Schmutzige Schokolade? Zertifizierter Kakao als Chance
Die Kakaoindustrie steckt in der Krise. Vor allem die westafrikanischen Kleinbauern leben unterhalb der Armutsgrenze. Dadurch brauchen sie bei der Kakaoernte billige Arbeitskräfte wie Kinder. Auch können die Bauern oft nicht in die Pflege ihrer Kakaobäume investieren, was wiederum die Erträge senkt. Viele Jugendliche sehen im Kakaoanbau keine Zukunft. Im Gegenzug wächst der Kakaobedarf stetig. Ein mögliches Mittel, um die Lebenssituation der Bauern zu verbessern, ist zertifizierter Kakao. Die Rainforest Alliance hat jetzt die Ertragszahlen für 2012 veröffentlicht. So wurden im Vergleich zu 2011 über 260.000 Tonnen mehr an Kakao gemäß ihren Nachhaltigkeitsstandards erzeugt.
22.02.2013
Cadbury macht es, Mars und Hershey auch: Diese drei Unternehmen sind Beispiele für Schokoladenhersteller, die bis 2020 nur noch zertifizierten Kakao in ihren Produkten verarbeiten möchten. „Es gibt verschiedene Gründe, warum Unternehmen zu zertifizierten Lieferketten umsteigen; Versorgungssicherheit, Kundennachfrage, besseres Markenansehen, Transparenz der Lieferkette, Kostenreduzierung im Nachhaltigkeitsprozess, Effizienz, um einige zu nennen“, informiert das Cocoa Barometer 2012, das die aktuellen, nachhaltigen Entwicklungen im Kakaosektor vorstellt. Utz Certified, Fair Trade Labelling Organizations und Rainforest Alliance sind die drei großen Zertifizierer im Kakaosektor. Zu ihren Aufgaben zählt es unter anderem, die Kakaobauern in besseren Anbaumethoden zu schulen und transparente Lieferketten aufzubauen. Halten die Bauern bestimmte Sozial- und Arbeitsstandards ein, wird ihr produzierter Kakao mit einem Siegel gekennzeichnet und auf dem Weltmarkt angeboten. Darüber hinaus bekommen die Bauern entweder eine Prämie oder einen zugesagten Mindestpreis für ihre Ware: „Die Vergabe eines Labels soll garantieren, dass verbesserte Produktionsmethoden eingeführt wurden. Eine Zertifizierung ist somit nur Endpunkt beim Aufbau eines nachhaltigen Kakaoanbaus. Es geht aber auch ohne Label“, erklärt Friedel Hütz-Adams, Rohstoffexperte bei dem Forschungsinstitut Südwind.
Zertifizierung nach Rainforest Alliance
Die Rainforest Alliance zertifiziert nach dem so genannten Sustainable Agriculture Network-Standard. Dieser umfasst 100 Nachhaltigkeitskriterien, die von Wissenschaftlern und NGOs erstellt wurden. Dabei legt die Organisation besonders Wert auf ökologische Faktoren, welche die Artenvielfalt schützen: „Die Zertifizierung hilft den Farmern, einen besseren Zugang zum Weltmarkt zu ebnen“, erklärt die Rainforest Alliance auf ihrer Homepage. Darüber hinaus liege das Einkommen im Durchschnitt um 70 Prozent höher, und die Kinder der Farmer würden besser in der Schule abschneiden als auf nicht-zertifizierten Farmen. Auch sei die Zertifizierung eine Möglichkeit, komplexe Probleme anzugehen und Mentalitäten zu verändern: „Wenn Farmern der Wert von gemeinnützigen Projekten wie Schul- und Straßenbau in Trainings und Schulungen im Laufe der Zertifizierung näher gebracht wurde, ist zu beobachten, dass sie sich finanziell und ideell stärker daran beteiligen als nicht-zertifizierte Farmer“, heißt es weiter.
Kostenreduzierung und Kooperation
Zertifizierungen sind nicht umsonst. Laut einer Studie von Friedel Hütz-Adams aus dem Jahr 2010 liegt der Kosten-Schätzwert allein für die Schulungen bei 80 Euro pro Farmer: „Die Bauern müssen vor den Zertifizierungen beraten werden, verbesserte Anbaumethoden sind in der Regel arbeits- und damit kostenintensiver“, schreibt er. Um die Kosten für die Bauern zu reduzieren, hat Rainforest Alliance hat ein Modell zur finanziellen Beteiligung der Unternehmen geschaffen. Der Kostenbeitrag hängt von der Menge der zertifizierten Produkte ab, die das Unternehmen auf dem Markt handelt. Auch können sich die Farmer zu Gruppen zusammenschließen und durch eine gemeinsame Zertifizierung die Kosten reduzieren. Dem Cocoa Barometer zufolge streben die Bauern allerdings nach verschiedenen Standards, die teilweise dieselben Themen abdecken. Diese Kosten gelte es zu verringern: „Tools für Mehrfach-Audits wurden entwickelt und Schritte für gemeinsame Trainings wurden durch das Certification Capacity Enhancement Projekt (CCE) unternommen. Ein logischer nächster Schritt wäre, das Auditieren zu rationalisieren, indem die Zertifizierer gegenseitig ihre Prüfungen in jenen Bereichen akzeptieren, die sich überschneiden.“ So hatte das CCE Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eine gemeinsame Anleitung für nachhaltigen Kakaoanbau für Trainer und einen Trainings-Leitfaden für Bauern entwickelt, welche die Zertifizierer gemeinsam nutzen können.
Kinderarbeit trotz Zertifizierung
Eigentlich soll zertifizierter Kakao den Verbrauchern und den Unternehmen garantieren, dass ökologische und soziale Standards - wie dem Verbot von missbräuchlicher Kinderarbeit nach den Konventionen 182 und 138 der Internationalen Arbeitsorganisation - von den Farmern eingehalten werden. „Eine effektive Kontrolle ist aber gerade in kleinbäuerlichen Strukturen kaum flächendeckend möglich. Kein Zertifizierer kann vollständige Transparenz bis zum letzten Bauern in einer Kooperative bieten“, erklärt Achim Drewes, Public Affairs Manager bei dem Lebensmittelhersteller Nestlé. Edward Millard von der Rainforest Alliance bestätigt, dass Kinderarbeit auch in jenen Gemeinden vorkommen kann, die bereits von der Organisation geschult worden sind. Demnach bedürfe es fortlaufenden Engagements und fortlaufender Überwachung der Maßnahmen gegen Kinderarbeit: „Man darf allerdings nicht voreilig Schlüsse ziehen und denken, dass nichts funktioniert“, sagt Millard.