Bauern werden zu Bienen-Beschützern
Jedes Jahr im Frühling berichten die Medien über das große Bienensterben. Die Ursachen für den Insektenrückgang sucht man häufig in der Landwirtschaft. Die muss deshalb auch Teil der Lösung sein. Gemeinsam mit dem Netzwerk Blühende Landschaft will ALDI SÜD jetzt die Felder wieder zum Summen bringen.
06.07.2018
„Heimischen Insekten kann man nur mit heimischen Pflanzen helfen“, erklärt Dr. Matthias Wucherer, Leiter des Netzwerks Blühende Landschaft (NBL). Der Diplom-Biologe hat derzeit viel zu tun: Knapp 150 Kilo Saatgut müssen für das Projekt „Blüte-Biene-Nützling“ noch verschickt werden. Dies ist eine von drei Maßnahmen, die das NBL gemeinsam mit ALDI SÜD ins Leben gerufen hat. Das Ziel: der Schutz der (Wild-) Bienen. Die sind nämlich akut gefährdet.
Schuld an dem Rückgang der Bestäuber sind laut Greenpeace vor allem Veränderungen in der Landwirtschaft. Blühende Feldränder, Sandwege, Totholz und Steinhaufen werden weniger, Monokulturen mit kaum Fruchtfolgen hingegen mehr. Brachliegende Flächen, blühende Feldränder oder gar Wildwiesen bekommt man dagegen immer seltener zu Gesicht. Für die Bienen ist das schlecht: „Ihnen fehlen dann gleichzeitig Nahrung, Lebensraum und Nistplätze, um sich fortzupflanzen. Auch Überwinterungsmöglichkeiten fehlen“, erklärt Wucherer. Ein weiteres Problem sind Pflanzenschutzmittel. Insektizide halten nicht nur Schädlinge fern, sondern schaden auch den bestäubenden Insekten. Erst Ende April 2018 hat die EU drei der sogenannten Neonicotinoide, die für Bienen besonders gefährlich sind, verboten.
Ein Umdenken findet mittlerweile auch in der Landwirtschaft statt, wie die vielen positiven Rückmeldungen für die Projekte des NBLs zeigen. Aber die Bauern haben laut Wucherer nur wenig Handlungsspielraum: „Das Problem der Landwirtschaft oder der Landwirte ist oft, dass sie sich einerseits an Verwaltungsvorschriften und Dokumentationspflichten halten müssen. Auf der anderen Seite stehen auch marktwirtschaftliche Zwänge.“ ALDI SÜD und das NBL setzen mit dem Projekt „Blüte-Biene-Nützling“ genau da an.
Über die (Wild-) Biene:
- Es gibt mehr als 580 Arten in Deutschland.
- Wildbienen haben einen Flugradius von etwa 300 Metern, die Honigbiene fliegt bis zu drei Kilometer weit.
- Sie nisten zum Beispiel in sandigen Böden, im Holz oder in Lösswänden.
- 80 Prozent der Pflanzen, die uns mit Nahrungsmitteln versorgen, sind auf die Bestäubung durch Bienen und andere Insekten angewiesen.
- Viele andere Tiere ernähren sich von Bienen und deren Larven.
- Die Honigbiene wird erst ab etwa 16 Grad Celsius richtig aktiv, die Wildbiene schon bei vier Grad Celsius.
