Business Case

75 Jahre Tchibo: Kaffee, Geschirrtücher und Nachhaltigkeit

Wer den Onlineshop von Tchibo besucht, findet – neben Kaffee – eine ganze Reihe an Produkten verschiedenster Kategorien: Von Kleidung für Klein und Groß, über Haushaltsprodukte und Möbel bis hin zu Elektronik und Mobilfunktarifen. Vieles davon stammt aus möglichst verantwortungsvollen Quellen. Dabei fängt 1949 zunächst alles nur mit Kaffee an.

24.10.2024

Tchibo Jubiläum

Es ist die Geburt einer neuen Marke: Vor 75 Jahren haben Max Herz und Carl Tchilling-Hiryan die Idee, ihren in Hamburg selbst gerösteten Kaffee per Post zu verkaufen – hübsch verpackt in kostenlosen Geschirrtüchern oder Vorratsdosen. Das Konzept kommt zum rechten Zeitpunkt: 1949 werden die Kaffeesteuern massiv gesenkt, die Siegermächte ziehen sich langsam wieder aus Deutschland zurück, und der Kaffeeimport ist wieder erlaubt, erklärt Arndt Liedtke, Direktor Unternehmenskommunikation bei Tchibo, im Unternehmens-Podcast „5 Tassen täglich“. Die Handelsstrukturen seien durch den zweiten Weltkrieg massiv zerstört worden, der Postversand habe also nahe gelegen.

1953 verkauft Tchibo seinen Kaffee dann nicht mehr nur per Post; der erste kleine Laden in Hamburg direkt neben der Rösterei wird eröffnet. Zwei Jahre später folgt die erste größere Filiale, in denen die Kundinnen und Kunden ihren Kaffee vor dem Kauf probieren können. Anfang der 60er halten die sogenannten Frische Depots mit Tchibo Kaffee Einzug in Bäckereien und Konditoreien. 1973 kommt dann der nächste Clou: Die zum Kaffee kostenlose Zugabe von Geschirrtüchern, Vorratsdosen, Kochbüchern und Co. wird gerichtlich verboten, heißt es in einem Artikel von ntv. Tchibo beschließt also, die Restbestände zu verkaufen. Daraus entsteht später das Konzept „Jede Woche eine neue Welt“. Noch heute bietet das Handelsunternehmen ein wöchentlich wechselndes Angebot von unterschiedlichen Haushalts- und Kleidungsartikeln zum Kauf an. In den späten 80ern weitet Tchibo seine Frische Depots auf die Supermärkte aus. Dort sind sie mittlerweile kaum noch wegzudenken. Und weitere zehn Jahre später, genau genommen 1997, geht der Onlineshop von Tchibo ans Netz.

Tchibo Zeitstrahlzoom

2006 der erste zertifizierte Kaffee

Dem Unternehmen reicht es aber nicht, „nur“ guten Kaffee zu verkaufen. Die eher schlechten Anbaubedingungen sowie die mitunter schwierige Lebenssituation der Farmerinnen und Farmer rücken verstärkt in den Fokus. 2006 integriert Tchibo Nachhaltigkeit daher fest in die Unternehmensstrategie und bietet von nun an den sogenannten Schattenwaldkaffee an: „Die Bohnen dieses Kaffees stammen ausschließlich von Farmen, die nachhaltig produzieren und nach den Kriterien der Rainforest Alliance zertifiziert sind,“ erklärt Tchibo auf der Unternehmenswebsite. Das ist der Anfang einer langen Nachhaltigkeitsreise. Die Hamburger starten diverse Projekte – unter anderem vereint unter dem Programm „Tchibo Joint Forces“ – mit dem Ziel, den Anbau von Kaffee nachhaltiger zu gestalten und das Leben der Farmerinnen und Farmer zu verbessern. Bis heute wurden seit dem Start des Programmes 20 Projekte in neun Ländern auf- und umgesetzt. Etwa 20 Prozent des Tchibo Kaffees haben derzeit eine Zertifizierung durch die Rainforest Alliance oder Fairtrade, tragen das Bio-Siegel oder kommen aus dem Joint Forces Programm. Bis 2027 will das Unternehmen seinen gesamten Kaffee nur noch aus verantwortungsvollem Anbau beziehen und erarbeitet daher aktuell neue Nachhaltigkeitsprogramme.

Verantwortungsvolle Lieferketten, nachhaltige Rohstoffe

Mit dem Programm Worldwide Enhancement of Social Quality (WE) unterstützt Tchibo die Lieferanten seines Sortiments.zoom
Mit dem Programm Worldwide Enhancement of Social Quality (WE) unterstützt Tchibo die Lieferanten seines Sortiments.

