Tchibo setzt beim Versand auf Mehrweg
Kundinnen und Kunden sollen künftig umweltfreundlicher bei Tchibo bestellen können. Hierfür hat der Einzelhändler eine neue Lösung entwickelt: die Mehrwegversandtasche. Nach der dritten, jetzt abgeschlossenen Testphase zieht Tchibo eine positive Bilanz. UmweltDialog stellt die nächsten Schritte vor.
29.08.2024
24 Millionen Kilometer oder, anders ausgedrückt, etwa die halbe Strecke von der Erde bis zum Mars: So lang wäre die Strecke, wenn man sämtliche 60 Milliarden Pakete nebeneinanderlegen würde, die in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland transportiert worden sind. Allein in den vergangenen elf Jahren ist die Menge der jährlichen Sendungen um mehr als die Hälfte angestiegen, darunter immer mehr Pakete. Zu diesen Ergebnissen kommt eine vom Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) in Auftrag gegebene Studie.
Worauf das zurückzuführen ist, ist kein Geheimnis: Wir shoppen immer öfter online. Laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) hat sich der Onlinehandel in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Das führt wiederum dazu, dass mehr Verpackungen verbraucht und entsorgt werden – 2021 waren es hierzulande über 19,7 Millionen Tonnen. Immerhin wurden die beim privaten Endverbraucher angefallenen Verpackungen zu knapp 95 Prozent verwertet. Klar ist aber auch: Am meisten Ressourcen lassen sich mit jenen Verpackungen einsparen, die gar nicht erst hergestellt werden.
Sei es zum Schutz vor Nässe oder damit die Ware nicht zerbricht: Ganz ohne Verpackung geht es im Onlinehandel nicht. Vor diesem Dilemma stehen auch Handelsunternehmen wie Tchibo. Die Hamburger arbeiten konsequent daran, ihre Verpackungslösungen zu optimieren – sei es in den Filialen oder beim Versand. Hierfür setzt Tchibo vier Hebel an: das eingesetzte Material reduzieren und Mehrweglösungen fördern, Materialien aus zertifizierten verantwortungsvollen Quellen verwenden, die Recyclingfähigkeit verbessern sowie neue Ansätze entwickeln. Beispiele, wie das umgesetzt wird, sind die Non-Food-Produkte, die inzwischen nahezu unverpackt verkauft werden oder der Service, der es Kunden ermöglicht, Kaffeebohnen in die eigene Aromadose abfüllen zu lassen.
Ein Jahr Mehrwegversandtasche – die Bilanz
Ein weiterer Ansatz ist die Mehrwegversandtasche, die Tchibo seit 2020 in mehreren Testreihen erprobt hat. Die dritte einjährige Testphase mit Fokus auf Mehrfachnutzung und Aufbereitung nahm Ende Juli 2024 ihren Abschluss. Die dunkelrote Tasche mit Reisverschluss im Format eines Großbriefs besteht teilweise aus recyceltem Kunststoff. Bevor sie am Ende ihrer Lebenszeit dem Recycling zugeführt wird, verbleibt sie im Idealfall so lange wie möglich im Kreislauf. Hierfür muss die leere Tasche in den Tchibo Filialen zurückgegeben oder in den Briefkasten geworfen und kostenlos zurückgeschickt werden. Retouren können wie gewohnt auch bei der Post zurückgegeben werden.
Anna Schütt, Expertin für nachhaltige Verpackungen bei Tchibo, erklärte im Tchibo-Podcast das Ziel des letzten Testlaufs: „Das Ziel des Tests ist es, zu analysieren, wie viele Kreisläufe wir mit dieser Tasche schaffen. Wann wird die Tasche letztendlich aussortiert?“ Insgesamt schaffte Tchibo 26.000 Taschen an, in denen über 70.000 Bestellungen verschickt wurden. Einzelne Taschen wurden bis zu sechsmal genutzt, der Durchschnitt lag bei drei Umläufen. Einige hundert Taschen konnten nicht wiederverwendet werden, weil sie defekt waren. Damit sich das Konzept aus Umweltsicht rechnet, seien mindestens vier Umläufe pro Tasche notwendig, so Tchibo. Erst dann sei der „CO2-Break-even-Punkt“ im Vergleich zur Einwegversandtasche erreicht.
Und was sagen die Kunden? Laut Tchibo äußerten sich in einer Umfrage mit 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern viele „begeistert über die einfache Handhabung und den Umweltaspekt der Mehrwegtasche“.
Wie geht es weiter?
Für Tchibo hat sich das Konzept am Ende bewährt. Damit es langfristig Erfolg hat, braucht es aus Sicht des Unternehmens jedoch eine Branchenlösung. Alexander Ralfs, Director Supply Chain Management & Logistics, erläutert: „Für eine wirtschaftliche und nachhaltige Skalierung von Mehrwegverpackungen brauchen wir eine Branchenlösung. Also einen Standard, der verpackungsunabhängig von vielen Händlern genutzt werden kann und funktioniert. Wir planen deshalb, gemeinsam mit anderen Versandhändlern und Stakeholdern, an einer solchen Lösung zu arbeiten. Gespräche mit möglichen Partnern laufen bereits.“
Dafür spricht sich auch der bevh aus. Alien Mulyk, Leiterin Public Affairs für Europa und Internationales, sagt: „Es reicht nicht, dass der Mehrwegversand nur von Onlinehändlern und den Anbietern der Mehrwegtaschen und -boxen vorangetrieben wird.“ Es brauche auch Bemühungen von Verbrauchervertretern und der Logistikbranche. Von der Politik fordert der Verband mehr, „als Quoten zu verordnen. Sie muss entsprechende Standards und Anreize schaffen – auch grenzüberschreitend – damit Mehrwegsysteme funktionieren.“ Am Ende müsse es anstelle von vielen Einzellösungen ein „anbieterübergreifendes System“ geben, „das es den Kundinnen und Kunden ermögliche, jede Mehrwegverpackung ohne größere Anstrengungen oder Hürden wieder abzugeben“.