Vielfalt & Inklusion

Diversity im Team: mehr als nur die Frauenquote?

Rassismus, Diskriminierung und ungleiche Behandlung aufgrund des Geschlechts: Regelmäßig liest man von Klagen, weil ein Arbeitgeber einen Bewerber wegen seiner Herkunft, des Geschlechts oder gar einer Behinderung ablehnt. So etwas ist nicht nur schlecht für die Reputation und damit fürs Geschäft, sondern auch gesetzlich verboten. Eine kleine Landkarte zum Thema Vielfalt.

30.06.2021

Diversity im Team: mehr als nur die Frauenquote?

Wer sich mit dem Thema Diversity (oder auf deutsch Diversität, Vielfalt) auseinandersetzt, steht zunächst vor der Frage, was das eigentlich alles beinhaltet. Eine erste Orientierung können hier Landes- oder auch EU-Gesetze geben. Diese umfassen häufig die Dimensionen nationale oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Deutlich weitreichender (und für allem für das Diversity-Management relevant) ist das Konzept des gemeinnützigen Vereins „Charta der Vielfalt“. Es basiert auf dem Modell „Four Layers of Diversity“ von Lee Gardenswartz und Anita Rowe und erweitert es. Die Charta der Vielfalt definiert sieben Kerndimensionen von Diversität, in deren Zentrum die Persönlichkeit steht: Alter, ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung sowie soziale Herkunft. Erweitert wird das Kreismodell durch eine äußere Ebene und eine organisationale Ebene. Zur äußeren Ebene gehören zum Beispiel Dimensionen wie Ausbildung, Gewohnheiten, Familienstand. In der organisationalen und letzten Ebene finden sich Dimensionen wie Arbeitsort, Gewerkschaftszugehörigkeit und Arbeitsinhalte. „Je weiter eine Eigenschaft vom Kern des Modells entfernt ist, desto flexibler und wandelbarer ist sie. Dies spielt jedoch für den Wert der Dimension keine Rolle. Jede ist genauso wichtig wie die andere“, heißt es dazu von der Charta der Vielfalt auf der Vereins-Website.

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Was sagen die Gesetze?

Der Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung ist in zahlreichen internationalen sowie nationalen Gesetzen und Richtlinien verankert. Übergreifend gelten natürlich Grund- und Menschenrechte, wie beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dazu kommen verschiedene Richtlinien der EU, die die einzelnen Mitgliedsländer in entsprechende Landesgesetze umsetzen. In Deutschland gibt es neben dem Grundgesetz noch spezifischere gesetzliche Regelungen. Besonders wichtig ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das 2006 in Kraft trat. Es soll „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§ 1 AGG) verhindern und beseitigen. Schwerpunkt des AGGs ist vor allem der Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt. Mit dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) wiederum soll die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verhindert und damit Lohngleichheit sichergestellt werden. Arbeitgeber, für die das Gesetz gilt, sind zum Beispiel zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren sowie zur Berichterstellung verpflichtet (dazu später mehr). Darüber hinaus trat 2016 das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst in Kraft. Das Gesetz legt fest, dass die Positionen in Aufsichtsräten von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen zu 30 Prozent mit Frauen besetzt sein müssen. Weitere Regelungen sind aktuell in der Mache. Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) regelt die Gleichstellung von Männern und Frauen in Dienststellen und Gerichten des Bundes. Es verpflichtet die Unternehmen des Bundes zum Beispiel dazu, Gleichstellungspläne zu erstellen und Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Das BGleiG gilt nicht für die Privatwirtschaft, und für die Dienststellen der einzelnen Bundesländer hat jedes der Länder wiederum eigene Gesetze zum Thema Gleichstellung. Darüber hinaus gibt es Gesetze, die das (Arbeits-) Leben von Menschen mit Behinderungen verbessern sollen. Dazu gehören zum Beispiel das Behindertengleichstellungsgesetz BGG und das Bundesteilhabegesetz BTHG, das in vier Reformstufen bis 2023 komplett in Kraft tritt. Beide Gesetze gelten aber in erster Linie für den öffentlichen Bereich sowie auf Ebene der Länder und Kommunen. Für die Privatwirtschaft kommen hingegen das AGG zur Anwendung oder spezifische Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) wie die Beschäftigungspflicht für Menschen mit einer schweren Behinderung (§ 154 SGB IX).

