Baustoffrecycling: Was gibt es Neues?
Das Baugewerbe kommt an Circular Economy nicht mehr vorbei. Zu groß sind der Ressourcenverbrauch und die entstehenden Abfallmengen der Branche. Um Baustoffe im Kreis zu halten, muss man den Rückbau nachhaltiger gestalten.
14.05.2021
Um die 120 Liter Trinkwasser verbrauchen wir pro Tag, um Kaffee zu kochen, Wäsche zu waschen, oder zu duschen. Weitaus größer ist die Menge unseres indirekten Verbrauchs, der den Wasserbedarf unseres täglichen Konsums durch Produkte oder Dienstleistungen miteinbezieht. Dieser liegt bei knapp 4000 Litern. Die Zahlen unseres persönlichen Wasserfußabdrucks sind vielen Menschen mittlerweile bekannt. Wie ist es aber um das Wissen beim Verbrauch anderer Rohstoffe bestellt? Beispielsweise im Baugewerbe?
„Jeder Deutsche verbraucht rechnerisch jeden Tag rund 19,4 Kilogramm mineralische Baustoffe bzw. Gesteinskörnungen wie zum Beispiel Kies, Sand oder Kalkstein“, informiert die Firma Remex, die sich unter anderem auf das Recycling mineralischer Abfälle wie Bauschutt und industrieller Nebenprodukte spezialisiert hat und diese als Ersatzbaustoffe wieder nutzbar macht und damit die Kreislaufwirtschaft fördert. Aus Nachhaltigkeitsperspektive ein wichtiger Punkt, sind doch mineralische Abfälle mit einem Aufkommen von mehr als 275 Millionen Tonnen im Jahr der größte Abfallstrom Deutschlands, wie es beim Fachverband Mineralik – Recycling und Verwertung steht. Davon seien alleine 220 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfall.
„Der Bestand an Gebäuden und Infrastrukturen ist mit rund 28 Milliarden Tonnen (Stand 2010, UBA) inzwischen ein bedeutendes, menschengemachtes Rohstofflager, das nach Nutzungsende wieder dem Recycling zugeführt werden kann“, so das Umweltbundesamt (UBA), das sich ebenfalls für eine ressourcenschonende und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft einsetzt. Diese müsse Bauabfälle vermeiden, nicht vermeidbare Abfälle recyceln und die Beseitigung von Bau- und Abbruchabfällen auf das notwendige Maß beschränken. Nur so können natürliche Rohstoffe und Deponieraum eingespart und die Ziele von Gesetzen und Richtlinien aus nationalem und europäischem Raum erfüllt werden.
Bundesrat hat Mantelverordnung zugestimmt
Vom Bundesrat im November 2020 abgesegnet, soll es hier mit der sogenannten Mantelverordnung, die die Politik seit über einem Jahrzehnt beschäftigt hat, einen auf Bundesebene einheitlichen, rechtsverbindlichen Ansatz geben, der die Verwertung mineralischer Abfälle regelt. Neben dem Schutz von Boden und Grundwasser geht es bei der neuen Verordnung auch darum, eine hohe Recyclingquote für mineralische Ersatzbaustoffe zu erreichen, unter anderem aus der Wiederaufbereitung von Baustoffen.
Die Mantelverordnung stößt in der Branche allerdings auf ein geteiltes Echo. Während beispielsweise der Branchenverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft die Mantelverordnung als „pragmatische Entscheidung“ lobte, äußerte sich Wolfgang Schubert-Raab, Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes kritisch und benennt Zielkonflikte: „Diese Verordnung wird in der jetzigen Fassung ihren selbst gesteckten Zielen nicht gerecht. Dem Boden- und Grundwasserschutz wird ein deutlich stärkeres Gewicht gegeben, zu Lasten des Ressourcenschutzes und einer hochwertigen Kreislaufwirtschaft im Bau. Wenn mit der Mantelverordnung ein Meilenstein für Ressourceneffizienz, Grundwasserschutz und Bodenschutz gesetzt werden soll, dann muss das Regelwerk auch so gestaltet sein. Das ist es aber nicht. Daher sind Korrekturen notwendig.“
Neues DGNB-Zertifikat und CMEPD
Damit sich Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe durchsetzen kann, benötigt man neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das Ganze regeln, aber auch Bauprodukte, die man leicht recyceln kann: „Notwendig dafür sind neue Geschäftsmodelle sowie eine verantwortungsvolle und vorausschauende Produktentwicklung“, schreibt hierzu etwa Prof. Josef Steretzeder, Ingenieur für Holztechnik und Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Das alleine reiche aber nicht aus, wie die DGNB betont und legt den Fokus auch auf die Logistik und die Prozesse am Nutzungsende von Gebäuden: „Wenn wir den Rückbau nicht nachhaltig gestalten und an dieser Stelle keine Stoffkreisläufe schließen, bleiben viele Probleme ungelöst.“ Die Organisation hat deswegen ein neues Zertifikat für Rückbau entwickelt: „Ein Rückbau, der heute nach Nachhaltigkeitsaspekten geplant und umgesetzt wird, bietet die Chance, die einmal eingesetzten Rohstoffe am Lebensende des Gebäudes nicht zu Abfällen werden zu lassen, sondern sie durch Wiederverwendung oder durch eine sortenreine, sorgfältige Trennung und Verwertung wieder neu in den Kreislauf einzubringen. Und: Auf diese Weise lässt sich in relevantem Maß CO2 einsparen.“
Das Thema „Lebensende von Bauprodukten" hat das Institut Bauen und Umwelt (IBU) in einem Kolloquium im Februar 2021 aufgegriffen und hat dort sogenannte Circularity Modules for EPDs (CMEPD) vorgestellt. „Der Weg zur Deckung des zukünftigen Baustoffbedarfs führt von einer überwiegend linearen hin zu einer ressourceneffizienten, zirkulären Wertschöpfung, die qualifizierte Informationen zum Recyclingpotenzial von Baustoffen und Bauprodukten benötigt", so das IBU. „CMEPD ergänzen bereits vorhandene Baustoff-Datensätze um die Informationen, die zur Planung und Umsetzung von zirkulären Ansätzen benötigt werden und stellen die ab 2022 gemäß der europäischen Norm EN 15804+A2 (Produktkategorieregeln [PCR] für Bauprodukte und Bauleistungen) geforderten End-of-Life-Daten für Umwelt-Produktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs) bereit." Weitere Schritte des IBU sind die Initiierung von Pilotprojekten, in denen sich Hersteller unterschiedlicher Branchen mit den passenden Recyclingunternehmen in Tandems finden, um die zukünftigen Szenarien zu definieren und branchenspezifische Recycling-Pfade zu diskutieren und umzusetzen.