CSR-Management

CSR heißt Verantwortung übernehmen

Kaum ein Wort wird dieser Tage so oft und allzu oft beliebig benutzt wie Nachhaltigkeit. In einem Gastkommentar beleuchtet Sven Grönwoldt die CSR-Diskussion und erinnert daran, dass es am Ende um Verantwortung geht.

01.07.2015

CSR heißt Verantwortung übernehmen

Die Probleme mit der Nachhaltigkeit beginnen schon ganz am Anfang: beim Wording. Der oftmals besinnungslose Gebrauch (man müsste fast von „Missbrauch“ sprechen), der von dem Wort „nachhaltig“ gemacht wurde, hat die Debatte in eine fatale und unnötige Schieflage gebracht, hat ein Zwielicht über der Szene verbreitet. Wenn jedes marginal reduzierte Übel als Quantensprung in Sachen Nachhaltigkeit gefeiert wird – wie es etwa die Automobilindustrie bei ihren CO2-Werten tut –, wird das gesamte Konzept ad absurdum geführt!

Auch Buchstabenkürzel wie „CSR“ machen die Sache nicht besser. Paradoxerweise rutschen wir, sobald wir von den Belangen der Nachhaltigkeit sprechen, in eine Zone absoluter Ungriffigkeit, wo es doch um das uns Vertrauteste überhaupt geht: um uns.

Die philosophischen Implikationen dieser Beobachtung lasse ich einmal auf sich beruhen. Fest steht, dass Nachhaltigkeitskommunikation kein "nice to have" ist, sondern eine bittere Notwendigkeit. Nur ist das vielleicht noch nicht für alle erkennbar. Doch mehr und mehr entwickelt sich nachhaltiges Denken – oder sagen wir vorsichtiger: Wirtschaften in Kategorien der Nachhaltigkeit – zu einem Element des Kerngeschäfts jedes Unternehmens. Das liegt, ganz pragmatisch gesprochen, an der veränderten Haltung des Mitarbeiternachwuchses zu dem in Frage stehenden Thema.

Hier hilft ein Rekurs auf globalere gesellschaftliche Trends: Waren die Grünen mit ihrem Beharren auf ökologisch verantwortlichem Handeln und Denken vor wenigen Jahrzehnten noch Vorreiter, ein paar Spinner vom Rand der Gesellschaft, Greenpeace-Aktivisten, die sich von den Walfanggebieten in den Alltag verirrt hatten, so sind sie heute aus der Mitte, auch aus Berlin-Mitte, nicht mehr wegzudenken. Umweltbewusstsein hat in der Wahrnehmung der Bürger den Stellenwert eingenommen, den früher Prosperität, Wachstum und Aufschwung innehatten.

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Deswegen finden Unternehmen sich heute unter strenger Beobachtung wieder. Man schaut ihnen genau auf die Finger. Im Zeitalter allumfassender Medienpräsenz hat Krisen-PR ausgedient. Die einzige Krisen-PR, die unter den Bedingungen des Internetzeitalters funktioniert, ist die konsequente Vermeidung von Krisen! Das Instrument, mit dem man seinen Willen, genau in dieser Richtung zu arbeiten, transparent machen kann, ist der Nachhaltigkeitsbericht. In diesem ist der Arbeitgeber einmal selbst gezwungen, die Karten auf den Tisch zu legen.

Und wenn er sich dabei dumm anstellt, kann das Bewerbungsgespräch in naher Zukunft ganz schnell zu Ende sein. Der Mitarbeiter schreibt Ihnen dann eine freundliche Absage und wendet sich an ein Unternehmen mit hellerem Kopf und klareren Positionen.

Nach Jahrzehnten, in denen der Zynismus der Zahlen der Maßstab aller Dinge war, bricht eine Ära an, die in ihrer revolutionären Stoßrichtung vermutlich nur der Renaissance vergleichbar ist. Der Mensch wird wiederentdeckt. Nicht nur als Verantwortlicher für globales Unheil, für Umweltverschmutzung und outgesourcete Ausbeutung. Das natürlich auch. Vor allem aber entsteht ein Bewusstsein dafür, dass jeder einzelne von uns auch auf der Opferseite sitzt: Immerhin, so der Eindruck, wird unser aller Zukunft von knallhart und rücksichtslos kalkulierenden Konzernen aufs Spiel gesetzt.

Angesichts dessen, was das Faktenschaffen der Wirtschaft auf diesem Planten angerichtet hat, kauft den Verantwortlichen ihren Mythos vom rein rationalen Handeln niemand mehr ab. Das Gefühl, die Verhältnisse hätten sich verselbständigt, das Heft des Handelns wäre jenen, die sich auf Podien als Lenker inszenieren, längst entglitten, ist übermächtig geworden. Plötzlich und unerklärlich stürzt der Aktienmarkt ab. Ganze Länder verwandeln sich schlagartig in einen einzigen Schuldenberg. Erklärungen gibt es nicht. Verantwortung auch nicht. Nur noch das blinde Schicksal scheint zu wissen, was geschieht. Was angesichts dieser Lage von der Wirtschaft zu fordern ist, beantworten die jungen Generationen mit: Demut.

Herrschte bislang die Philosophie: „Frage nicht, was dein Unternehmen für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Unternehmen tun kannst“, so stellt man dem heute selbstbewusst entgegen: „Was tut mein Unternehmen eigentlich für mich?“ Man könnte von Emanzipation reden. Auch die Arbeitnehmer verlangen Gleichberechtigung, nachdem diese gesellschaftsweit Tatsache geworden ist.

Nachhaltigkeit ist kein Trend. Eher ist sie als Phänomen mit der Digitalen Revolution vergleichbar. Auch da murrten anfangs einige Besserwisser, das sei eine Modeerscheinung, die sich legen würde. Bis heute ist das nicht geschehen, auch wenn einige vielleicht immer noch ihre Briefentwürfe mit dem Montblanc schreiben. Vielmehr hat die Digitale Revolution mit PC und Internet die gesamte Arbeitswelt umformatiert. Über Nacht. Irreversibel. Kein Schreibtisch sieht heute noch so aus, wie er vor der flächendeckenden Einführung des chipgestützten Arbeitens aussah. Gleiches steht uns für den Inhalt unserer Köpfe bevor, wenn die Nachhaltigkeitsrevolution über uns hinweggeht.

Ebenso wenig, wie wir den alten Zeiten nachtrauern, in denen ich diesen Artikel erst einmal mit Bleistift hätte skizzieren müssen, um ihn dann per elektrischer Schreibmaschine abzutippen, werden wir mit Wehmut an eine Epoche zurückdenken, in der wir uns keinen Deut um unsere Zukunft scherten. Vielleicht werden wir vorsichtiger an die Dinge herangehen. Die Ärmel nicht mehr ganz so schnaubend hochkrempeln. Nicht ganz so poltern, wenn wir unsere Wachstumszahlen präsentieren. Aber in dieser notwendigen Prise Pessimismus verbirgt sich, näher betrachtet, ja ein Anlass zu ungebremstem Optimismus: Endlich interessiert der Mensch sich wieder für den Menschen!

Und das ist eine Revolution, die alles andere in den Schatten stellt.

Wir haben vielleicht die richtigen Worte dafür noch nicht. Aber die werden wir finden.

Quelle: UD
 

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