Telefónica / O2: Erfolgsfaktor Gleichheit der Geschlechter

Telefónica Deutschland / O2 ist eines von elf Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, das 2021 in den viel beachteten Bloomberg Gender-Equality Index (GEI) aufgenommen wurde. Es liefert damit ein gutes Beispiel für die transparente, mit Kennzahlen belegte Förderung der Chancengleichheit von Frauen am Arbeitsplatz. „Vielfalt fördert unseren Unternehmenserfolg. Der steigende Anteil von Frauen in Führungspositionen führt zu einem besseren Verständnis von Kundenbedürfnissen und steigert unsere Innovationsfähigkeit. Ich freue mich, dass unser Engagement für Geschlechter-Vielfalt zum wiederholten Male in den Bloomberg GEI Eingang findet. Ein solch sichtbares Zeichen macht uns als Arbeitgeber für Frauen noch attraktiver und damit perspektivisch noch erfolgreicher“, erläutert Nicole Gerhardt, Personalvorständin von Telefónica Deutschland.

Der Einsatz für Diversität und Frauenförderung ist Teil der langfristig angelegten Corporate Responsibility Strategie von Telefónica / O2 und ist im Responsible Business Plan mit klaren Ambitionen und Zielen verankert. Dank verschiedenster Unternehmensprogramme bekommen Frauen die Flexibilität und das Rüstzeug, ihre Karrieren voranzutreiben. Mit der Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen von gut 23 Prozent im Jahr 2019 auf knapp 28 Prozent im Jahr 2020 konnte das Unternehmen einen wesentlichen Fortschritt erzielen. Der Anteil von Frauen im Vorstand beträgt mit zwei Vorständinnen knapp 29 Prozent. Das Unternehmen verknüpft seit 2019 Bonusregelungen mit der Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen.

 
 

Berichten über Diversity: Formen und Pflichten

Neben den Gesetzen, die den Umgang mit Diskriminierung und Benachteiligung im (Arbeits-) Alltag regeln, gibt es für einige Unternehmen auch die Pflicht, über ihre Maßnahmen zu berichten. So zum Beispiel im Rahmen des bereits erwähnten Entgelttransparenzgesetzes. Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 500 Beschäftige haben und darüber hinaus auch einen Lagebericht nach dem Handelsgesetzbuch (§ 264 und § 289 des HGB) erstellen müssen, sind dazu verpflichtet, einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit anzufertigen. Dieser muss Informationen über die getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen und deren Ergebnisse enthalten sowie über die Maßnahmen, die das Unternehmen ergriffen hat, um Entgeltgleichheit zu schaffen. Wenn berichtspflichtige Unternehmen keine Maßnahmen dazu getroffen haben, müssen sie das begründen. Nach Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zum Personalstand gehören ebenfalls in den Bericht. Unternehmen, die nach Tarif bezahlen, sind zur Berichtserstellung alle fünf Jahre verpflichtet, andere Unternehmen müssen sogar alle drei Jahre berichten.

Auch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz sieht eine Berichtspflicht zu Diversitätskonzepten vor. Davon betroffen sind Kapitalgesellschaften, die nach § 267 Absatz 3 HGB als „groß“ gelten und im Sinne von § 264d HGB „kapitalmarktorientiert“ sind. Als „groß“ gelten Unternehmen dann, wenn sie mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Sie weisen eine Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro auf; sie haben in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag einen Umsatzerlös von mehr als 40 Millionen Euro gemacht; sie beschäftigen durchschnittlich mehr als 250 Mitarbeiter. Das heißt, ein Diversitätsbericht wird bereits bei über 250 Mitarbeitern gefordert, obwohl die Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung laut dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz eigentlich erst bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern greift. Der Bericht zur Diversität erfolgt in der Erklärung zur Unternehmensführung (siehe §289f HGB) und muss eine Beschreibung des Diversitätskonzepts enthalten, „das im Hinblick auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats in Bezug auf Aspekte wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund verfolgt wird“ (§ 289f Abs. 2 Nr. 6. HGB). Außerdem sollen die Ziele, die im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse und die Art und Weise der Umsetzung des Diversitätskonzepts beschrieben werden. Wenn ein Unternehmen, das zum Diversitätsbericht verpflichtet ist, kein Diversitätskonzept verfolgt, muss das Unternehmen dies in der Erklärung zur Unternehmensführung erläutern.

