Erneut Zuwachs an weiblichen Vorstandsmitgliedern
Der Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen von Deutschlands börsennotierten Unternehmen ist zum fünften Mal in Folge gestiegen auf jetzt 7,3 Prozent. In den 160 DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen arbeiteten zum Stichtag erster Januar 2018 erstmals 50 Frauen in den Vorstandsgremien und damit sieben Frauen mehr als noch vor einem Jahr und drei mehr als zur Jahresmitte 2017. Der Frauenanteil und die Gesamtzahl sind die höchsten im gesamten Untersuchungszeitraum.
26.01.2018
Vier Unternehmen werden zudem von einer Frau als CEO geführt, seit Juli 2017 ist damit eine Vorstandschefin neu hinzugekommen. Sonja Wärntges führt seit Oktober das SDAX-Unternehmen DIC Asset. Frauen sitzen außerdem beim SDAX-Konzern Hamburger Hafen und Logistik sowie den TecDax-Unternehmen GFT Technologies und MediGene auf dem Chefsessel.
Trotz dieser Fortschritte: Die Vorstände der meisten Unternehmen bleiben eine Männerdomäne. Nach wie vor sind 73 Prozent der Vorstandsgremien der Unternehmen ausschließlich mit Männern besetzt – lediglich in 27 Prozent der Unternehmen sitzt mindestens eine Frau im Vorstand. Im vergangenen Jahr sind außerdem mehr Männer neu in die Vorstände gekommen als Frauen: Ihre Zahl stieg um 12 auf 636.
Mindestens zwei weibliche Vorstandsmitglieder sind derzeit in etwa vier Prozent der Unternehmen (das sind sieben Unternehmen) beschäftigt. Es handelt sich allerdings hauptsächlich um DAX-Konzerne: Allianz, Daimler, Deutsche Bank, SAP und Siemens. Daneben setzen auch die im MDAX gelistete Aareal Bank sowie der TecDAX-Konzern Telefónica Deutschland auf mehr als eine Frau im Vorstand.
Das sind die Ergebnisse einer Analyse der Struktur der Vorstände der 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX gelisteten Unternehmen, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zweimal jährlich durchführt.
Ernüchterung über den Zuwachs
Trotz des höchsten Frauenanteils in den DAX-Vorständen seit Bestehen der Untersuchung zeigt sich EY-Partnerin Ulrike Hasbargen angesichts des langsamen Fortschritts eher ernüchtert: „Der Weg von Frauen in die Führungsspitzen der Unternehmen bleibt leider oft mühsam und steinig. In den Vorstandsetagen sitzen mehrheitlich Männer, daran ändert sich trotz freiwilliger Quoten und öffentlicher Debatten wenig.“ Im derzeitigen Tempo wird erst 2038 ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt sein. Wenn die Zahl der Frauen in den Vorstandsgremien weiter so langsam steigt wie im letzten Jahr, wird es bis zum Jahr 2038 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist.
Dass eine verbindliche Quote für Neubesetzungen in den Aufsichtsräten seit dem Jahr 2015 zu einem deutlichen Anstieg beim Frauenanteil in diesen Gremien geführt hat, zeige, dass Ausreden nicht mehr zählen, so Hasbargen: „Es gibt genügend Frauen, die das können. Unternehmen sind gut beraten, diese zu fördern und auch die Chance auf entsprechende Vorstandsposten zu geben. Ansonsten dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis wir auch dafür eine gesetzliche Quote bekommen.“
DAX-Unternehmen sind Vorreiter
Mit gutem Beispiel voran gehen vor allem die DAX-Unternehmen. Der Frauenanteil bei den 30 wertvollsten deutschen Unternehmen stieg innerhalb eines Jahres um 1,6 Prozentpunkte auf jetzt 12,9 Prozent. Inzwischen haben 70 Prozent der DAX-Unternehmen – also 21 – mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied, vor einem Jahr waren es nur 57 Prozent beziehungsweise 17 Unternehmen.
In den MDAX-Vorständen dagegen herrscht Stillstand. Wie vor einem Jahr gehören dort gerade einmal neun Frauen dem Vorstand an – zur Jahresmitte war es sogar eine Frau weniger. Damit liegt ihr Anteil bei 4,4 Prozent – der schlechteste Wert aller Indices. 84 Prozent der Unternehmen haben gar keine Frau im Vorstand.
Nur leicht verbessert haben sich die SDAX- beziehungsweise TecDAX-Unternehmen. Im SDAX kam im Jahresvergleich ein weiterer weiblicher Vorstand hinzu, so dass dort mittlerweile neun Frauen einen Vorstandsposten bekleiden. Die TecDAX-Unternehmen beschäftigen zusammen derzeit sechs weibliche Vorstände – zwei mehr als noch vor einem Jahr. Damit kommen die SDAX-Unternehmen auf einen Frauenanteil von 5,4 Prozent und die TecDAX-Unternehmen auf einen Anteil von 5,3 Prozent.
Rollenbilder als mögliche Ursache
Laut Hasbargen muss deshalb etwas passieren. Deutsche Konzerne hätten in der jüngsten Vergangenheit zwar viel in Programme zur Frauenförderung investiert. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings brauchen wir neben der gezielten Förderung von Frauenkarrieren beispielsweise über frauenspezifische Netzwerke oder Kurse für angehende Führungskräfte hinaus vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer und Frauen. Dabei darf es aber nicht bleiben. Noch immer sind es vielfach Frauen, die sich um die Kinder kümmern. Hier muss ein Umdenken in den Unternehmen, aber auch in den Köpfen der Frauen und ihrer Partner stattfinden. Tradierte Rollenbilder – etwa das der Frau, die zu Hause bleibt und die Familie managed, während der Mann das Geld verdient – sind noch immer nicht überwunden. Es sind aber häufig genau diese Bilder, die erfolgreiche Frauenkarrieren schon früh im Keim ersticken.“
Hasbargen rät Unternehmen, Frauen zu motivieren und für Karriere zu interessieren: „Angesichts der anhaltend guten Konjunktur wird der Fachkräftemangel immer deutlicher. Gut ausgebildete Frauen werden heute dringender in den Konzernen benötigt denn je. Wer ihnen nicht entsprechende attraktive Angebote machen kann, wird im Wettbewerb um Fachkräfte das Nachsehen haben.“
Am häufigsten sind Frauen in den Chefetagen für operative Bereiche ihrer Unternehmen zuständig – etwa für Produktion oder Logistik: 28 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder tragen Verantwortung für das operative Geschäft. Jeweils 24 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder verantworten den Bereich Personal oder sonstige Zentralfunktionen wie beispielsweise Marketing, Forschung oder Compliance. Am höchsten ist der Frauenanteil im Vorstand mit 14 Prozent in der Telekommunikationsbranche, gefolgt von der Finanzbranche (13 Prozent) und den Logistikunternehmen (zwölf Prozent). Unternehmen aus den Branchen Medien, Handel, Rohstoffe und IT kommen dagegen jeweils nur auf einen Anteil von vier Prozent.
Weiterführende Statistiken zur Geschlechterverteilung finden Sie hier.