Produktion

Das Ziel: Häuser mit eingebauter CO2-Speicherung

Fast die Hälfte aller CO2-Emissionen von Gebäuden entsteht bereits, bevor sie fertig sind – nämlich bei der Herstellung der Baumaterialien und beim Bau. Viele Zulieferer wie etwa der Bodenbelagshersteller Interface wollen mit neuen Produkten diese „verbauten Emissionen“ reduzieren und dokumentieren die Umweltbelastungen der Baustoffe in Umweltproduktdeklarationen (EPDs).

05.02.2021

Das Ziel: Häuser mit eingebauter CO2-Speicherung

Gebäude werden immer energieeffizienter. Zwischen 2005 und 2017 sanken laut Umweltbundesamt die Emissionen während ihrer Nutzungsdauer um 3,8 Prozent. Dabei entsteht ein beachtlicher Teil der Emissionen bereits sehr früh, hebt Dr. Ulrich Wischnath, Geschäftsführer des Bauwende-Bündnisses für nachhaltigeres Bauen hervor. Die Hälfte aller Energie „über den Lebenszyklus ist bereits verbraucht, wenn der erste Mensch das Haus betritt“, sagt er. Gerade im Bausektor sei der Ressourcenverbrauch der sogenannten Grauen Energie für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung von Produkten besonders hoch. Demnach fallen 40 Prozent des Energieverbrauchs und die Hälfte aller Rohstoffentnahmen aus der Natur in der Bauphase von Gebäuden an.

Die Herstellung von Zement wird beispielsweise für acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich gemacht, berichtet die Frankfurter Rundschau. In vielen weiteren Baustoffen lauern „verbaute Emissionen“. Ein Problem, das nach Einschätzung des Bodenbelagsherstellers Interface angesichts des weltweiten Bau-Booms noch größer werden wird: „Experten sagen, dass die Emissionen der gebauten Umwelt in den kommenden 15 Jahren ihren Höhepunkt erreichen werden, während gleichzeitig viele neue Gebäude gebaut werden müssen, da die Weltbevölkerung bis 2050 auf zehn Milliarden Menschen anwachsen wird.“

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EPD-Programmhalter wie das IBU schaffen Transparenz

Für Bauherren und Planer sind Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, EPD) eine wichtiges Instrument, um den Umwelteinfluss eines Baumaterials zu beurteilen. EPDs schlüsseln unter anderem die Treibhausgasemissionen eines Produktes entlang seiner Lebensphasen auf. Baustoff-Hersteller und Zulieferer wie Interface haben vor allem in den ersten Lebensphasen eines Produktes – Rohstoffgewinnung, Transport in die Fabrik, Verarbeitung und Auslieferung – Einfluss auf den CO2-Abdruck.

In Deutschland ist das Institut Bauen und Umwelt (IBU) Partner der Bauindustrie für die EPD-Erstellung. Programmhalter wie das IBU sorgen für Transparenz und Vergleichbarkeit bei den Umweltinformationen für Baustoffe und -komponenten, indem sie die von den Unternehmen erstellten und von unabhängigen Verifizierern geprüften Umweltproduktdeklarationen für Bauprodukte veröffentlichen. Alle Bau-EPDs des IBU können von interessierten Unternehmen in der Datenbank IBU.data recherchiert werden. Die Datenbank bietet unter anderem Software-Schnittstellen zu anderen Datenbanken wie ÖKOBAUDAT oder zum Gebäudebilanzierungstool „eLCA“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

Die standardisierte Bereitstellung der Daten nach den Anforderungen des IBU bedeutet für die Unternehmen einigen Aufwand. Dieser lohnt sich aber durchaus. Denn die Qualität der Daten wird besser. Das fand das Fraunhofer-Institut für Bauphysik 2019 im Auftrag des IBU beim Vergleich öffentlich zugänglicher Ökobilanzen heraus: Gerade wenn in besonders energieeffizienten Gebäuden Baustoffe mit EPDs verwendet wurden, verursachten diese zwischen drei und sieben Prozent geringere Umweltbelastungen als vergleichbare andere Produkte. Auch die Bewertung im Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) fiel um bis zu 15 Prozent besser aus.