Übrigens: Die deutsche Bundesregierung ist nach dem Bundesgleichstellungsgesetz ebenfalls zur Erstellung eines Berichtes über die Situation von Frauen und Männern in den Dienststellen des Bundes verpflichtet. Der Bericht erfolgt alle vier Jahre und stellt dar, „inwieweit die Ziele dieses Gesetzes erreicht sind und das Gesetz angewendet worden ist. Er weist vorbildhafte Gleichstellungsmaßnahmen einzelner Dienststellen aus“ (§39 Absatz 2 BGleiG). Für Bundesländer, Städte und Kommunen gelten unter anderem die Landesgesetze.

Wirtschaftsfaktor Diversity-Management

Beim Diversity-Management geht es aber eigentlich um mehr als nur um die Einhaltung von Gesetzen, es hat nämlich auch wirtschaftliche Vorteile. Die internationale Analyse „Diversity Wins – How Inclusion Matters“ der Beratungsgesellschaft McKinsey aus dem Jahr 2020 macht deutlich, dass Inklusion und Diversität wichtige Faktoren für den Geschäftserfolg sind. Unternehmen, die eine hohe Geschlechtervielfalt aufweisen können, hätten eine 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich profitabel zu sein, so ein Ergebnis der Studie. Betrachte man zudem den Faktor „ethnische Diversität“ (Internationalität des Vorstandes) liege der Wert sogar bei 36 Prozent. Eine inklusive Unternehmenskultur sei ein wichtiger Faktor, um Vielfalt und damit den Unternehmenserfolg zu verbessern. „Entscheidend ist es, dass im Top-Management möglichst verschiedene Stimmen gehört und unerwartete Fragen gestellt werden – deshalb reicht es nicht, eine Quotenfrau zu benennen und das Thema Diversität dann abzuhaken“, sagt Julia Sperling, McKinsey-Partnerin und Diversity-Expertin gegenüber der Presse. „Diversität schafft keine Harmonie, sondern erfordert Energie. Es ist deutlich einfacher, Entscheidungen in einer homogenen Gruppe zu treffen, in der ohnehin alle einer Meinung sind. Aber unsere Studie beweist eindeutig: Die Mühe lohnt sich.“

EY-Studie: Starkes Auftreten gegen Rassismus wird belohnt

Rassistische Vorfälle in Deutschland nehmen zu – auch am Arbeitsplatz. Was Unternehmen dagegen unternehmen können, hat eine im Sommer 2020 durchgeführte gemeinsame Studie von EY, Gesicht Zeigen! und Civey untersucht. Sie zeigt: Die Erwartungshaltung an Unternehmen, sich stärker gegen Rassismus einzusetzen, ist groß. So wünscht sich mehr als die Hälfte der volljährigen deutschen Bevölkerung (57 Prozent) mehr Engagement seitens der Unternehmen. Ein ebenso großer Anteil meint, dass sich Unternehmen nicht genug für Werte wie Vielfalt und Respekt einsetzen. Hubert Barth, ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, sieht es vor allem als Aufgabe „des Unternehmensmanagements, Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass rassistische Vorfälle anerkannt und ernst genommen werden und für ein Klima zu sorgen, in dem ethnische und kulturelle Vielfalt wirklich gelebt wird.“ Die Schaffung einer Beschwerdestelle ist ein erster Schritt zur strukturellen Verankerung des Themas. Auch ein klares Statement gegen Rassismus, etwa als Teil eines Verhaltenscodex' (Code of Conduct) oder in Form von Selbstverpflichtungen wie der Charta der Vielfalt, gehört neben Mitarbeitertrainings und Netzwerkarbeit, zu den wichtigsten Anti-Rassismus-Maßnahmen für Unternehmen wie die Studie herausstellt. Wer Rassismus ignoriert, könnte nicht nur von den eigenen Stakeholdern abgestraft werden und dem eigenen Image schaden, sondern auch dem Geschäft. Das sieht auch Rebecca Weis, Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen!, so: „Wir haben in der Vergangenheit bereits gesehen, dass rassistische Übergriffe auch zu einer breiten Berichterstattung in den Medien führen können – auch außerhalb Deutschlands. Es ist offensichtlich, dass derartige Vorkommnisse auch Fachkräfte und inländische und ausländische Investoren abschrecken und somit auch das wirtschaftliche Wachstum in den betreffenden Regionen gefährden können.“

Dieser Artikel ist im Original im Magazin „UmweltDialog“ zum Thema „Reporting“ erschienen.

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Quelle: UmweltDialog
 

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