Arbeitsplatz

Textilbündnis: 129 Aktionspläne für mehr Nachhaltigkeit

Haushohe Gewinnspannen für die einen. Hungerlöhne und lebensgefährliche Arbeitsbedingungen für die anderen. In der globalisierten Textilbranche läuft weiterhin einiges mächtig schief. Das „Bündnis für nachhaltige Textilien“ will den übelsten Missständen an den Kragen. Doch bislang produzierte es vor allem Schlagzeilen mit Unfrieden in den eigenen, inzwischen gelichteten Reihen. Mit neuen Aktionsplänen wollen die verbliebenen Mitglieder jetzt an mehr öko-sozialer Gerechtigkeit in der Branche stricken.

14.12.2017

Textilbündnis: 129 Aktionspläne für mehr Nachhaltigkeit

Das lässt sich einer Mitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) entnehmen, das das Textilbündnis vor drei Jahren ins Leben gerufen hatte. Die Mitgliedsunternehmen und -verbände haben demnach dieses Jahr bislang 129 Aktionspläne mit über 1.500 Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit vereinbart. Zudem starteten sie mit der Umsetzung von drei Bündnisinitiativen, unter anderem im indischen Bundesstaat Tamil Nadu, wo sie die Arbeitsbedingungen in Spinnereien verbessern wollen. Laut BMZ könnten davon 500.000 Beschäftigte profitieren, vor allem Frauen und Mädchen.

Hehre Ziele

Das wäre ihnen zu wünschen. Dennoch arbeiten viele Menschen in der globalisierten Textilwirtschaft unter katastrophalen Bedingungen. Diese waren auch Auslöser für die Gründung des Textilbündnisses, genauer: der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 mit mehr als 1.100 Toten und fast 2.500 Verletzten. Unter den Opfern: Viele Arbeiter und Arbeiterinnen, die Kleidung für den deutschen Markt herstellten. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der das Bündnis im darauffolgenden Herbst initiierte, sagte zu dessen Gründung, dass „wir keine Kleidung auf unserer Haut tragen wollen, für die andernorts Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden“.

Das sind gute Ziele. Und tatsächlich konnte Müller relativ schnell namhafte Branchengrößen für sie gewinnen: Hersteller wie Puma oder H&M, Handelsketten wie Tchibo und Aldi, und selbst Billiganbieter wie KiK und Primark, aber auch Hilfsorganisationen, Verbände und Gewerkschaften. Gemeinsam verpflichteten sie sich für bessere Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu sorgen, auf freiwilliger Basis. Als die Unternehmen dann Anfang 2017 konkrete und für sie verbindliche Maßnahmenpläne vorlegen sollten, kamen dem etliche Firmen nicht nach. Sie stiegen aus oder wurden wegen Verletzung der Bündnisregeln ausgeschlossen.

Mehr Nachhaltigkeit, weniger Ausbeutung? 50 Prozent dafür

Zahlenmäßig hat das die Allianz seitdem spürbar ausgedünnt. 148 Mitglieder sind geblieben, von denen 129 Maßnahmenpläne für 2017 vorlegten, darunter 87 Mitglieder aus der deutschen Textilwirtschaft. „Damit bekennen sich 50 Prozent des deutschen Textileinzelhandels nachweisbar zu besseren Arbeitsbedingungen und Umweltschutz“, heißt es dazu aus der Geschäftsstelle des Bündnisses. Bernhard Felmberg, der für das BMZ den Steuerungskreis der Allianz moderiert, sagt: „Das Textilbündnis bewirkt ganz konkrete Verbesserungen in der Textil-Lieferkette.“

Wie sehen diese „konkreten Verbesserungen“ jetzt genau aus? Was versprechen die Unternehmen, was sind sie gewillt zu tun? Baustellen gibt es für sie zu Genüge: die Zahlung existenzsichernder Löhne, der Kampf gegen Kinderarbeit, die Vermeidung gesundheitsschädlicher Chemikalien oder auch die nachhaltige Wassernutzung im extrem ressourcenhungrigen Baumwollanbau. Was haben also zum Beispiel die „Sun Cherry Body Fashion“ aus Bangladesch oder die chinesische „Bu Bu Wei Garment Limited“ von den Fahrplänen?

