CSR-Management

„Wir bieten nachhaltige Produkte an, die besser sind als ihre nächstbeste Alternative“

Wie man Nachhaltigkeit in alle Geschäftsprozesse integriert, weiß man bei Evonik. Mit „Next Generation Evonik“ hat das Unternehmen 2022 dazu eine Strategie veröffentlicht, die Verantwortung und Wettbewerbsfähigkeit konsequent miteinander kombiniert, so Dr. Ralf Düssel im Gespräch mit UmweltDialog. Er leitet das Thema Nachhaltigkeit bei Evonik und erklärt den Ansatz. Dabei spielt der Punkt der Portfoliosteuerung eine entscheidende Rolle.

05.08.2024

„Wir bieten nachhaltige Produkte an, die besser sind als ihre nächstbeste Alternative“
Dr. Ralf Düssel, Head of Sustainability bei Evonik

UmweltDialog: Krieg und geopolitische Spannungen, hohe Energiepreise sowie weltweite Inflation: Gerade die Chemiebranche hat in den letzten Jahren wirtschaftlich gelitten und hohe Umsatzeinbußen gehabt. Stimmen aus Politik und Wirtschaft werden laut, den Nachhaltigkeitsdruck auf Unternehmen insgesamt zu reduzieren. Auch wenn die Rahmenbedingungen schwierig sind: Warum ist es für Unternehmen wichtig – Rechtsfragen an dieser Stelle ausgeklammert – sich weiter nachhaltig zu transformieren?

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Ralf Düssel: Es ist wichtig, weil es um unsere langfristige Zukunft geht. Und Nachhaltigkeit ist langfristig. Deshalb haben wir sie in unsere Strategie – Next Generation Evonik aus dem Jahr 2022 – und in alle Geschäftsprozesse integriert. Auf diese Weise zeigen wir, dass Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit nicht im Widerspruch stehen. Vielmehr entwickelt sich Nachhaltigkeit zu einem Gradmesser für unternehmerische Resilienz. Deswegen setzen wir unsere Strategie gerade jetzt konsequent um. Wir bieten bereits nachhaltige Produkte an, die besser sind als ihre nächstbeste Alternative. Dabei ist das Thema Portfoliosteuerung entscheidend und welche Investitionen unter nachhaltigen Gesichtspunkten langfristig die Richtigen sind. Das ist ein komplexes Thema, das eine gute Datenlage entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfordert. Auch wenn wir hier schon viel Arbeit investiert haben, wird uns das noch die nächsten Jahre beschäftigen. Aber damit stehen wir ja nicht alleine da.

Der wirtschaftliche Druck, die gestiegenen Energiepreise und der stetig wachsende Bürokratismus sorgen dafür, dass Nachhaltigkeit nicht mehr bei allen Marktteilnehmern das allerwichtigste Thema ist.

Das korrespondiert mit der gesellschaftlichen Sicht, oder?

Düssel: Ja. Das hat nicht zuletzt die Europawahl gezeigt. Themen wie Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzsicherheit waren hier wichtiger als Nachhaltigkeit. Von den genannten Krisensituationen sind natürlich auch unsere Kunden betroffen. Umso wichtiger ist, sie vom langfristigen Nutzen nachhaltiger Produkte zu überzeugen – das kann herausfordernd sein, wenn höhere Beschaffungspreise geringeren Gesamtkosten über den Produktlebenszyklus hinweg gegenüberstehen.

Des Weiteren macht uns die Regulatorik, vor allem im Hinblick auf die Reporting-Anforderungen der CSRD, das Leben schwerer als es unserer Meinung nach notwendig ist. Die Berichtsanforderungen der EU könnten schlanker sein; das Berichtswesen ist so sehr umfangreich, komplex und redundant.

Das müssen Sie ausführen!

Düssel: Grundsätzlich unterstützen wir das Streben nach Vergleichbarkeit und Transparenz, das die EU mit der CSRD verfolgt. Auch eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse führen wir schon seit Jahren durch. Aber: Die European Sustainability Reporting Standards beinhalten rund 1.200 Datenpunkte, die sich auf zwei allgemeine Standards und zehn Themenstandards verteilen. Diese Datenpunkte muss nun jedes Unternehmen durchforsten und die passenden Datenpunkte heraussuchen. Das ist notwendig, da die EU mit einem allgemeinen Standard für alle Unternehmen begonnen hat. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Für uns als Spezialchemieunternehmen mit einem B2B-Geschäftsmodell sind Angaben zu Marketing- und Verkaufsstrategien an Kinder oder finanziell schutzbedürftige Personen nicht anwendbar. Für Unternehmen wäre es einfacher, wären für einzelne Sektoren kürzere und dafür aussagekräftigere Standards veröffentlicht worden.