Interface bietet EPDs für viele seiner Produkte an

Auch Interface veröffentlicht seine deutschen EPDs über das IBU. Darüber hinaus biete man für nahezu alle Interface-Produkte weltweit EPDs der jeweiligen Programmhalter gemäß ISO-14025-Standard an, versichert das Unternehmen. Auch andere Standards wie das US-amerikanische LEED oder Green Star würden berücksichtigt.

Die Analyse der Umweltbelastungen der eigenen Produkte ist für Interface seit langem selbstverständlich. Bereits vor einem Vierteljahrhundert hat sich das Unternehmen auf „Nachhaltigkeitsreise“ begeben. Deren Ziel wurde mittlerweile nach eigenen Angaben erreicht: In allen Produktbereichen werde CO2-neutral gewirtschaftet. Daraufhin hat Interface die Mission „Climate Take Back“ gestartet. Bis 2040 will man CO2-negativ werden, indem Rohstoffe verarbeitet werden, die Kohlenstoff aus Abfallprodukten verwerten oder besonders viel Kohlenstoff binden. Dadurch soll insgesamt der CO2-Anteil in der Atmosphäre sinken.

Auf dem Weg zu diesem Ziel nimmt Interface auch die verbauten CO2-Emissionen in den Blick. In diesem Bereich gebe es noch viele Möglichkeiten, die Belastung mit Treibhausgasen zu verringern. Es sei sogar möglich, in Gebäuden zusätzlich CO2 zu speichern – etwa durch Baukonstruktionen aus verantwortungsvoll beschafftem Holz –, versichert Janneke Leenaars, Interface-Nachhaltigkeitsmanagerin für Benelux, Nordeuropa, Osteuropa und aufstrebende Märkte. Sogar mit Algen, die besonders viel CO2 speichern, kann gebaut werden. Absolvierende der Londoner Bartlett School of Architecture haben beispielsweise einen nachhaltigen Algen-Baustoff entwickelt. Damit wurde im chinesischen Ningbo eine Mustersiedlung errichtet.

NY+LON Streets mit CQuest Bio Sandalwood (Ashlar)
NY+LON Streets mit CQuest Bio Sandalwood (Ashlar)

Emissionen der Teppichfliesen um 74 Prozent reduziert

Interface konzentriert sich natürlich besonders darauf, die Umweltbelastungen durch seine eigenen Produkte zu reduzieren. Nach eigenen Angaben wurden die verbauten Emissionen der Teppichfliesen seit 1996 um 74 Prozent gesenkt. „Der nächste Schritt besteht darin, über die Reduzierung von CO2 hinauszugehen und Kohlenstoff als Chance und Baustein zu sehen“, kündigt Janneke Leenaars an. Idealerweise sollen dann auch die Bodenbeläge zusätzliches CO2 speichern.
Solche Produkte hat Interface bereits im Portfolio. Leenaars nennt die neuen Bitumen- und PVC-freien CQuestBio-Rückenkonstruktionen. Diese bestehen zum Teil aus recycelten und biobasierten Füllstoffen, die für sich genommen einen negativen CO2-Fußabdruck haben. Insgesamt haben Teppichfliesen mit dieser Rückenkonstruktion einen um über 33 Prozent geringeren Klimaabdruck als Interface-Bodenbeläge mit der bislang üblichen Graphlex-Rückenkonstruktion.

Die Umweltbelastungen der verschiedenen Modelle seiner Kollektionen dokumentiert Interface natürlich in EPDs. Bereits jetzt kündigt der Bodenbelagsspezialist mit CQuestBioX eine noch effizientere Rückenkonstruktion an, die noch mehr CO2 „schlucken“ kann.

Dass Interface bei seinen umweltschonenden Bodenbelägen auch auf ansprechendes Design achtet, dürfte übrigens im Sinne des US-amerikanischen Ökodesign-Pioniers James Wines sein. Dieser sagte kürzlich: „Die Menschen wollen niemals ein ästhetisch minderwertiges Gebäude in ihrer Nähe, auch wenn es Thermoglas, Photovoltaikzellen, rezyklierte Materialien und emissionsfreie Teppichböden hat.“

Quelle: UmweltDialog
 

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