„Ohne Chemie können einige aktuelle gesellschaftliche Probleme nicht gelöst werden“
Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, war zu Gast bei Evonik und tauschte sich im Industriepark Wolfgang mit Personalvorstand und Arbeitsdirektor Thomas Wessel und weiteren Expertinnen und Experten des Unternehmens über die aktuellen Herausforderungen der Chemieindustrie aus. Im Fokus standen der Brückenstrompreis, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Beschränkung der Stoffgruppe PFAS.
16.10.2023
Thomas Wessel wies darauf hin, dass die Industrie eine tragende Rolle für die wirtschaftlichen Wertschöpfungsketten in Deutschland spielt: „Unsere Industrie ist ein Motor für Fortschritt und Innovationen. Sie stellt moderne Produkte her, die greifbar sind und die Millionen von Menschen kaufen und nutzen. Darüber hinaus trägt die Industrie auch über die Kaufkraft der eigenen Beschäftigten einen wesentlichen Teil zum gesamtgesellschaftlichen Wohlstand bei. Es ist also für uns alle wichtig, dass die deutsche Industrie international wettbewerbsfähig bleibt.“
Dies sei derzeit schwierig, da der Strompreis für die energieintensive Industrie deutlich über dem der internationalen Wettbewerber liege. Der Brückenstrompreis sei daher bis zur flächendeckenden Umstellung auf regenerative Energien ein Garant, dass die Firmen Investitionen auch weiterhin in Deutschland tätigen, so der Vorstand.
Standortleiterin Kerstin Oberhaus gab im Anschluss einen Einblick in verschiedene Projekte einer zirkulären Wirtschaftsweise: „Wir arbeiten hier in Hanau zum Beispiel daran, die in Polyurethan-Matratzen eingesetzten Rohstoffe chemisch zurückzugewinnen, Mikropartikel aus Abwasser abzutrennen oder Lithium aus Lithium-Ionen-Akkus zu recyceln.“
Bundesminister Hubertus Heil sieht hierin eine Stärke der chemischen Industrie: „Ohne Chemie können einige aktuelle gesellschaftliche Probleme nicht gelöst werden. Für die Energiewende, die Digitalisierung und die Erreichung der Klimaneutralität brauchen wir das Know-how der Expertinnen und Experten.“
Ein weiteres Schwerpunktthema war die auf europäischer Ebene vorgeschlagene Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (kurz PFAS). Beim Besuch einer Produktionsanlage, in der zum Beispiel die für mRNA-Impfstoffe wichtigen Lipide hergestellt werden, stellten Thomas Riermeier, Leiter Geschäftsgebiet Health Care, und Linda Gerhofer, Projektmanagerin Engineering, die in der Anlage verbauten Teflondichtungen, ausgekleideten Rohrleitungen und Armaturen vor, die von den Beschränkungsplänen voll erfasst wären.
„Sollten die per- und polyfluorierten Alkylverbindungen als gesamte Stoffgruppe verboten werden, kommt das in Deutschland und Europa einer Deindustrialisierung gleich: Denn diese Produkte dürften dann auch nicht in die EU eingeführt werden“, sagt Renée Röske von Governmental Affairs. „Die Beständigkeit von PFAS gegenüber Säuren als auch Laugen, oder gegenüber polaren sowie unpolaren Lösemitteln ist unabdingbar für die Herstellung von hochreinen Arzneimitteln. Die auf dem Markt befindlichen Substitute sind nicht so beständig, die Gefahr der Leckrate ist höher oder die Reinheitsanforderungen können nicht eingehalten werden. Wir brauchen also dauerhafte Ausnahmen bei der Beschränkung von PFAS-haltigen Anlagenkomponenten.“
Gute Argumente aus der Praxis seien unerlässlich für die richtige Entscheidungsfindung, sagt Bundesminister Heil zum Abschluss.