Innovation & Forschung

Synthetische Kraftstoffe aus Papierreststoffen

Einen nachhaltigen Kraftstoff aus Papierreststoffen erzeugt das Fraunhofer Institut UMSICHT im Projekt „Reststoff2Kraftstoff“. Gemeinsam mit sieben Partnern aus Industrie und Wissenschaft werden 50 Tonnen Einsatzmaterial aus der Papier- und Zellstoffindustrie zu CO2-neutralem Rohöl und weiter zu normgerechtem Benzin und Diesel verarbeitet. Dieses wird dann im Serien-LKW getestet.

11.10.2021

 Synthetische Kraftstoffe aus Papierreststoffen
Im Forschungsprojekt Reststoff2Kraftstoff wird erprobt, wie aus Reststoffen der Papierindustrie klimafreundliche Kraftstoffe hergestellt werden können.

Jährlich fallen in Deutschland circa vier Millionen Tonnen Faserreststoffe aus der Papier- und Zellstoffindustrie an. Die Entsorgung verursacht in der Branche Kosten von insgesamt 160 Millionen Euro pro Jahr. Mit der thermischen Verwertung dieser Abfälle werden außerdem 500 Kilogramm fossiles CO2 pro Tonne freigesetzt, insgesamt circa 1,5 Millionen Tonnen im Jahr.

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Ziel des Forschungsprojekts Reststoff2Kraftstoff ist es, diesen Reststoff mit Hilfe eines neuartigen thermo-chemischen Konversionsverfahrens (TCR-Verfahren) zunächst in ein Roh-Öl-Äquivalent umzuwandeln und anschließend in einer Raffinerie zu nachhaltigen Norm-Kraftstoffen aufzubereiten.

Synthetische Kraftstoffe aus Reststoffen

Synthetische Kraftstoffe aus Reststoffen und Abfallprodukten könnten eine wichtige Rolle im Mobilitätsmix der Zukunft spielen, vor allem für schwer zu elektrifizierende Bereiche wie den Güter- und Flugverkehr.

Dr. Robert Daschner, Abteilungsleiter Energietechnik bei Fraunhofer UMSICHT Sulzbach-Rosenberg sagt: „Um die Klimaziele im Mobilitätssektor zu erreichen, brauchen wir schnell CO2-neutrale Kraftstoffe. Allein schon, um die tausende LKW, die noch Jahrzehnte betrieben werden müssen, möglichst rasch klimaneutral zu machen.“

Insgesamt ließen sich allein durch Kraftstoffe basierend auf den Rückständen der Zellstoff- und Papierindustrie jährlich bis zu einer Million Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Zusätzliche 1,5 Millionen Tonnen würden wegfallen, weil die Reststoffe nicht mehr verbrannt werden müssten.

Projektleiter bei Fraunhofer UMSICHT, Dr. Andreas Apfelbacher sagt hierzu: „Gerade biogene Reste aus der Industrie oder Landwirtschaft sind ideale Einsatzstoffe, da hier definitiv keine Konkurrenz zur Agrarindustrie hinsichtlich der Flächennutzung besteht. Bisher verrotten diese Abfallstoffe meist ungenutzt und setzen so CO2 frei. Wir wandeln sie in klimaneutrale Kraftstoffe um.“

Vom Reststoff zum erneuerbaren Kraftstoff: Projektablauf

Im Projekt Reststoff2Kraftstoff werden 50 Tonnen Faserreststoffe vom Papierhersteller LEIPA zunächst vorbehandelt, also getrocknet und pelletiert.

Das Einsatzmaterial wird anschließend im Technikum von Fraunhofer UMSICHT Sulzbach-Rosenberg mit der patentierten thermo-katalytischen Reforming (TCR)-Technologie zu einem Rohöl umgewandelt. Dabei werden die Faserreststoffe zunächst in einem Schneckenreaktor pyrolysiert (intermediäre Pyrolyse). In der zweiten Stufe, dem katalytischen Reforming, werden die entstehende Kohle und die Dämpfe gezielt in Verbindung gebracht, was die Gasausbeute und Qualität verbessert. Durch Kondensation werden Prozesswasser und Öl von der Gasphase getrennt, das Gas wird gereinigt und energetisch genutzt. Im Projekt entstehen so insgesamt 2000 Liter Rohöl aus Faserreststoffen.

