Circular Economy

„Unser Anspruch ist es, Rohstoffe möglichst lang im Kreislauf zu halten“

Wie die BMW Group die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft fördert, um Ressourcen zu schonen und die CO2-Emissionen zu senken, das weiß Jörg Lederbauer. Der Österreicher arbeitet bereits seit 15 Jahren für den Konzern und ist aktuell Hauptabteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb. Im Gespräch mit UmweltDialog erklärt er auch, welche Rolle dabei das Recycling und Demontage Zentrum (RDZ) der BMW Group spielt. Das feiert jetzt sein 30-jähriges Betriebsjubiläum.

17.09.2024

„Unser Anspruch ist es, Rohstoffe möglichst lang im Kreislauf zu halten“

UmweltDialog: Herr Lederbauer, Zirkularität ist einer der wichtigsten Eckpfeiler Ihres unternehmensbezogenen Transformationsprozesses. Klären Sie uns auf: Was unternimmt die BMW Group, um die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu fördern, welche Ziele haben Sie sich gesetzt und welche konkreten Eigenschaften vereint ein Circular Economy (CE) optimiertes Modell bei Ihnen?

Jörg Lederbauer: Es ist unsere Aufgabe, mit den uns zur Verfügung stehenden limitierten Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Um nachhaltige Fahrzeuge zu entwickeln und zu produzieren, sind uns deswegen die Prinzipien der Circular Economy so wichtig. Als Grundlage dient unser Ansatz „Design für Circularity“. Demzufolge konzipieren wir unsere Fahrzeuge so, dass sie idealerweise einfach repariert, ihre Komponenten wiederverwendet und am Ende ihrer Lebensdauer auch wiederaufbereitet werden können.

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Wir arbeiten abteilungsübergreifend eng mit verschiedenen Ressorts zusammen, um das Wissen über die verschiedenen Produktlebensphasen auszutauschen. Unser Anspruch ist es, – und das ist ja das Kernprinzip der Circular Economy – Rohstoffe möglichst lang im Kreislauf zu halten. Wenn wir Komponenten und Rohstoffe wiederverwenden, dann vermeiden wir die primäre Rohstoffproduktion, schonen damit Ressourcen und reduzieren gleichzeitig Emissionen.

Sie operieren bei sich im Unternehmen mit den Begriffen „kleiner“ und „großer“ Kreislauf, um die CE-Prinzipien umzusetzen? Was heißt das genau?

Lederbauer: Der kleine Kreislauf steht für Re:use. Hier verwenden wir Komponenten aus Fahrzeugen eins zu eins wieder, nachdem sie über qualifizierte Partner sachgerecht aufbereitet wurden, sodass eine nahezu neuteilige Qualität entsteht. Beispielsweise im Fall von Getrieben oder Motoren, die wir über Händler dann wieder weiterverkaufen. Auf diese Weise lassen wir Komponenten möglichst lange zirkulieren.

Wenn das nicht möglich ist, kommt der sogenannte zweite Kreislauf ins Spiel, bei dem wir Rohstoffe gewinnen. Er steht für das Recycling von Komponenten, die nicht mehr repariert werden können. Nehmen Sie etwa Katalysatoren. Die beinhalten viele wertvolle Edelmetalle wie Rhodium oder Platin. Die wollen wir natürlich sichern und bringen sie unseren Lieferanten zurück, damit daraus neue Katalysatoren entstehen. Ein gutes Beispiel für einen Closed Loop, der bereits umgesetzt ist.

Nicht jedes Material lässt sich ohne Qualitätseinbuße einfach so recyceln und weiterverwenden. Was bedeutet das für den Produktionsprozess?

Lederbauer: Das hängt von den jeweiligen Rohstoffen und Materialien ab. Stahl lässt sich sehr gut recyceln, sodass daraus wieder Komponenten entstehen, mit denen wir alle Sicherheitsanforderungen und Standards als Automobilhersteller erfüllen. Für Kunststoffe ist dies technisch deutlich anspruchsvoller, da alle Komponenten auch den Sicherheitsanforderungen wie zum Beispiel Crash-Anforderungen genügen müssen.

Jörg Lederbauer, Hauptabteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei der BMW Group

Das heißt, Sie müssen noch weitere Forschungsarbeit leisten, um mittels Kunststoffrecycling Sekundärmaterialien zu bekommen, die bei der Weiterverarbeitung den „BMW“-Standard gewährleisten?

