Indien: Wachstumsmarkt für deutschen Mittelstand
Der Wirtschaftsstandort Indien wird für deutsche Unternehmen immer wichtiger. Dabei schwappt das Interesse von Großkonzernen auf den Mittelstand über. Wilo, Hersteller von Pumpen und Pumpensystemen, ist ein Beispiel dafür.
22.09.2023
Sie ist die größte Stadt Indiens und gehört zu einer der am dichtesten besiedelten Metropolen der Welt: Mumbai. Direkt am Arabischen Meer gelegen, ist sie eines der wichtigsten kulturellen und wirtschaftlichen Zentren des Landes – nicht zuletzt wegen der global bekannten Filmindustrie. Auch wenn die Stadt faszinierend ist, ist ein Leben dort aus unterschiedlichen Perspektiven nicht einfach. Zum einen ist der Wohlstand ungleich verteilt. Zum anderen machen die klimatischen Bedingungen Vielen zu schaffen; vor allem im Frühsommer, wenn es kurz vor der Monsunzeit unerträglich heiß wird, wie die Taz exemplarisch berichtet. Kommt dann der Regen, können die sinnflutartigen Wassermassen die Millionenmetropole in ein riesiges Überschwemmungsgebiet verwandeln. Sogenannte Regenwasserpumpwerke in der Stadt arbeiten gegen diese Wassermassen an, indem sie das Wasser aus einem Abfluss oder einem Wasserarm ins Meer ablassen, so der Pumpenspezialist Wilo. Gleichzeitig sollen Fluttore das Eindringen von Meerwasser in die Stadt verhindern.
„Wo immer der Landpegel unter dem Meeresspiegel liegt, wird es zwangsläufig zum Wasserstau kommen. Pumpstationen sind vor allem für zwei Dinge verantwortlich: Sie pumpen das Regenwasser ab und verhindern, dass die Flut in die Stadt eindringt. Jede Pumpe kann 6.000 Liter Wasser pro Sekunde herausdrücken", erklärt ein Mitarbeiter von Wilo India. „Wir sind mehr als erfreut, dass wir unsere Axialstrom-Tauchpumpen für die Stationen konstruiert, hergestellt, getestet, montiert und in Betrieb genommen haben". 2020 hatte Wilo vier von acht Stationen in der indischen Metropole damit ausgestattet.
Wilo in Indien
Nicht nur Mumbai, sondern das südasiatische Land insgesamt, hat eine große wirtschaftliche Bedeutung für Wilo. So hat das Unternehmen im Sommer 2023 in Indien einen neuen Hauptproduktionsstandort eröffnet. Genauer gesagt in Kesurdi. Dieses liegt wie Mumbai im Bundesstaat Maharashtra. Unternehmensangaben zu Folge entstand auf einem 94.000 Quadratmeter großen Areal ein Hightech-Produktionskomplex; hochmodern und nachhaltig. So habe Wilo für den Bau ausschließlich umweltfreundliche Fertigbauteile verwendet. Komplexe Energiemanagement- und Wasseraufbereitungssysteme minimierten die CO2-Emissionen des Werks, beispielweise durch die auf dem Fabrikdach installierte PV-Anlage, die 1.200 Tonnen CO2 jährlich vermeiden würde.
Gefertigt werden in Kesurdi Pumpensysteme für die Wasserwirtschaft in Indien, im Mittleren Osten, in Afrika und in Südostasien. Es ist der dritte Hauptproduktionsstandort in Indien, der 16. global. „Wir freuen uns, das weltweite Wilo-Produktionsnetzwerk durch die Eröffnung weiter auszubauen“, so Oliver Hermes, Vorstandsvorsitzender und CEO der Wilo Gruppe. „Mit dem neuen Standort werden wir der zunehmenden Bedeutung Indiens im Welthandel gerecht. Der Ausbau der Produktionskapazitäten in Indien folgt damit konsequent der globalen ‚region-for-region‘-Strategie der Unternehmensgruppe.“ Mit ihr verfolge Wilo das Ziel, regionale Kundenbedürfnisse mit regional hergestellten Produkten zu bedienen. „Zudem stärken wir unsere Präsenz in Indien als attraktiver Arbeitgeber“, führt Hermes aus. Durch die Eröffnung schaffe Wilo rund 1.500 direkte und indirekte Arbeitsplätze.