Das Rohöl geht anschließend an die bayerische Gunvor Raffinerie in Ingolstadt. Anhand von Laboruntersuchungen und Simulationen wird ermittelt, wie das regenerative TCR-Öl als „Drop-In-Fuel“ ein fossiles Rohöl in einer konventionellen Raffinerie 1:1 substituieren kann. Die Produktqualität des Öls, insbesondere seine thermische Stabilität, ist hierfür ausschlaggebend. Vorversuche mit TCR-Rohöl versprechen ein hohes Potenzial auf dem Weg zur Defossilisierung bestehender Raffinerien.

Nach der Qualifizierung des Öls wird eine Raffination im Technikumsmaßstab bei Fraunhofer UMSICHT durchgeführt, in der das Rohöl zu erneuerbaren Kraftstoffen nach DIN EN 228 (Benzin) und EN 590 (Diesel) raffiniert wird. Hierfür stellt Clariant den Projektpartnern Bio-Ethanol aus der sunliquid Demonstrationsanlage in Straubing zur Verfügung.

Die fertigen Kraftstoffe werden anschließend an BMW-Versuchsmotoren auf Rollenprüfständen an der OTH Amberg-Weiden erprobt. Mit den Messergebnissen können die Parameter der Rohölerstellung und Raffination weiter optimiert werden.

Außerdem wird der erneuerbare Dieselkraftstoff von der Firma MAN Truck und Bus SE im Straßeneinsatz und unter Realbedingungen getestet. Hierfür kommt ein Serienmodell einer MAN-Sattelzugmaschine zum Einsatz. Mithilfe eines PEMS (Portable Emis-sion Measurement System) werden die Emissionen analysiert.

Neben der technischen Machbarkeit und Bewertung der Gesamteffizienz der Verwertungskette werden im Projekt auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Kraftstoff aus Papierrückständen beleuchtet. Die Projektpartner von der Friedrich Alexander Universität Nürnberg analysieren hierfür insbesondere die geltenden Entlastungsmöglichkeiten nach dem Energiesteuergesetz sowie die steuerliche Förderung von Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Energieträgern.

Die technischen, ökonomischen und juristischen Ergebnisse aus dem Projekt dienen als Ausgangspunkt für die Konzeption einer großtechnischen Anlage zur Verwertung von Faserreststoffen und Herstellung von regenerativem Rohöl.

Das Projekt Reststoff2Kraftstoff startete im Frühjahr 2021 und läuft bis 2024. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft BMWi im Förderbereich „Energetische Biomassenutzung“ gefördert.

Hintergrund: Synthetische Kraftstoffe der nächsten Generation

Synthetisch hergestellte Kraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen weisen ein signifikant geringeres Äquivalent an CO2-Emissionen auf als fossile Treibstoffe. Ihre Produktion steht nicht in Konkurrenz mit der Nutzung landwirtschaftlicher Nutzfläche und damit der Erzeugung von Lebensmitteln. Die erschließbaren Potenziale von Biomasse aus Rest- und Abfallstoffen sind zwar grundsätzlich begrenzt, allein in Deutschland gibt es allerdings ein technisches Potenzial von über 20 Millionen Tonnen ungenutzter biogener Rest- und Abfallstoffe, die sich prinzipiell für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen nutzen ließen.

Mit der Möglichkeit, den beim TCR-Verfahren anfallenden Kohlenstoff zu sequestrieren, werden bilanziell sogar negative CO2-Emissionen möglich, das heißt das in den biogenen Einsatzstoffen gebundene CO2 wird nicht vollständig wieder freigesetzt, sondern gespeichert.

Partner im Projekt

Das Forschungsprojekt Reststoff2Kraftstoff ist ein Gesamtprojekt zwischen sieben Industrieunternehmen und dem Fraunhofer Institut UMSICHT, Institutsteil Sulzbach-Rosenberg. Zu den Kooperationspartnern gehören:

Quelle: UD/fo
 

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