Circular Economy: Keine Angst vor Datenpreisgabe dank Blockchain
Produkte herstellen, nutzen und danach einfach wegwerfen: Das war gestern. Das Zauberwort einer nachhaltigen Wirtschaft heißt Circular Economy. Damit die funktioniert, müssen Informationen über den gesamten Lebenszyklus von Produkten gesammelt und analysiert werden. Der Ansatz einer Distributed-Ledger-Technologie- beziehungsweise Blockchain-Plattform bietet hier die Möglichkeit, die erforderlichen Informationen transparent und manipulationssicher auszutauschen und kann die Datenbasis für alle Akteure in den Wertschöpfungs- und Kreislaufwirtschaftsnetzwerken mit der notwendigen Sicherheit und Anonymität verbessern. Das Projekt ReDiBlock soll dazu die notwendigen Voraussetzungen schaffen, indem eine Blockchain-Infrastruktur zur Erhöhung der Effizienz der Kreislaufwirtschaft konzipiert und implementiert wird.
29.07.2021
Abfälle vermeiden, Produkte und Komponenten lange gebrauchen und danach demontieren oder recyceln, sodass Einzelteile und Rohstoffe wieder Eingang in die Produktion finden: Der Gedanke einer umfassenden Kreislaufwirtschaft ist nicht neu, bekommt aber in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert in der Gesellschaft, wenn es um Ressourcenschonung geht. In Deutschland durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt, hat auch die EU die Förderung von Circular Economy verstärkt. So wurde auf europäischer Ebene der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft verabschiedet, der ein wichtiger Bestandteil des European Green Deals ist. „Die Transformation der EU zu einer Kreislaufwirtschaft wird den Druck auf natürliche Ressourcen reduzieren und nachhaltiges Wachstum und Arbeitsstellen kreieren“, schreibt dazu die Europäische Kommission.
Das Ziel ist klar, doch der Weg zu einer kreislauforientierten Wirtschaftsweise erfordert noch allerhand Forschungs- und Entwicklungsarbeit, vor allem bei der Produktentwicklung. „Kreislaufwirtschaft fängt nicht beim Abfall an, sondern beim Produktdesign. Nur recyclingfähige Produkte können im Kreislauf geführt werden. Die Produkte wiederum sollten aus recyceltem Material hergestellt und von öffentlicher Hand, Gewerbe, Industrie und Privatkonsumenten nachgefragt werden. Von diesem Ziel sind wir aber leider noch ein ganzes Stück entfernt“, so Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung.
Circular Economy nur mithilfe umfassender Daten möglich
So stammen gerade einmal 14 Prozent der verwendeten Rohstoffe in der deutschen Industrie aus dem Recycling, wie es beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie heißt. Ein Grund dafür seien unter anderem fehlende Informationen, etwa über anfallende Abfälle, die sich als Rezyklate eigneten: „Um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft besser zu koordinieren, braucht es zwingend eine bessere Abstimmung von Stoff- und Informationsflüssen, um diesen Problemen zu begegnen“, so Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut. „Informationen über Mengen und insbesondere Qualitäten von Produkten und den in ihnen enthaltenen Rohstoffen müssen erhoben werden und erhalten bleiben“, informiert sein Kollege Dr. Holger Berg.
Wie das funktionieren kann, zeigt beispielsweise der digitale Produktpass, der Teil der Digitalagenda des Bundesumweltministeriums ist und sich in verschiedenen politischen EU-Strategien wiederfindet. Dort werden Informationen etwa zu Materialien, chemischen Inhaltsstoffen, Reparierbarkeit oder fachgerechter Entsorgung aufgeführt. „Der Produktpass sorgt für Transparenz entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts: vom Rohstoff bis zum Recycling. So können sich etwa Konsumentinnen und Konsumenten bewusst für ein nachhaltiges Produkt entscheiden. Und Verwertungsfirmen können ausrangierte Geräte besser recyceln“, so das Bundesumweltministerium.
Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, müssen aber nicht nur alle Beteiligten über den gesamten Wertschöpfungsprozess eingebunden werden und Informationen austauschen. Eine zweite zentrale Voraussetzung ist die Sicherheit aller Beteiligten, dass die übermittelten Informationen korrekt sind, wie man bei der MHP Management- und IT-Beratung weiß. „In der Praxis scheitert die Kreislaufwirtschaft häufig, weil es enorm anspruchsvoll und aufwendig ist, beide Voraussetzungen zu erfüllen.“
Das gelte umso mehr, wenn Akteure global verteilt seien und kein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen bestünde: „Wirtschaftsbeziehungen, die eigentlich möglich und sinnvoll wären, bleiben dann aus.“
Dilemma: notwendige Datenweitergabe versus mangelndes Vertrauen
Dieses Dilemma kennt auch Jörg Walden, Geschäftsführer von iPoint-systems, einem Anbieter von Software für Produkt-Compliance und -Nachhaltigkeit. „Im Zuge der gesellschaftlichen Erwartungen an den Klimaschutz und eine zukunftsfähige Industriegesellschaft mit hocheffizienten, umweltverträglichen Energie- und Materialströmen ist der beispielsweise über einen Produktpass gewährte umfassende Zugriff auf die verfügbaren Informationen über den gesamten Lebenszyklus unabdingbar“, so Walden. „Dem gegenüber stehen der berechtigte Bedarf der Kontrolle über die eigenen Daten, die Wahrung von Betriebsgeheimnissen und der Schutz von Anonymität. Gleichzeitig ist die Nachverfolgbarkeit, die Datensicherheit und -korrektheit, deren Konsistenz und Fälschungssicherheit in einem Netz von Akteuren gefordert, die sich erstmal grundsätzlich nicht vertrauen.“
Als Lösung für diese Probleme gilt die sogenannte Distributed-Ledger-Technologie (DLT), wobei Blockchain die wohl bekannteste DLT ist. Die Blockchain ist eine digitale Datenbank, die aus einer Kette von Datenblöcken besteht. Neue Daten werden in einem neu generierten Block abgelegt. Dezentral auf unterschiedlichen Servern gespeichert, sind die Informationen nicht manipulierbar, aber untereinander teilbar. „Der gemeinsame Zugriff auf diese Informationen und ihr transparenter und manipulationssicherer Austausch unter Wahrung von Betriebsgeheimnissen und Anonymität über eine Blockchain-Infrastruktur würde die Ausgestaltung und Steuerung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft hinsichtlich regulatorischer, technischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte erheblich verbessern und zusätzliche Anwendungsfelder und Geschäftsmodelle etwa für Remanufacturing generieren“, erklärt Sebastian Galindo von iPoint-systems.
ReDiBlock: iPoint liefert Blockchain-Plattform
Wie das funktionieren kann, erprobt der Softwareanbieter noch bis Oktober 2022 mit Partnern wie dem Karlsruher Institut für Technologie KIT und der Hochschule Pforzheim in dem vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg geförderten Projekt ReDiBlock – kurz für „Ressourcenschonung durch Distributed-Ledger- und Blockchain-Technologie für die industrielle Produktion und Kreislaufwirtschaft“. Dabei gilt es, (daten)technische Ansätze zu klären und die korrekte Übertragung der Realdaten in das digitale System zu analysieren. Das notwendige DLT-Systemkonzept entwickelt iPoint. „Ziel des Vorhabens ist es, Daten zum gesamten Lebenszyklus von der Mine über die Aufbereitung und Produktion bis einschließlich der Nutzungsphase und der Kreislaufschließung zu sammeln und in Datenströmen abzubilden. In diesem Vorhaben soll sich für alle Lebenszyklusphasen exemplarisch mindestens je ein Unternehmen mit einem ausgewählten Produkt beteiligen, um die erarbeiteten Ergebnisse daran zu prüfen und ausgewählte Anwendungsfälle zu betrachten“, so Galindo.