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Nachhaltigkeitsrisiko Bauxit

Ob Automobile, Computer oder Smartphones: Praktisch alle Produkte im Alltag sind voller Rohstoffe. Die meisten stammen aus Entwicklungs- und Schwellenländern mit sensiblen Ökosystemen und teilweise instabilen gesellschaftlichen Verhältnissen. Das zeigt das Beispiel des Bauxit-Bergbaus in Brasilien.

18.02.2019

Nachhaltigkeitsrisiko Bauxit

Sie leben vom Fischen, Jagen und Anbau von Maniok, Bananen und Gemüse: Für die
Quilombolas (Nachfahren entflohener afrikanischer Sklaven) des Unteren Amazonas ist eine intakte Natur die wichtigste Lebensgrundlage. Über 30 große Familienverbünde wohnen dort in acht Siedlungen rund um die Gemeinde Oriximiná im brasilianischen
Bundesstaat Pará. Doch ihr Leben ist alles andere als sorgenfrei: Durch die mangelnde juristische Anerkennung ihrer Gebiete sehen sich die Quilombolas mit Landansprüchen konfrontiert, die in Verbindung zu Infrastrukturprojekten und dem Bergbau stehen.

Umweltverschmutzung und Abholzung, bedingt durch den Bergbausektor, beeinträchtigen bereits jetzt ihre Fisch- und Jagdgründe. „Der Rohstoffabbau, konkret durch die Bergbaufirma Mineração Rio do Norte (MRN), die in den Territorien der Quilombolas noch mehr Bauxit abbauen will, stellt für die Quilombolas in Oriximiná heute die größte Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen dar“, erklärte letztes Jahr Fastenopfer, das katholische Hilfswerk der Schweiz. Gemeinsam mit einer brasilianischen Partnerorganisation unterstützt Fastenopfer die Quilombolas dabei, ihre Landrechte gegenüber MRN zu verteidigen.

Rohstoffe in Brasilien

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft adelphi über die Bauxitgewinnung und Aluminiumherstellung in Brasilien, die für das Umweltbundesamt erstellt wurde, fördert MRN jährlich mehr als 17 Millionen Tonnen Bauxit. Die Bergbaufirma ist ein Joint Venture zweier großer Konzerne, die in der Branche tätig sind: „Der brasilianische Bergbausektor wird von multinationalen Konzernen beherrscht“, so die Studie. „Viele Unternehmen sind durch Anteilseignerschaften miteinander verwoben und die Strukturen ändern sich schnell.“

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Obwohl die Gesamtzahl der Beschäftigten in diesem Sektor gering sei, sei dieser für die ländlichen und ärmeren Regionen im Norden von großer Bedeutung: „Brasilien besitzt dort Bauxitvorkommen, die vor allem in der Amazonasregion, am Trombetasfluss und in den Gegenden bei Paragominas und Juruti zu finden sind.“ Neben Bauxit werden im Bundesstaat Pará auch Kupfer und Eisenerz gewonnen. Künftig werde der Bergbausektor weiter wachsen: „Schätzungen zufolge soll es 2030 80 Bergbaustädte in Pará geben und 230 Bergwerke.“

Wertschöpfung benötigt viel Energie

Brasilien ist der drittgrößte Bauxitproduzent weltweit. Aus dem Rohstoff wird Aluminium hergestellt, zum Beispiel  für Autos oder Fahrräder. Auch bei der Weiterverarbeitung des Bauxit spielt Brasilien eine wichtige Rolle. Bis aus dem Erz ein weiterverarbeitungsfähiges Metall wird, sind unterschiedliche Prozessschritte notwendig  weite Transportwege werden zurückgelegt. Dabei ergeben sich innerhalb des Wertschöpfungsprozesses unterschiedliche Risiken für Mensch und Umwelt.

Eine Bauxit-Mine

Nach der Gewinnung des Bauxits im Tagebau muss das Erz gewaschen und aufbereitet werden: „Allein in Oriximiná befinden sich 24 Rückhaltebecken für giftigen Klärschlamm aus der Bauxitproduktion“, so Fastenopfer. Danach folgen die Raffination zu Aluminiumoxid und das Schmelzen zu metallischem Aluminium. Um eine Tonne des Metalls herzustellen, benötigt man insgesamt vier Tonnen Bauxit, rechnet die adelphi-Studie vor. Als Abfall des Herstellungsprozesses entsteht u.a. der sogenannte giftige Rotschlamm. Außerdem entweichen Gase, die bei den Anwohnern der Fabriken Atemwegserkrankungen, Knochenschäden und Hautprobleme hervorrufen können.

Der Prozess frisst eine Menge Energie: „Die Aluminiumherstellung ist die energieintensivste Industriebranche weltweit und zählt zu den größten Energieverbrauchern der Erde“, so die adelphi-Studie weiter. Demnach entfielen 2013 über sieben Prozent des weltweiten industriellen Stromverbrauchs auf die Aluminiumschmelzen. „Damit für die Aluminiumproduktion und andere energieintensive Industriezweige genug Energie zur Verfügung steht, muss der Energiesektor jährlich um 6,5 Prozent wachsen.“

Rotschlamm: Eine Gefahr für Mensch und Umwelt

Nachdem das Bauxit gewonnen wurde, wird das darin enthaltene Aluminium in Druckbehältern bei bis zu 200 Grad Celsius mit Natronlauge erhitzt. Daraus geht das Aluminat hervor. Die eisenreichen Rückstände, Rotschlamm genannt, müssen abgefiltert werden: „Das Aluminiumoxid wird geschmolzen und im Elektrolyseverfahren unter Einsatz von großen Mengen elektrischer Energie zu metallischem Aluminium reduziert“, erklärt die NGO Rettet den Regenwald.

