeitarbeitslosenquote als Indikator für die wirtschaftliche Teilhabe von 2,7 Prozent auf 2,5 Prozent verringern. „Erfolge wurden auch bei der Arbeitsmarktintegration von in Deutschland lebenden Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft erzielt.“ So erhöhte sich der Integrationswert auf 1. Im Vorjahr hatte dieser noch bei minus 1 gelegen.

Methodische Ansätze zur Wohlfahrtsmessung

Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Methoden, um alternativ die Wohlfahrt einer Gesellschaft zu messen. Sogenannte Indikatorenbündel - wie etwa der Indikatorenbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung - verzichten auf die Zusammenführung mehrerer Wohlfahrtskomponenten zu einem einzelnen Index: „Indikatorenbündel können aufgrund ihrer Detailliertheit und der hohen Objektivität und Interpretierbarkeit einzelner Indikatoren leichter für konkrete Entscheidungen herangezogen werden“, erklären Professor Ulrich van Suntum und Oliver Lerbs von der Universität Münster. Aufgrund ihrer Komplexität sind diese Ansätze aber gleichzeitig unübersichtlich und können schlecht kommuniziert werden. Im Gegensatz dazu sind die aggregierten Wohlfahrtsmaßstäbe, zu denen auch der Nachhaltigkeitsindikator der KFW gehört, verständlicher, weil sie die Ergebnisse anhand weniger Punkte zusammenführen. Dadurch sind sie methodisch allerdings angreifbar. „Die Suche nach dem einen allumfassenden Wohlfahrtsmaß muss nach heutigem Wissenstand vergeblich bleiben“, sagen van Suntum und Lerbs. Dazu sei der Wohlstandsbegriff zu vielschichtig. „Es ist jedoch möglich, anhand klar definierter Kriterien die Eignung eines Wohlfahrtsmaßes situationsbezogen zu beurteilen.“

Quelle: UD
 

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