Transparenz hilft Kunden und beeinflusst Kaufverhalten
Egal, ob es darum geht, unternehmensintern Klimaschutz voranzutreiben, branchenübergreifend nachhaltige Konsummuster zu stärken oder die Wirtschaft insgesamt zirkulär auszurichten: Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Transparenz. Diese wird aber vom Kunden belohnt. Verschiedene Nahrungsmittelunternehmen setzen sich jetzt dafür ein, die Klimaauswirkungen von Lebensmitteln transparent zu kennzeichnen.
07.12.2021
Daten über relevante Kennzahlen ermitteln, Performance messen und daraus Maßnahmen ableiten, die die Risiken der eigenen Geschäftstätigkeit minimieren. Was sich zunächst einfach anhört, stellt sich in der Unternehmenspraxis oft als sehr kompliziert heraus. Insbesondere dann, wenn der Wertschöpfungsprozess vom Rohstoffabbau über die Weiterverarbeitung bis hin zum Endprodukt viele Zwischenstufen beinhaltet. Noch komplexer wird es, wenn nicht nur die eigenen Daten und die der Lieferanten abgefragt werden, sondern Informationen unterschiedlicher Branchen mit jeweils eigenen weit verzweigten Zulieferketten notwendig sind, um ganze Wirtschaftsstrukturen anzupassen; wie im Fall von Circular Economy.
Diese steht und fällt nicht nur mit dem richtigen Produktdesign, sondern auch mit dem Einsatz von recycelten Materialien. Aber: Gerade einmal 14 Prozent der eingesetzten Rohstoffe in der deutschen Industrie stammen aus dem Recycling, wie es beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie heißt. Warum? Weil die Daten fehlen, etwa über anfallende Abfälle, die sich als Rezyklate eigneten: „Um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft besser zu koordinieren, braucht es zwingend eine bessere Abstimmung von Stoff- und Informationsflüssen, um diesen Problemen zu begegnen“, sagt Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut. „Informationen über Mengen und insbesondere Qualitäten von Produkten und den in ihnen enthaltenen Rohstoffen müssen erhoben werden und erhalten bleiben“, ergänzt sein Kollege Dr. Holger Berg.
Digitaler Produktpass und Transparenz im Handel
Wie das funktionieren kann, zeigt zum Beispiel der digitale Produktpass. Dieser ist Teil der Digitalagenda des Bundesumweltministeriums und findet sich in verschiedenen politischen EU-Strategien wieder. Dort werden Informationen etwa zu Materialien, chemischen Inhaltsstoffen, Reparierbarkeit oder fachgerechter Entsorgung aufgeführt. „Der Produktpass sorgt für Transparenz entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts: vom Rohstoff bis zum Recycling. So können sich etwa Konsumentinnen und Konsumenten bewusst für ein nachhaltiges Produkt entscheiden“, so das BMU.
Und Produkttransparenz kommt bei den Verbrauchern gut an. Laut einer Studie von inRiver, einem Anbieter im Bereich Product Information Management, erhöhten genaue Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produkts die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden es kaufen. „58 Prozent überdenken ihr Kaufverhalten zugunsten nachhaltiger Produkte, wenn Händler vollständige Transparenz zum ‚ökologischen Fußabdruck‘ eines Produkts liefern“, zitiert IT4Retailers die Studie. „Doch das ist nicht alles: 49 Prozent der Verbraucher sind sogar bereit, mehr für ein Produkt zu bezahlen, wenn deutlich gekennzeichnet ist, dass es aus recycelten Materialien besteht oder vollständig recycelbar ist.“
Vorstoß bei der Kennzeichnung von CO2e-Emissionen
Da der private Konsum für einen Großteil des Ressourcenverbrauchs verantwortlich ist, liegt es zum einen am Verbraucher, bewusster einzukaufen und Dinge länger zu benutzen. Zum anderen sind die Unternehmen, die einen Großteil unserer konsumierten Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen, in der Verantwortung, ihre Prozesse und Waren weitestgehend emissionsarm sowie umwelt- und sozialkonform zu gestalten und herzustellen, wollen wir die negativen Folgen des Klimawandels und des Artensterbens begrenzen. Unabhängig davon, ob es sich dabei um Firmen mit einem genuin nachhaltigen Geschäftsmodell handelt oder nicht. Denn im stressigen Familien- und Arbeitsalltag bleibt vielen Menschen gerade bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln nicht die Zeit, sich lange mit ihrer Kaufentscheidung auseinanderzusetzen, um die nachhaltigste Variante zu wählen.