Diversifizierung der Lieferkette: „China + 1-Strategie“
Wilo gehört zu einer Vielzahl von mittelständischen Unternehmen hierzulande, die den Wirtschaftsstandort des südasiatischen Landes für sich entdeckt haben. „Indien boomt. Seit einem Jahr verzeichnen wir 40 bis 50 Prozent mehr Anfragen aus Deutschland“, zitiert das Handelsblatt Daniel Raja, Auslandsvertreter beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Indien. „Waren es früher eher die Konzerne und global aufgestellte Mittelständler, bekommen wir jetzt auch Anfragen von kleinen Unternehmen.“ So berichtet die Zeitung etwa von einem deutschen Unternehmen, das aktuell über 5.000 IT-Spezialisten auf einmal sucht.
Dass Indien an wirtschaftlicher Attraktivität für hiesige Unternehmen gewinnt, kommt nicht von ungefähr, denn die globalen Multikrisen haben zu einem Umdenken der Wirtschaftsentscheider geführt: „Für deutsche Unternehmen sind gestörte Lieferketten eine Mahnung, Risiken zu minimieren und nach Alternativen für Einkauf und Fertigung zu suchen“, erklärt Rajesh Nath, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) in Indien im Geschäftsbericht von Wilo.
Der Präsenzausbau deutscher Betriebe auf dem indischen Markt – gekennzeichnet durch Beschaffung, dem Ausbau indischer Standorte als Kompetenzzentren und durch die Fertigung einzelner Produktreihen für den Weltmarkt – verschaffe ihnen eine breitere Lieferantenbasis, wodurch sie „eine „China + 1“-Strategie verfolgen können. „Der intensive Wettbewerb hat dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Beschaffung auf Länder mit niedrigem Kostenniveau ausrichten. In Verbindung mit hohen Erwartungen von Anlegern an die Kapitalrendite zwingt er Unternehmen zu Kostensenkungen, um ihre Bilanzen unmittelbar zu verbessern“, so Nath.
Indien: Niedrige Lohnkosten, verfügbare Rohstoffe und gut ausgebildete Fachkräfte
Und tatsächlich sind deutsche Unternehmen für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Indien an der richtigen Adresse. Das Land verfügt etwa über eine breite Rohstoffbasis – in diesem Jahr wurde beispielsweise ein großes Lithiumvorkommen von mehreren Millionen Tonnen entdeckt –, viele technische Hochschulen und moderne Technologien: „Zudem ist Indien durch das Angebot an qualifizierten Fachkräften bei geringen Lohnkosten ein attraktiver Outsourcing-Standort für die globale Forschung und Entwicklung.“
Flankiert wird das Ganze durch staatliche Unterstützung. So fließen zum Beispiel öffentliche Forschungsgelder in Innovationszentren, wie ARD online berichtet. Als Beispiel nennt das Nachrichtenportal das „T-Hub“ im südindischen Hyderabad. ARD online zu Folge sind dort 350 Start-ups beheimatet, zusätzlich würden noch zweimal so viele dort Platz finden.
Wachstum: Indien löst China ab
Und Indien hat aus wirtschaftlicher Perspektive Großes vor: „Die indische Wirtschaft wächst rasant. Schon in vier Jahren soll Indien Deutschland und Japan überholt haben. Menschen, die zuvor ausgewandert waren, kehren zurück in ihre Heimat und bauen dort Firmen auf“, so ARD online. So ist es kein Wunder, dass das Land China als Wachstumsgaranten Asiens den Rang abgelaufen hat. „Schon für die Jahre 2023 und 2024 prognostizieren der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) hohe wirtschaftliche Wachstumsraten Indiens von über sechs Prozent, also deutlich höher als im Falle Chinas“, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Für Indien sprechen die Größe des Landes, die bei der jungen Altersstruktur zu erwartende demographische Dividende sowie der enorme Nach- und Aufholbedarf in Bezug auf Industrialisierung und exportgeführtes Wachstum.“
Das spiegelt sich auch in den Handelszahlen, etwa zwischen Deutschland und Indien, wider: „Von 2015 bis 2022 haben sich die deutschen Importe aus Indien von 7,6 auf 15,0 Milliarden Euro nahezu verdoppelt“, erklärt wallstreet-online. „Die deutschen Exporte nach Indien stiegen von 2015 bis 2022 um mehr als die Hälfte von 9,7 auf 14,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die deutschen Gesamtexporte stiegen in diesem Zeitraum um 32,1 Prozent und die Gesamtimporte um 57,4 Prozent.“
Einen guten Überblick über die wichtigsten Handelsgüter zwischen Indien und Deutschland liefert das Portal Germany Trade & Invest.