Dr. Ralf Düssel, Head of Sustainability bei Evonik.

Herr Düssel, Sie haben bereits Ihre Unternehmensstrategie „Next Generation Evonik“ angesprochen, die Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil aller Geschäftsprozesse festlegt. Dabei unterscheiden Sie in Bezug auf Ihre Transformationsanforderungen in marktgetriebene, anlagenbezogene und personalseitige Einflussfaktoren. Welche Vorteile hat das?

Düssel: Wir fokussieren uns damit auf die nachhaltige Ausrichtung der drei Kernprozesse unserer Geschäftstätigkeit. Die Bausteine führen zu einem ökonomisch, ökologisch und sozial ausgewogenen Geschäftsmodell. Die Marktsicht wird durch den Bereich der Next Generation Solutions abgebildet. Hier wollen wir bis 2030 mehr als drei Milliarden Euro in das Wachstum investieren. Das sind Produkte und Lösungen, die positive Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette im Vergleich zu anderen etablierten Produkten und deren Anwendungen im Markt aufweisen, insbesondere in der Anwendung beim Kunden (Handprint).

Eine Zwischenfrage an dieser Stelle: Wie erkennen Sie überhaupt den Nachhaltigkeitswert dieser Produkte?

Düssel: Unser Portfolio steuern wir über die sogenannte Nachhaltigkeitsanalyse unserer Geschäfte, die alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit abdeckt. Diese folgt dem Industriestandard zur Portfoliobewertung in der Chemieindustrie. Mit der Bewertung können wir unterschiedliche Marktsignale in den unterschiedlichen Endmärkten einbeziehen: Welche Nachhaltigkeitsansprüche gibt es zum Beispiel in unseren Märkten? Wie wird sich die Regulatorik etwa im Bereich der Chemikaliensicherheit entlang der Wertschöpfungskette entwickeln et cetera? Dabei orientiert sich die Bewertung am Rahmenwerk Portfolio Sustainability Assessment (PSA) des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Die Produkte werden dann im Hinblick auf Anwendungen und regionale Kontexte (Product Application Region Combinations, PARCs) analysiert. Die Ergebnisse fassen wir in einer strukturierten Bewertung der Nachhaltigkeitsperformance unseres Portfolios zusammen: „Leader (A++)“, „Driver (A+)“, „Performer (B)“, „Transitioner (C-)“ und „Challenged (C--)“. Produkte und Lösungen der ersten beiden Kategorien nennen wir dann Next Generation Solutions.

Und wie bilden Sie die anlagenbezogenen Kernprozesse ab?

Düssel: Die Asset-Sicht zeigt sich in den Next Generation Technologies. Wie viel müssen wir für eine bestimmte Menge an CO2-Reduktionen investieren? Wie sieht es dabei mit der Profitabilität aus? Bis 2030 wollen wir gemäß einer internen Prioritätenliste 700 Millionen Euro in Anlagen und Infrastruktur fließen lassen, durch die wir unseren eigenen CO2-Fußabdruck signifikant senken. Wir bekennen uns ganz klar zu den Pariser Klimazielen und haben einen Umsetzungsplan, wie wir 25 Prozent weniger Emissionen (Scope 1 und Scope 2) bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 2021 emittieren. Bei unseren Scope-3-Emissionen haben wir uns zu einer Verringerung von elf Prozent verpflichtet.

Next Generation Culture / Azubis
Next Generation Culture / Azubis

Es geht bei dem Thema Nachhaltigkeit aber nicht nur um Märkte oder Infrastruktur, sondern auch um Menschen.

Düssel: Genau! Das bringen wir durch den Punkt der Next Generation Culture (Heartprint) zum Ausdruck. Wir haben Nachhaltigkeit auf allen Stufen des Personalprozesses verankert – von der Rekrutierung über die Aus- und Weiterbildung bis hin zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskennzahlen in den Vergütungssystemen. Die Boni der Vorstände und Executives sind ganz klar an unsere CO2-Reduktionsziele gekoppelt.

Im Bereich Employer Branding haben wir eine neue Kampagne gestartet, die wir „Be Part of Something Special“ nennen. Damit wollen wir Bewerbern zeigen, dass sie bei uns einen richtigen Impact haben können. Als internationales Unternehmen können wir Lösungen rasch skalieren. Wir sind vielleicht nicht immer ganz so hipp wie ein Start-up – dafür kann die Arbeit bei uns rasch sinnstiftend sein. Und das ist etwas, das unsere Bewerber interessiert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Erfahren Sie im zweiten Teil des Interviews, welche Ziele Evonik konkret in den wichtigsten Nachhaltigkeitsfeldern verfolgt und bis jetzt erreicht hat.

Quelle: UmweltDialog
 

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