Außerdem muss der Rotschlamm als Abfallprodukt deponiert werden. Er besteht nicht nur aus feinen Eisenpartikeln und Natronlauge. Je nach Ursprung des Bauxits enthält er ebenfalls unterschiedliche Schwermetalle. Bei einer unsachgemäßen Lagerung verursacht dieses Gemisch die größten Schäden für Mensch und Natur. Rettet den Regenwald dazu: „Die feinen Partikel verschlammen Flüsse und Seen in der Umgebung. Die dadurch verstopften Poren und Hohlräume führen zum schnellen Tod von Tieren und Pflanzen. Schlecht abgedichtete Deponien belasten Grundwasser mit Schwermetallen. Sie werden so zu einer langfristigen Gefahr für die Gesundheit der in der Umgebung lebenden Menschen.“

Auf Kosten des Regenwaldes und des Klimas

Dafür setzt Brasilien vor allem auf Staudämme und Wasserkraft als Energiequelle. Zusammen mit dem Bergbau hat dieser Trend aber weitreichende Folgen für Mensch und Natur. Das zeigen die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in Pará deutlich. Mit dem Bauxitbergwerk von Porto Trombetas von MRN bei Oriximiná befindet sich hier das weltweit drittgrößte seiner Art. Gleichzeitig weist Pará den Großteil des Amazonasgebietes auf. „Der Amazonas ist nicht nur aufgrund seiner Biodiversität ein Ökosystem von globaler Bedeutung, sondern er fungiert auch als wichtiger Speicher von Kohlendioxid“, heißt es in der adelphi-Studie. „Als Quelle eines Fünftels der weltweiten Süßwasserressourcen spielt der Amazonas zudem eine kritische Rolle bei der Regulierung des globalen und regionalen Klimas.“ Die weitflächige Rodung des tropischen Regenwaldes würde sich laut Studie global auswirken, die Folgen wären nicht abschätzbar.

Für den Bauxitbergbau und die Energieversorgung der Aluminiumschmelzen war und ist der Verlust primären Regenwaldes jedoch unausweichlich. Das hat unterschiedliche Gründe: So müssen die Bäume wegen der Tagebauflächen gerodet werden. Angaben von Rettet den Regenwald zufolge werden noch heute jährlich 100 Hektar Tropenwald für die seit 1979 bestehende Mine von Porto Trombetas gefällt. Die Pflanzen fallen zudem dem Ausbau der Arbeitersiedlungen und der Infrastruktur – dazu gehören auch Straßen zum Transport des Rohstoffs – zum Opfer. Der Straßenbau wiederum befördert den illegalen Holzeinschlag, weil Holzfäller auf befestigten Straßen leichter entlegene Gebiete erreichen und die gefällten Bäume abtransportieren können.

Renaturierung

Bergwerksbetreiber wie MRN kümmern sich darum, dass der für den Rohstoffabbau gerodete Regenwald wieder aufgeforstet wird: „Für die Renaturierung wird der zuvor abgetragene Oberboden, der neben Samen und auskeimungsfähigen Pflanzenteilen noch viel organisches Material wie Wurzelreste, Äste und Baumstämme enthält, wiederverwendet und mit in Gewächshäusern angezogenen
Setzlingen heimischer Baumarten bepflanzt“, erläutert die Studie von adelphi. Das Problem: Eine vollständige Wiederherstellung der Biodiversität ist nicht möglich.

Außerdem gehen große Regenwaldflächen durch den Bau der Staudämme für die Wasserkraftwerke verloren. Entweder werden sie vorher gerodet oder durch die Stauseen überflutet. Das ist ausgesprochen klimaschädlich, weil durch die verrottende Biomasse das Treibhausgas Methan entsteht. Darüber hinaus verändern sich durch die Stauung und Umleitung von Flüssen die Ökosysteme, was sich negativ auf die Biodiversität der Region auswirkt; Tiere und Pflanzen werden verdrängt.

Einheimische sind die Leidtragenden

Der Bergbau und der infrastrukturelle Ausbau hatten in der Vergangenheit einen großen Einfluss auf die Menschen, die in den betroffenen Regionen leben. So beeinträchtigten die Entwicklungen nicht nur ihre Gesundheit, sondern veränderten ihre gesamte Lebenssituation. Dazu heißt es in der adelphi-Studie: „Zusammen mit
den Bergwerken und Staudämmen stieg die Bevölkerungsdichte durch den Zuzug großer Bevölkerungsgruppen, die wiederum Regenwald für Viehzucht und Landwirtschaft roden.“ Für die dort ansässigen indigenen Gruppen habe dies meist weitreichende negative Konsequenzen gehabt. „Viele verloren Lebensgrundlage und Land und damit ihre Kultur und Tradition.“ Und damit auch ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit, wenn man sich die Quilombolas in Oriximiná anschaut. Wie Fastenopfer berichtet, sind diese heute nämlich von der Arbeit bei MRN abhängig.

Dieser Artikel ist im Original im UmweltDialog-Magazin „Achtung! Warum Unternehmen Menschenrechte beachten müssen“ im November 2018 erschienen.

Banner vom UmweltDialog-Magazin zum Thema Menschenrechte
Quelle: UmweltDialog
 

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