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Moderiese Tchibo setzt auf Bio-Baumwolle …

Beide Firmen, mittelgroße Betriebe, arbeiten als Zulieferer auch für deutsche Unternehmen, für Tchibo etwa. Die Hanseaten zählen in der Textilbranche längst zu den Großen und lassen ihre Waren wie die Konkurrenz vor allem in Bangladesch, China und der Türkei produzieren. Stärker als die meisten Mitbewerber setzt Tchibo dabei auf Bio-Baumwolle: 80 Prozent aller verkauften Baumwoll-Textilien stammen nach Konzernangaben bereits aus nachhaltigem Anbau, bis 2020 sollen es 100 Prozent sein. Weltweit gibt es damit heute nur noch zwei Unternehmen, die mehr Bio-Baumwolle an den Mann oder die Frau bringen.

Im jetzt vorgelegten Maßnahmenplan für das Textilbündnis, im dem Tchibo seit Juni 2015 mitarbeitet, bekräftigt das Unternehmen diesen Nachhaltigkeitskurs in Sachen Textiles – und kündigt parallel eine Anteilssteigerung der Bio-Wolle um fünf bis zehn Prozent im kommenden Jahr an. Unter Öko-Gesichtspunkten ist das erfreulich: Gegenüber dem konventionellen Baumwollanbau spart die Bio-Variante nicht nur knapp 30 Milliarden Liter Wasser im Jahr (womit sich laut Tchibo 11.500 Olympia-Schwimmbecken füllen ließen). Auch der Pestizideinsatz sinkt den Angaben zufolge um 3.500 Tonnen.

… und viele Trainings

Im Textilbündnis wollen sich die Hanseaten daneben für einen nachhaltigeren Umgang mit Chemikalien in den Produktionsstätten vor Ort einsetzen. Dazu sollen unter anderem Qualifizierungs- und Trainerstrukturen in China und Bangladesch aufgebaut werden, mit anfangs bis zu 30 Zulieferern. 50 Produzenten will Tchibo daneben bei der öko-gerechten Betriebsführung unterstützen. Bislang greift man dabei zehn Herstellern unter die Arme. In Indien will man außerdem die tiefere Lieferkette einer „intensiven Analyse“ unterziehen und im Bundesstaat Tamil Nadu dabei helfen, die eingangs genannte Bündnisinitiative aufzubauen.

Dafür gibt es Anerkennung von außen: Die Hamburger zählen unbestritten zu den Nachhaltigkeitsvorreitern in Deutschland, wurden schon als nachhaltigstes Unternehmen der Republik ausgezeichnet und arbeiten engagiert daran, die Arbeits- und Lebensbedingungen bei ihren Zulieferern zu verbessern – zum Beispiel mit dem Programm „Worldwide Enhancement of Social Quality“, das seit 2007 immerhin die Arbeitsbedingungen von mehr als 320.000 Menschen verbessert haben soll. Dennoch wartet weiterhin Arbeit: So heißt es im Tchibo-Bündnis-Fahrplan lediglich, das Programm werde „großflächig fortgeführt“. Wohin und wie, gilt es weiterhin zu beobachten.

Nächster Streit mit der Bundesregierung programmiert?

Die Vertreter der Zivilgesellschaft im Bündnis haben ihre Erwartungen an die nächste Bundesregierung klar formuliert: Sie müsse der Branche mit „gesetzlichen Maßnahmen“ Beine machen, etwa hinsichtlich ihrer „menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“. Sonst seien substanzielle Verbesserungen in der Textilindustrie nicht zu erreichen. Das Textilbündnis könne dazu lediglich „eine sinnvolle Ergänzung darstellen“.

Das allein helfe, die Situation in den Produzentenländern zu entschärfen. Der aktuelle Maßnahmenkatalog illustriere beispielhaft eine Schieflage, an der das „Bündnis für nachhaltige Textilien“ nach Ansicht eines Teils seiner Mitglieder weiterhin krankt: die dünnen Vorgaben für die zu erfüllenden Kriterien. „Ziele werden häufig nicht präzise (messbar, spezifisch, realistisch) formuliert, da es keine Zeit- und Mengenziele als Mindeststandards gibt“, urteilt das INKOTA-Netzwerk, das im Bündnis die Zivilgesellschaft vertritt. Wichtige Bündnisziele wie existenzsichernde Löhne würden von einigen Unternehmen zwar erwähnt, jedoch ohne anspruchsvolle und klar messbare Ziele zu formulieren.

Quelle: UmweltDialog
 

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