Blühstreifen statt Pestizide
Gemeinsam mit den Landwirten aus der ALDI SÜD Lieferkette wird „Blüte-Biene-Nützling“ umgesetzt. Das Prinzip ist einfach: Die Bauern wandeln einen kleinen Teil ihrer Produktionsfläche in Blühstreifen um und pflanzen darauf insektenfreundliche Blumen. Dort sollen sich dann Nützlinge, wie Bienen, Florfliegen und Co., ansiedeln und die Schädlinge auf dem Feld verringern: „Schwebfliegen oder Marienkäfer fressen zum Beispiel von einer Kartoffelkultur die Blattläuse weg. Wenn die Blattläuse eine gewisse Befallsdichte gar nicht erst erreichen, dann muss der Landwirt keine Insektizide spritzen“, meint Wucherer. Das hat gleich mehrere Vorteile. Die Insekten finden Nahrung und Lebensraum. Auch der verminderte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln käme der Biene zugute. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Pilotphase. Es sei zunächst erst mal ein Versuch, der auf Forschungen von Agroscope aus der Schweiz basiert, erklärt der Diplom-Biologe. In drei Jahren habe man im Idealfall gute Ergebnisse.
Soforthilfe für die Bienen
Als Sofortmaßnahme soll das Projekt „BienenBlütenReich“ dienen. Hierfür werden mit Unterstützung von ALDI SÜD 250.000 Quadratmeter Blühfläche in ganz Deutschland angelegt. Dadurch entsteht neuer Lebensraum für Wildbienen und andere Insekten. Etwa 60 Prozent der Flächen dafür kommen aus der Landwirtschaft. Der Rest liegt mehr im innerstädtischen Bereich und wird beispielsweise von Kommunen und Vereinen zur Verfügung gestellt.
Auch auf Dächern und an den Filialen von ALDI SÜD wird es immer bunter. Neben dem Aufstellen von Insektenhotels und Bienenstöcken werden Dachbegrünungen angelegt: „Die verschiedenen Pflanzen blühen auf der Grünfläche bis in den späten Herbst hinein und liefern damit Nektar und Pollen für Wildbienen und andere blütenbestäubende Insekten“, so Jan Stefan Dams, Corporate Responsibility Manager bei ALDI SÜD. Insgesamt entstehen so über 700.000 Quadratmeter insektenfreundlicher Lebensraum.
Folgen des Insektensterbens
Alleine in Deutschland gibt es über 580 Bienenarten. Mehr als die Hälfte davon ist vom Aussterben bedroht. Betroffen ist aber weniger die Honigbiene, die von Imkern gezüchtet wird, sondern ihre wilde Verwandtschaft: „Dazu gehören zum Beispiel auch Hummeln, Holzbienen, Mauerbienen, Kuckucksbienen und viele weitere. Das ist wirklich eine sehr große und artenreiche Gruppe“, so Wucherer. Gäbe es irgendwann keine bestäubenden Insekten mehr, hätte das schwerwiegende Folgen: Ein Drittel unserer Nahrung würde wegfallen. Entsprechend leer wären die Regale im Supermarkt, Obst und Gemüse würden zum Luxusgut werden. Aber auch für andere Tiere ist das Insektensterben ein Problem, wie Wucherer deutlich macht: „Das Rebhuhn zum Beispiel ist in den letzten 20 Jahren um 94 Prozent zurückgegangen. Das liegt vor allem daran, dass für die Küken keine Proteinnahrung in Form von Insekten mehr vorhanden ist.“
Um diesen Teufelskreis aufzubrechen, engagiert sich ALDI SÜD schon seit 2016 für den Bienenschutz. Acht bienenschädigende Pestizide hat das Unternehmen in seiner Lieferkette im Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland bereits verboten. Das Engagement geht aber noch weiter. Auch der Glyphosateinsatz und damit der Glyphosatgehalt in Lebens- und auch Futtermitteln soll so weit wie möglich reduziert werden, wie Sven Fundel, Qualitätsmanager bei ALDI SÜD, erklärt: „Die Orientierungswerte, die wir für unsere Lieferanten als mittelfristiges Ziel definiert haben, liegen teilweise bei gerade einmal zehn Prozent der aktuell zugelassenen Grenzwerte. Um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu verringern, stehen wir kontinuierlich im Dialog mit unseren Erzeugern und Lieferanten.“
Infos zum Bienenschutz und eine interaktive Karte gibt es hier.