Im Non-Food-Segment geht im Jahr 2008 das WE-Programm, das Tchibo gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) aufgesetzt hat, in die Pilotphase. Das Menschenrechtsprogramm soll die Arbeitsbedingungen in den Tchibo-Lieferketten verbessern und Menschenrechtsverletzungen in den Fabriken vorbeugen. In diesen stellen die Arbeiterinnen und Arbeiter unter anderem Textilien, Lederwaren, Elektronikartikel und mehr für Tchibo her. 2012 rollt das Handelsunternehmen das Programm schließlich aus und erweitert es auf Länder wie zum Beispiel Indien und Kambodscha. Bis heute hat WE mehr als 400 Fabriken in elf Ländern erreicht.

Indische Kleinstfarmer lernen unter Anleitung von Chetna Organic, einem Partner des GIZ-geförderten Pilotprojekts „Organic Cotton“, den Anbau von Bio-Baumwolle.zoom
Indische Kleinstfarmer lernen unter Anleitung von Chetna Organic, einem Partner des GIZ-geförderten Pilotprojekts „Organic Cotton“, den Anbau von Bio-Baumwolle.

Auch bei den Rohstoffen für Textilien geht Tchibo voran. So arbeitet das Handelsunternehmen bereits seit 2007 mit Cotton Made in Africa zusammen, um den umweltschonenden Anbau von Baumwolle zu fördern. Weitere Siegelpartner im Bereich Textilien sind unter anderem der Global Organic Textile Standard und der Grüne Knopf. Seit 2022 beziehen die Hamburger ihre Baumwolle zu 100 Prozent aus nachhaltigen Quellen; und sowohl die Kaschmirwolle als auch die Merinowolle sowie die Daunen stammen komplett aus verantwortungsvoller Tierhaltung.

Für sein Nachhaltigkeitsengagement bekommt Tchibo diverse Auszeichnungen, wie zum Beispiel 2013 den CSR-Preis der Bundesregierung und 2016 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Großunternehmen. „Die großen Herausforderungen unserer Zeit – Menschenrechte, faire Bezahlung, Umwelt- und Klimaschutz, Hunger und Wasserknappheit – brauchen eine starke Lobby“, begründet Tchibo das Engagement: „Als hanseatisches Familienunternehmen gehört es sich für uns, Verantwortung zu übernehmen und Teil einer Bewegung zu sein, die diese Probleme nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten angeht.“

Es gibt auch Rückschläge

Um noch nachhaltiger zu werden, probieren die Hamburger vieles. Doch nicht alles ist von Erfolg gekrönt. So stellt das Unternehmen im Dezember 2020 nach drei Jahren „Tchibo Share“, ein Mietmodell von Kinderkleidung, aus wirtschaftlichen Gründen ein. Das Vermieten von Alltagskleidung sei noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, so Nanda Bergstein, damalige Direktorin Unternehmensverantwortung, zum Ende der Sharing-Plattform.

Statt Kleidung zum Mieten setzt Tchibo jetzt auf Secondhand. Dafür kooperieren die Hamburger mit dem Online-Händler Sellpy. Mehr darüber erfahren Sie im UmweltDialog-Beitrag „Wie neu: Tchibo gibt Kleidung eine zweite Chance“.

2022 folgt dann die nächste Herausforderung: Das Unternehmen schreibt mit einem Verlust von 167 Millionen Euro (vor Zinsen und Steuern) tiefrote Zahlen. Grund dafür seien unter anderem die gestiegenen Kosten in den Bereichen Rohwaren, Energie und Fracht sowie die Lieferkettenkrise, heißt es von dem Handelsunternehmen wie ntv berichtet. Außerdem sei der geplante Umsatz im Bereich Non-Food wegen der Kaufzurückhaltung der Kundinnen und Kunden nicht erreicht worden. Dass das Geschäft mit stetig wechselnden Gebrauchsartikeln derzeit eher schwierig ist, merken auch andere Unternehmen: „In Inflationszeiten mit knappen Budgets sind Impulskäufe bei Nonfood stark rückläufig“, zitiert ntv den Handelsexperten Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn: „Alle Anbieter von wöchentlichen Aktionen von Kleinthemen durch die ganze Warenwelt sind davon betroffen.“

Tchibo Jubiläumsmagazin

Folglich konzentriert sich Tchibo stärker auf den Verkauf von Kaffee und Kaffeezubehör. Mit Erfolg: 2023 macht das Handelsunternehmen wieder Gewinn. Das Kaffeegeschäft wächst, das Non-Food-Segment geht aber weiterhin zurück, heißt es im Handelsblatt. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und des Nahost-Konfliktes seien immer noch vorhanden, trotzdem rechne die Holding von Tchibo (Maxinvest) auch 2024 mit einem leichten Umsatzplus.

Dass sich das Handelsunternehmen immer wieder neu erfinden kann, haben die vorigen 75 Jahre gezeigt. Das Jubiläum feiert Tchibo jedenfalls mit zahlreichen Aktionen, einer Jubiläumszeitschrift und einem Blick auf die gemeinsamen Kaffee-Momente. Hier geht es zur Jubiläumswebsite.

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Quelle: UmweltDialog
 

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