Das weiß auch Dr. Julian Zuber, CEO von GermanZero. Die Klimaschutzorganisation hat jüngst mit verschiedenen Unternehmen aus der Nahrungsmittelbranche wie etwa Nestlé Deutschland, FRoSTA oder mymuesli eine Transparenzinitiative für CO2e-Emissionen in der Lebensmittelindustrie bekannt gegeben. „Transparenz und eine möglichst einfache Etikettierung sind elementar, damit Konsument*innen schnell und richtig entscheiden können. Klimaschutz kann und muss transparent und niedrigschwellig geschehen“, sagt Zuber. Das Ziel von „Together for Carbon Labelling“, so der Name der Initiative, ist es, die Rahmenbedingungen und Kriterien für die CO2e-Kennzeichnung von Lebensmitteln zu identifizieren.
Nestlé Deutschland: „Die Grüne Null“
Das Unternehmen setzt sich nicht nur für eine verbesserte Verbraucherkommunikation ein, die klimabewusstes Verhalten der Kundinnen und Kunden unterstützt, sondern hat sich selbst weitreichende Ziele gesteckt, um den Klimaschutz voranzutreiben. Dabei soll bis 2050 die „Grüne Null“ (Netto-Null-Emissionen) erreicht werden: „Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Deswegen wandeln wir unser Geschäft und bündeln unsere Ressourcen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Weltweit, an allen Standorten und in allen Ländern“, so Nestlé Deutschland eigenen Angaben zufolge.
Der Weg zur „Grünen Null“ basiert auf drei Säulen, in denen das Unternehmen umfassende Maßnahmen umsetzt:
- Säule 1: Förderung der regenerativen Landwirtschaft
- Säule 2: Arbeitsschritte neu denken (z.B. 100 Prozent Ökostrom bis 2025)
- Säule 3: Produktpalette neu ausrichten (z.B. mehr pflanzenbasierte und klimaneutrale Produkte)
Neuer Standard soll entstehen
Unterstützt von einem wissenschaftlichen Beirat, soll auf dieser Grundlage ein umsetzbarer, vereinheitlichter und kontrollierbarer Standard erarbeitet werden. Mithilfe von Standards kann die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen anhand von Vorgaben und Zielwerten objektiv gemessen und bewertet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Teilnehmenden alle an gemeinsame „Spielregeln“ halten, zu denen sie sich verpflichten: „Wir berechnen bei FRoSTA bereits seit vielen Jahren die CO2e-Fußabdrücke aller unserer Produkte und veröffentlichen sie auf unserer Webseite. Diese Fußabdrücke auf die Verpackung zu drucken, macht allerdings bisher für uns keinen Sinn, da es keine einheitliche Berechnungsmethode gibt. Das sollte sich ändern, damit die Verbraucher*innen sich schon beim Einkauf bewusst für klimafreundliche Produkte entscheiden können“, erklärt Sebastian Bernbacher, Marketing Director FRoSTA.
Und Anke Stübing, Head of Sustainability Nestlé Deutschland, ergänzt: „Langfristig würden wir uns wünschen, dass Lebensmittel nicht nur nach ihrem CO2e-Ausstoß, sondern ganzheitlich im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen gekennzeichnet werden – zum Beispiel wieviel Wasser oder Fläche sie in der Herstellung verbrauchen. Um das zu erreichen, setzen wir uns auch für eine gemeinsame europäische Methodik zur Berechnung der Umweltauswirkungen ein.“
Nestlé Deutschland analysiert Verbraucherverhalten
Im Frühjahr 2021 hat Nestlé Deutschland die Studie „So klimafreundlich is(s)t Deutschland“ veröffentlicht, um das Verbraucherverhalten besser zu verstehen. Die Ergebnisse unterstützen den Ansatz eines Klimalabels. Denn: Eine Mehrheit der Befragten würde sich zwar für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen, verstünde aber noch nicht den Zusammenhang zwischen Ernährung und Klimaschutz und wünschte sich deshalb Transparenz und Hilfe, um sich für klimabewusstere Lebensmittel entscheiden zu können. „Notwendig sind unter anderem ambitioniertes unternehmerisches Engagement, Transparenz über Ziele und Zwischenziele sowie eine produktbasierte Klima-Kommunikation“, kommentierte etwa Georg Abel, Bundesgeschäftsführer der Verbraucher Initiative, die Ergebnisse der Studie.