Nachhaltigkeit im Bausektor durch Kreislaufwirtschaft?
Steigendes Bewusstsein für Klima- und Ressourcenschutz, Rohstoffknappheit und regulative Vorgaben: Die Baubranche kommt am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbei. Dabei fordern Experten eine konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft. Dass sich etwa das Recycling von bestimmten Baustoffen lohnt, zeigt jetzt eine Studie des Leibnitz-Instituts für ökologische Raumentwicklung.
18.06.2020
Sand und Kies gehören zu den wichtigsten Baurohstoffen in Deutschland. Während Sand hierzulande fast überall in ausreichendem Maße zur Verfügung stünde, sei die Versorgungssituation bei Kies deutlich angespannter. Das hat jüngst eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ergeben. Da aus geologischen Gründen seltener als Sand ist der Bedarf an Kies, etwa für die Betonproduktion, höher: „Bei allen Baurohstoffen, insbesondere aber bei Kies und auch gebrochenen Natursteinen (Schotter, Splitt), gibt es bereits seit einiger Zeit Versorgungsengpässe“, so die BGR. „Im Jahr 2016 traten erstmals in Hamburg, im Folgejahr dann auch im Ruhrgebiet Versorgungsengpässe bei Baurohstoffen für den Straßenbau auf. Diese weiteten sich im Jahr 2018 auf den Hochbau im Ruhrgebiet sowie in die Großräume Mannheim-Karlsruhe und Berlin/Potsdam aus.“ Die Folge laut BGR: Aufnahmestopp für größere Baumaßnahmen in manchen Regionen, vorrangige Versorgung von Stammkunden.
Baubranche muss Kreisläufe schließen
Der Bausektor gehört zu den ressourcenintensivsten Sektoren unserer Wirtschaft. Im Jahr 2013 setzte er laut Statistischem Bundesamt über 530 Millionen Tonnen mineralischer Baurohstoffe ein. „Der Bestand an Gebäuden und Infrastrukturen ist mit rund 28 Milliarden Tonnen (Stand 2010, UBA) inzwischen ein bedeutendes, menschengemachtes Rohstofflager, das nach Nutzungsende wieder dem Recycling zugeführt werden kann“, so das Umweltbundesamt (UBA) und setzt sich klar für eine ressourcenschonende und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft ein. Diese müsse Bauabfälle vermeiden, nicht vermeidbare Abfälle recyceln und die Beseitigung von Bau- und Abbruchabfällen auf das notwendige Maß beschränken. „Nur so können natürliche Rohstoffe und Deponieraum eingespart und die Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, der europäischen Abfallrahmenrichtlinie oder des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess II) erreicht werden.“
Wenn Sie noch mehr zum Thema Ökobilanzen und EPDs wissen wollen, lesen Sie doch unser Interview "Wie viel Umweltauswirkung steckt im Baumaterial" mit Dr. Alexander Röder, Geschäftsführer des IBUs.
Bereits 2018 sprach sich auch der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer auf der Mitgliederversammlung des Instituts Bauen und Umwelt (IBU) für eine Kreislauwirtschaft in der Baubranche aus, die etwa auf Ressourceneffizienz, langfristige Nutzungszeiten von Produkten und dynamische Produktentwicklungen setzt: „Wir werden uns eine lineare Wegwerfwirtschaft nicht mehr leisten können“, so Töpfer. Mit mehr als 200 Unternehmen und Verbänden ist eigenen Angaben zufolge das IBU der größte Zusammenschluss von Herstellern der Baustoffindustrie, der sich für nachhaltiges Bauen einsetzt. Es veröffentlicht sogenannte Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs), die auf Basis von Ökobilanzen die Umweltwirkungen von Bauprodukten sowie ihre funktionalen und technischen Eigenschaften beschreiben. Die quantitativen, objektiven und verifizierten Informationen beziehen sich auf den gesamten Lebenszyklus des Bauprodukts, weshalb EPDs eine wichtige Grundlage für die Nachhaltigkeitsbewertung von Bauwerken sind, wie sie zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) durchgeführt werden.
„Als Voraussetzung dafür, eine Kreislaufwirtschaft im Bausektor zu etablieren, müssen Hersteller von Bauprodukten diese als Wertstoffe begreifen, die am Ende nicht entsorgt, sondern zurück in technische oder biologische Kreisläufe geführt würden“, sagt etwa Prof. Josef Steretzeder, Ingenieur für Holztechnik und Gründungsmitglied der DGNB. Neben einer konsequenten Abfallvermeidung seien auch eine möglichst hohe Wieder- und Weiterverwertung von Produkten wichtig: „Notwendig dafür sind neue Geschäftsmodelle sowie eine verantwortungsvolle und vorausschauende Produktentwicklung.“
Kreislaufwirtschaft kein Selbstzweck
Die Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy ist aber nicht per se nachhaltig. Damit sie ihr ökologische Potenzial ausschöpfen kann, gilt es einiges zu beachten: „CE macht dann Sinn, wenn die ökologischen und sozialen Vorteile einer CE-Aktivität, beispielsweise Recycling, größer sind als die entsprechenden Aufwendungen. Wenn jedoch Recycling zu höheren Umweltauswirkungen führt als eine Entsorgung, dann macht dies ökologisch keinen Sinn. Um dies beurteilen zu können, brauchen wir aber eine gute Nachhaltigkeitsbewertung“, sagt etwa Prof. Rupert Baumgartner vom Christian Doppler Labor für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft.
Wie das funktionieren kann, hat jüngst eine Studie vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) gezeigt. Diese hat geprüft, inwieweit sich das Recycling von Baumaterialien wie etwa Beton, Ziegel, Kunststoffprofile oder Gips aus energetischer Sicht lohnt. "Die Herausforderung bestand darin, eine Methode zu entwickeln, die es uns ermöglicht, die Energieaufwände zu vergleichen – zum einen jene, die beim Recycling der einzelnen Baustoffe anfallen und zum anderen diejenigen, die für die Herstellung neuer Baustoffe aus natürlichen Ressourcen erforderlich sind", erläutert Karin Gruhler, Projektverantwortliche im IÖR.
Die Ergebnisse der Studie: Aus energetischer Sicht ist beispielsweise das Recycling von Bauschutt und Abbruchmaterial in der Regel sinnvoll. Doch lohnt sich das Recycling nicht für alle Baumaterialien gleichermaßen. Große Unterschiede gibt es etwa zwischen mineralischen Materialien und Kunststoffen. "Die Energiebilanz spricht bei Kunststoffen immer für das Recycling. Bei mineralischen Produkten kommt es auf die Qualitätsanforderung der neuen Verwendung an", so Karin Gruhler. Allerdings können die Studienergebnisse nicht als abschließend gelten, da u.a. nicht zu allen Schritten der Recycling-Prozessketten hinreichend aussagekräftige Informationen zur Verfügung stünden.