Lederbauer: Genau. Wir forschen an technischen Möglichkeiten wie etwa dem chemischen Recycling. Außerdem kooperieren wir mit Partnern wie Lieferanten und Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, die gleichwertige Wiederverwertbarkeit solcher Materialien zu erhöhen. Hier ist auch die enge Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung wichtig, durch die wir herausfinden, ob sich Sekundärrohstoffe in Komponenten anders verhalten als Primärrohstoffe.

Eine wichtige Voraussetzung für das Recycling allgemein ist: Je besser ich Komponenten oder Materialien sortieren kann, desto höher ist die Qualität, die später herauskommt. Das heißt, wenn ich am Anfang des Sortier- und Schredderverfahrens bei den Verwertern nur branchenspezifische Produkte wie zum Beispiel Automotive-Komponenten gemeinsam wiederverwerte, ist die Qualität höher, als wenn branchenübergreifend Materialien recycelt werden.

Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Aber: Die neue EU-Batterieverordnung schreibt unter anderem höhere Recyclingquoten für die Bestandteile von Akkus vor. So müssen etwa perspektivisch 80 Prozent des verbauten Lithiums und 95 Prozent des verwendeten Kupfers, Kobalts oder Nickels recycelt werden. Um das zu erreichen, sind neue Verfahren notwendig. Das ist teuer. Wie gehen Sie damit um? 

Lederbauer: Wir haben bereits in einem Pilotprojekt über ein Joint Venture nachgewiesen, dass wir Rohstoffe wie Nickel, Lithium und Kobalt aus Hochvoltbatterien zur Wiederverwendung in einem Closed Loop zirkulieren lassen können und die vorgegebenen Quoten erreichen – und das sogar betriebswirtschaftlich sinnvoll. Denn das ist der entscheidende Punkt: Die Produktion unter Verwendung von Sekundärrohstoffen muss günstiger sein als der Einsatz von Primärrohstoffen. Nur so können wir neue Geschäftsmodelle erschließen und die notwendigen Anreize für die Industrie setzen, Circular Economy voranzutreiben. 

In E-Fahrzeugen sind die Batterien die wertvollsten Komponenten, an deren Herstellung viele Lieferanten und Partner über eine komplexe Wertschöpfungskette beteiligt sind. Im Rahmen des Pilotprojekts haben wir unter anderem mit einem lokalen Recyclingunternehmen kooperiert, das ausrangierte Batterien zerlegt und mittels einer innovativen Technologie die Rohstoffe aus den Batteriezellen zurückgewinnt. Die Sekundärmaterialien gingen wiederum an einen Zellhersteller, der daraus neue Batteriezellen für uns gefertigt hat, aus denen wir neue Modelle gebaut und verkauft haben. 

Das Recycling und Demontage Zentrum der BMW Group
Das Recycling und Demontage Zentrum der BMW Group

Ein wichtiger Bestandteil Ihres Engagements im Bereich CE ist Ihr Recycling und Demontage Zentrum (RDZ). Das „feiert“ dieses Jahr sein 30-jähriges Betriebsjubiläum. Für alle, die das RDZ nicht kennen: Was wird hier gemacht und welche Meilensteine konnten Sie erreichen? 

Lederbauer: Seit 30 Jahren arbeiten wir jetzt inzwischen in unserem RDZ daran, schnell und kosteneffizient Fahrzeuge zu demontieren und zu recyceln. Das heißt, wir entwickeln Prozesse mit dem Ziel, die wertvollen Ressourcen, die in einem Fahrzeug sind, nach seiner Nutzungsphase zu identifizieren und wiederzugewinnen. Unser primärer Fokus liegt dabei auf der Demontage von Vorserienfahrzeugen, also Prototypen der BMW Group.

Warum?

Lederbauer: Weil wir aus der Zerlegung dieser Fahrzeuge ganz viel Recycling-Know-how generieren. Dieses Wissen nutzen einerseits unsere Designer und Entwickler, um die Recyclingfähigkeit unserer Modelle zu verbessern. Ein konkretes Beispiel: Es ist viel einfacher, Bauteile zu demontieren und zu recyceln, die verklipst oder verschraubt sind anstatt verklebt. Darüber hinaus scouten wir kontinuierlich den Markt nach neuen Technologien, die existieren, aber noch keine Serienreife haben. Es geht darum, diese Methoden bis zum Serieneinsatz für den Markt weiterzuentwickeln. 

Andererseits, und das ist das wesentliche Merkmal des RDZs, stellen wir unser Know-how mittlerweile über 3.000 Verwertern aus über 32 Ländern weltweit zur Verfügung. Denn das ist die beste Methode, um die Effizienz und Effektivität der Recyclingprozesse zu erhöhen, so die Wiederverwertung global zu unterstützen und Ressourcen zu schonen. Wir waren dafür maßgeblich am Aufbau der sogenannten IDIS-Plattform beteiligt. IDIS steht für International Dismantling Information System. Hier teilen wir Daten standardisiert und kostenlos mit anderen.

