Messen, bewerten, Ressourcen sparen: GreenSpeed Tool hilft Herstellungsprozess zu optimieren
Produkte müssen heute nicht nur nutzenbringend und wirksam, sondern auch klimakonform und ressourcenschonend sein. Das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck hat ein Tool entwickelt, mit dem es die Umweltwirkungen von während des Herstellungsprozesses verwendeten chemischen Produkte automatisch quantifizieren kann. Mit diesen Daten kann das Unternehmen seine Produktionsprozesse optimieren und dadurch einen Beitrag zur Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele leisten. Welche Einsparungspotenziale sich ergeben, zeigt sich bei der Herstellung eines Krebsmedikaments.
18.07.2023
Erkranken Menschen an Krebs, ist das für die Betroffenen erst einmal ein Schock, denn die Diagnose wird oftmals mit Unheilbarkeit in Verbindung gebracht, so der Krebsinformationsdienst. „Die aktuellen Zahlen und Statistiken sprechen jedoch eine andere Sprache: Berücksichtigt man, dass die Menschen heute im Durchschnitt viel älter als noch vor 20 Jahren werden, so geht die Krebssterblichkeit in Deutschland seit Jahren zurück, und die Lebenserwartung Betroffener ist stark angestiegen.“
Aber: Trotz der kontinuierlichen Fortschritte bei der Behandlung von Krebs stellt die Erkrankung eine große Bürde für die Menschen weltweit dar, da die Zahl der Neuerkrankungen stetig steigt, wie das Darmstädter Unternehmen Merck bestätigt: „Prognosen zufolge auf bis zu 24 Millionen Fälle im Jahr 2035.“ Folglich ist auf der Seite der Patientinnen und Patienten ein anhaltender Zugang zu effektiven Krebstherapien lebenswichtig. „Unser Pioniergeist treibt uns an, diesen Bedarf durch die Forschung und Entwicklung innovativer Therapieansätze zu berücksichtigen. Wir machen uns diesen Pioniergeist und unsere Stärke als globales Unternehmen zunutze, um beträchtliche Ressourcen in die Forschung und Entwicklung investieren zu können“, so Merck.
Produkte müssen wirken und klimakonform sein
In Anbetracht der Klimakrise und der steigenden betrieblichen Klimaschutzanforderungen muss sich dieser Pioniergeist aber nicht nur in der Wirksamkeit der Medikamente zeigen, sondern auch in deren klimakonformer und ressourcenschonender Produktion. Wie das funktioniert, zeigt Merck beispielsweise mit einem Medikament, das Erwachsene beim Kampf gegen nicht-kleinzelligen Lungenkrebs bekommen. Für seine Herstellung benötigt das Unternehmen mittlerweile über 80 Prozent weniger Lösungsmittel im Vergleich zu früheren Herstellprozessen. Auch konnte es die Produktionsschritte von ursprünglich neun auf fünf reduzieren. Es ist geplant, den CO2-Fußabdruck dieses Medikaments und anderer Produkte weiter zu senken. Dazu Pamela Fandel, Leiterin von Group Corporate Sustainability bei Merck: „Wir leisten unseren Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels, weil wir davon überzeugt sind, dass sich Klimaschutz und Energieeffizienz auszahlen – sowohl für die Umwelt als auch für unser Geschäft. Aus diesem Grund haben wir uns ehrgeizige Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase gesetzt.“ Diese besagen, dass das Unternehmen bis 2030 die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2) im Vergleich zu 2020 um 50 Prozent senken will; durch die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen, den verstärkten Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen und die Verringerung der prozessbedingten Emissionen.
„Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir unter anderem in der Lage sein, die Nachhaltigkeit unserer in der Entwicklung befindlichen Produktionsprozesse zu bewerten, da diese im Jahr 2030 die groß-technische Produktion darstellen. Daher werden Nachhaltigkeitskennzahlen wie Wasserverbrauch, Lösungsmittelintensität, Energieverbrauch oder CO2-Emissionen benötigt, um nachhaltige Entscheidungen treffen zu können“, führt Till Langner, Leiter von Corporate Sustainability, Science & Technology Relations bei Merck aus.
GreenSpeed Tool ermöglicht automatisierte Quantifizierung
Die dafür notwendigen Daten liefern in der Regel Lebenszyklusanalysen, die etwa die Umweltwirkungen eines spezifischen Produkts über den gesamten Lebensweg quantifizieren. Diese Analysen sind sehr zeitaufwendig und werden normalerweise erst im Nachgang erstellt. Bei Merck wollte man aber die Nachhaltigkeitsanalyse der Herstellungsprozesse bereits in der frühen Entwicklung automatisiert durchführen. So ist es möglich, schon frühzeitig die effizientesten und nachhaltigsten Produktionsmethoden zu ermitteln und entsprechende Entscheidungen für die spätere großtechnische Produktion zu treffen. Wichtig war dabei auch, einen einheitlichen Ansatz zu finden, der die Umweltwirkungen der Fertigungsprozesse mit quantitativen Daten bewerten kann und vergleichbar macht.
Um das für die einzelnen Prozesse umzusetzen, hat ein internes Team das sogenannte GreenSpeed Tool entworfen, das automatisiert Daten für Nachhaltigkeitskennzahlen direkt aus internen und externen Datenbanken erhebt. Die Schätzung der CO2-Emissionen basiert dabei auf der sogenannten Process Mass Intensity (PMI)-Metrik, also der Gesamtmenge der für die Herstellung eines Kilogramms Fertigprodukt verbrauchten Ressourcen. Diese wird von der American Chemical Society (ACS) empfohlen und ermöglicht externes Benchmarking:
„Die Reduzierung der Gesamtmenge an Materialien, die zur Herstellung eines Produkts verwendet werden, ist eine große Herausforderung für Unternehmen, die mit grüner Chemie bewältigt werden kann“, so die ACS. „Die PMI-Metrik wurde entwickelt, um Verbesserungen in Richtung eines umweltfreundlicheren Herstellungsprozesses zu bewerten und zu quantifizieren.“ Die PMI kann für die interne Prozessbewertung und die nachhaltigere Gestaltung von Syntheserouten verwendet werden.
Vorteile gegenüber klassischen Lebenszyklusanalysen
Im GreenSpeed Tool stehen zur Annäherung an den Product Carbon Footprint (PCF) zwei Berechnungsmodelle auf Grundlage der PMI zur Verfügung. Das erste ist ein Cradle-to-Gate-Ansatz, der die Emissionen der vorgelagerten Lieferkette und der Produktion einschließt; das zweite ist ein Gate-to-Gate-Ansatz, der sich auf die CO2-Emissionen des internen Herstellprozesses fokussiert. Darüber hinaus beinhaltet das GreenSpeed Tool auch ein Energiemodul und ein Recyclingmodul, um das Optimierungspotenzial auch in Bezug auf diese Parameter zu bewerten.
„Durch das GreenSpeed Tool sparen wir bei der Bewertung der prozessbedingten Umweltwirkungen in der chemischen Produktentwicklung Zeit und Geld, da dieser Vorgang automatisiert innerhalb weniger Sekunden durchführbar ist und keine zusätzlichen manuellen Arbeitsschritte notwendig sind. Damit ist das Tool deutlich schneller als vollständige Lebenszyklusanalysen, welche mehrere Tage und Wochen Aufwand benötigen“, erklärt Alexander Dauth, Project Lead & Sustainability Manager Procurement beim Unternehmen. Außerdem ermögliche GreenSpeed den Nutzern die flexible Bewertung unterschiedlicher Szenarien.