Kaum weibliche Vorstände in börsennotierten Unternehmen
Der Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen von Deutschlands börsennotierten Unternehmen ist seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen. In den DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen arbeiteten zum Stichtag 30. Juni 2015 36 weibliche Vorstände und damit so viele wie ein Jahr zuvor. Allerdings ist die Zahl der Gesamtvorstände nach oben gegangen, sodass der Anteil von Frauen im Vorstand auf aktuell 5,4 Prozent zurückging.
22.07.2015
Die Zahl der Vorstände insgesamt lag in den 160 untersuchten Unternehmen am 30. Juni 2015 bei 667 und damit höher als noch vor einem halben Jahr (663) oder vor einem Jahr (653). Somit sank der Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder stetig von 5,55 Prozent über 5,41 Prozent auf aktuell 5,40 Prozent. 2013 hatte er noch bei über sechs Prozent gelegen.
Das sind die Ergebnisse einer Analyse der Struktur der Vorstände der 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX gelisteten Unternehmen, die die Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zweimal jährlich durchführt.
„In den deutschen Vorstandsetagen hat sich unterm Strich bislang wenig getan: Sie bleiben männliche Monokulturen. Die Bemühungen vieler Unternehmen, mehr Frauen an die Spitze zu bringen, zeigen also noch nicht den gewünschten Erfolg. Vor dem Hintergrund der seit vielen Jahren anhaltenden Diskussionen ist das ein enttäuschendes Ergebnis“, stellt Ana-Cristina Grohnert, Managing Partner bei EY, fest.
Mentalitätswandel
„Fakt ist aber auch, dass sich derzeit ein Mentalitätswandel vollzieht“, fügt Grohnert hinzu. „Immer mehr Unternehmen arbeiten tatsächlich intensiv daran, dass mehr Frauen die Türen zur Führungsetage geöffnet werden und dass weibliche Nachwuchskräfte nachhaltig gefördert werden. Auch wenn dieser Prozess nicht von heute auf morgen gelingt, früher oder später werden diese Bemühungen Früchte tragen. Und er schließt vieles mit ein, zum Beispiel die Entwicklung einer offenen Unternehmenskultur, in der Vielfalt tatsächlich gelebt wird und kein Lippenbekenntnis ist.“
Der EY-Studie zufolge sind fast vier von fünf Vorstandsgremien der deutschen börsennotierten Unternehmen ausschließlich mit Männern besetzt. Lediglich in 21 Prozent der Unternehmen sitzt mindestens eine Frau im Vorstand – so viel wie bereits vor einem Jahr. Mehrere Frauen finden sich sogar nur in zwei Prozent der Gremien.
DAX- und SDAX-Unternehmen können Zahl der Frauen im Vorstand steigern – Anteil im MDAX am geringsten
Die DAX- und die SDAX-Unternehmen konnten die Zahl der Frauen in den Vorständen entgegen dem Gesamttrend leicht steigern: In beiden Indizes kam jeweils eine Frau neu in den Vorstand. Damit sind im DAX derzeit 15 von 192 Vorstandsmitgliedern weiblich, das entspricht einem Anteil von 7,8 Prozent (Juni 2014: 5,6 Prozent). Im SDAX ging der Anteil im Jahresvergleich dennoch von 7,3 auf 6,9 Prozent zurück, da die Zahl der männlichen Vorstände noch stärker stieg. Im SDAX stehen derzeit zwölf Frauen 162 männlichen Vorständen gegenüber.
Der Anteil der Unternehmen mit mindestens einer Frau im Vorstand beträgt im DAX derzeit 40 Prozent – der höchste Anteil unter den Indizes. Im SDAX haben 24 Prozent der Unternehmen mindestens eine Frau in der Vorstandsetage, im TecDAX 13 Prozent und im MDAX nur zehn Prozent.
Mehrere Frauen im Vorstand hat keines der MDAX-, SDAX- oder TecDAX-Unternehmen. Lediglich im DAX sitzt inzwischen bei einigen Unternehmen mehr als eine Frau am Vorstandstisch: Dort haben zehn Prozent mehr als eine Frau im Vorstandsgremium, vor einem Jahr waren es drei Prozent.
Nur eine Frau CEO – Verantwortung für das Operative nimmt zu
Derzeit leitet nur eine einzige Frau eines der 160 börsennotierten Unternehmen als CEO. Die Frauen in den Chefetagen übernehmen aber immer mehr Verantwortung für die operativen Bereiche ihrer Unternehmen. Gut zwei von fünf der weiblichen Vorstandsmitglieder sind für Operatives zuständig – Anfang des Jahres war es noch ein Drittel. Gestiegen ist binnen eines halben Jahres auch der Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder mit Personalverantwortung. 25 Prozent der weiblichen Vorstände verantworten das Personalressort nach 19 Prozent zu Jahresbeginn. Zurückgegangen ist dafür der Anteil der Frauen, die Verantwortung für die Finanzen tragen: Nur noch 25 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder fungieren als Chief Financial Officer. Vor einem halben Jahr betrug der Anteil noch 28 Prozent.
Ana-Cristina Grohnert: „Es gibt auch ermutigende Signale: Frauen haben sich in der Zwischenzeit in allen Vorstandsbereichen fest etabliert, immer mehr auch im operativen Bereich. Eine Aufteilung nach klassischen männlichen und weiblichen Ressorts ist damit kaum noch möglich.“
Stark unterschiedlicher Frauenanteil je nach Branche
Nach wie vor hoch ist der Frauenanteil im Vorstand im Bereich Transport und Logistik (14 Prozent). Mit elf Prozent steht die Telekommunikationsbranche auf Platz zwei der Statistik. In der Informationstechnologie beträgt der Frauenanteil im Vorstand hingegen nur ein Prozent. Im Energiesektor ist derzeit kein einziges Vorstandsmitglied weiblich.
Grohnert ist zuversichtlich, dass die Unternehmen den Frauenanteil in Zukunft steigern können: „Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass gemischtgeschlechtliche Führungsteams erfolgreicher sind als Gruppen, in denen Männer die Mehrheit stellen. Was für die Leitung eines Unternehmens gilt, trifft auch auf alle anderen Ebenen zu: Teams, die sich aus Männern und Frauen, unterschiedlichen Nationalitäten, älteren und jüngeren Mitarbeitern zusammensetzen, arbeiten kreativer als homogene Einheiten. Innovation und Vielfalt gehören zusammen: Immer mehr Unternehmen erkennen das.“