Und wie sieht die Zukunft des RDZs aus?

Lederbauer: Wir wollen das RDZ zu einem Kompetenzzentrum für Zirkularität weiterentwickeln und es konsequent für die E-Mobilität befähigen. 

Das Recycling von Hochvoltbatterien erfährt durch den Hochlauf der E-Mobilität immer mehr Aufmerksamkeit. Gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft entwickelt das RDZ nun schon seit vielen Jahren innovative Methoden zur Verwertung von Speichereinheiten aus Fahrzeugen mit elektrifiziertem Antrieb.

Diese Methoden wollen wir weiter optimieren – nicht nur für E-Motoren, sondern auch für Wasserstoffantriebe!

Fahrzeuge bestehen aus einer Vielzahl von Wertstoffen. Darüber hinaus enthalten sie umweltgefährdende Substanzen. Welche Schritte sind notwendig, um ein Auto sachgemäß zu zerlegen, sodass seine Bestandteile zirkulieren können? Geben Sie bitte Beispiele.

Lederbauer: Bei Elektro- oder Wasserstofffahrzeugen werden zuerst die Hochvoltkomponenten ausgebaut. Da geht es im Wesentlichen um die Batteriemodule, die sich in einem Speicher befinden. Sobald das Auto diesbezüglich gesichert ist, ist der weitere Ablauf mehr oder weniger vom Antrieb unabhängig.

Das Recycling und Demontage Zentrum der BMW Group

Was folgt als Nächstes? 

Lederbauer: Als Erstes müssen alle explosiven Stoffe entschärft werden; zum Beispiel Airbags. Die Mitarbeitenden lösen diese gezielt aus und sichern sie. Danach entlassen sie die unterschiedlichen Flüssigkeiten. Dazu zählen etwa Benzin- oder Dieselkraftstoffe, aber auch Getriebeöle oder Brems- und Klimaflüssigkeiten. In der Summe sind es knapp über zehn verschiedene Flüssigkeiten, die die Mitarbeitenden im RDZ ablassen. Auch dieses Prozesswissen fließt in IDIS ein. Denn: Diese Flüssigkeiten muss man richtig lagern und richtig wiederverwerten, um die Umwelt nicht zu gefährden. 

Unser Ziel ist es, die gewonnenen Flüssigkeiten so weit wie möglich wiederzuverwenden. Allein im RDZ fallen davon über 750.000 Liter im Jahr an. Das heißt, es geht nicht nur darum, umweltschädliche Flüssigkeiten zu trennen, sondern auch wertvolle Rohstoffe wiederzugewinnen und diese zu nutzen. Die Flüssigkeiten werden von Partnerunternehmen recycelt. Teilweise nutzen wir sie auch selbst, beispielsweise zum Betanken unserer Prototypen oder Flottenfahrzeuge.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jörg Lederbauer, Hauptabteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei der BMW Group

Kurzvita:

Der gebürtige Österreicher Jörg Lederbauer ist Hauptabteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei der BMW Group. Seine aktuelle Zuständigkeit umfasst unter anderem die Verwertung von nicht seriengleichen BMW Fahrzeugen sowie die Ersatzteilversorgung für Zellen, Speichermodule und Speicherkomponenten der Hochvoltspeicher.

Jörg Lederbauer begann seine Karriere bei SINOC Automotive Technology in Peking. Zuletzt war er dort als Projektleiter für die Geschäftsentwicklung Deutschland und Österreich verantwortlich. Anschließend startete er, mit einer Unterbrechung als Projektmanager im Competence Center Operations Strategy bei Roland Berger, seine Karriere bei der BMW Group.

Inzwischen ist Jörg Lederbauer seit 15 Jahren in verschiedenen Positionen bei der BMW Group tätig. Seine Aufgabenbereiche umfassten dabei unter anderem die Leitung des Kooperationsclusters, das Prozesskettenmanagement der Antriebsentwicklung, den Einkauf und QMT der Hochvoltelektronik für den E-Antrieb sowie die Ersatzteilversorgung für alle Generationen der Hochvoltspeicher.

Jörg Lederbauer ist Diplom-Wirtschaftsingenieur mit Abschluss von der FH Wiener Neustadt sowie Master of Financial Management der britischen Durham Business School, an der er berufsbegleitend sein zweites Studium abgeschlossen hat.

Quelle: UmweltDialog
 

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