Lieferkette

"Endverbraucher verlangen transparente Lieferketten"

Das Europäische Parlament hat Ende Mai den Kommissions-Entwurf zum europäischen Konfliktmineralien-Gesetz gekippt. Dieser sah eine freiwillige Selbstzertifizierung von Importeuren vor, die die Metalle Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus Konfliktregionen in die EU einführen. Das Parlament fordert stattdessen eine verbindliche Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Außerdem sollen weiterverarbeitende Betriebe verpflichtend über Risiken informieren. Dabei hilft ihnen etwa die Conflict Minerals Platform (iPCMP) von iPoint-systems. Mit dem Tool managen und berichten produzierende Unternehmen ihre Daten über Konfliktmineralien entlang der gesamten Lieferkette. UmweltDialog hat mit Jörg Walden, dem Geschäftsführer des Softwareanbieters, über die geplante Verordnung und die Vorteile der iPCMP gesprochen.

09.09.2015

"Endverbraucher verlangen transparente Lieferketten"

UmweltDialog (UD): Herr Walden, mit dieser Kehrtwende innerhalb des Prozesses auf dem Weg zum europäischen Konfliktmineralien-Gesetz hatten nur wenige gerechnet. Sie sind mit dieser Entwicklung zufrieden, oder?

Jörg Walden: Ich weiß nicht, ob ich das als zufrieden bezeichnen würde. Allerdings stimme ich Ihnen zu, dass es sich hierbei um eine erhebliche Kehrtwende handelt, mit der niemandgerechnet hat, auch nicht wir von iPoint. Es ist Fakt, dass das Parlament jetzt eine andere Meinung vertritt als die Kommission es in ihrem bisherigen Entwurf vorgesehen hat. Die politische Auseinandersetzung hat gezeigt, dass Social Compliance ein hoch-sensitives Thema ist. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum das Parlament den Gesetzesentwurf gekippt hat.

Welche Konsequenzen daraus folgen und wie es tatsächlich weitergeht, wird der weitere Verlauf des Gesetzgebungsprozesses zeigen. Die geplante Konfliktmineralien-Verordnung tritt erst dann in Kraft, wenn auch die Zustimmung des Europäischen Rates vorliegt. Ob das dieses Jahr noch der Fall sein wird, ist momentan schwierig abzuschätzen.

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UD: Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, sind knapp 900.000 nachgelagerte Unternehmen davon betroffen. Eine immense Anzahl.

Walden: Zahlen dieser Art sind sehr theoretisch und daher mit Vorsicht zu genießen.

Zunächst ist zu klären, wie viele dieser Unternehmen wirklich zusätzlich von der EU-Gesetzgebung betroffen sind. So fallen zum Beispiel jene Unternehmen, die Teil US-amerikanischer Lieferketten sind, schon unter die Vorgaben des Dodd Frank Acts (DFA) und müssen ohnehin über die Verwendung von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold in ihren Produkten berichten.

Außerdem gibt es zahlreiche Unternehmen innerhalb einer Lieferkette, die nur indirekt von der Konfliktmineralien-Verordnung betroffen sind, weil sie die Rohstoffe nicht verwenden und durch die Vorgaben des Gesetzes nur einen geringen Aufwand haben. Diese Betriebe können durch unsere Conflict Minerals Platform einmalig eine Deklaration erstellen und veröffentlichen und wären danach von dem Prozess befreit.

Die Frage ist natürlich, aus welchen Gründen nicht einfach bestimmte Grenzen wie beispielweise die Unternehmensgröße herangezogen werden, um die Anzahl der Firmen zu beschränken. Nehmen Sie etwa die europäische CSR-Reportingpflicht. Diese bezieht sich auf Unternehmen ab einer Größe von 500 Mitarbeitern.

UD: Konservative Politiker und Wirtschaftsvertreter kritisieren, dass die produktbezogene Zertifizierung entlang der gesamten Lieferkette unsinnig, utopisch und gerade für kleine und mittelständische Betriebe nicht durchführbar sei. Was sagen Sie?

Walden: Aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen wie etwa dem Internet der Dinge wird der Trend zu produktbezogenen Informationssystemen drastisch steigen. Auch Umwelt-Compliance-Regularien wie REACH oder RoHS sind hochgradig produktbezogen. Deswegen ist diese Transparenz-Anforderung keineswegs so ungewöhnlich, wie es teilweise dargestellt wird.

Entscheidend ist dabei, wie die Unternehmen an die notwendigen Daten kommen und in welchen Abteilungen das notwendige Wissen über die Prozesse vorhanden ist, auch im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfung. Insofern müssen für kleine Firmen sinnvolle Mechanismen etabliert werden, die sie beim Reporting unterstützen.

UD: Also ist die Kritik übertrieben?

Walden: Kritiker vergessen, dass nicht nur der Gesetzgeber einen transparenten Wertschöpfungsprozess fordert. So müssen KMUs als Teil einer Lieferkette ohnehin bestimmte Daten an ihre Kunden übermitteln, auch wenn sie gesetzlich nicht dazu verpflichtet wären.

Darüber hinaus verlangen Endverbraucher zunehmend transparente Lieferketten auf Produktebene. Konsumenten wollen wissen, ob sie durch ihr Kaufverhalten indirekt etwa Kinderarbeit oder bewaffnete Konflikte fördern. Insofern sind Social-Compliance-Faktoren ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. In den Vereinigten Staaten beispielsweise reagieren Unternehmen darauf, indem sie diese Angaben freiwillig veröffentlichen. Auf diese Weise minimieren sie Risiken, die einen Reputationsverlust beim Verbraucher zur Folge haben könnten.

Schließlich gibt es noch weitere positive Aspekte produktbezogener Zertifizierungen, beispielweise im Umweltbereich. Auf diese Weise erfahren wir mehr über Materialströme und können dadurch Recycling-Prozesse optimieren und die Rohstoffe in den Wertstoffkreislauf zurückführen.

Jörg Walden, Geschäftsführer von iPoint-systems.
Jörg Walden, Geschäftsführer von iPoint-systems.

UD: Momentan ist die iPoint Conflict Minerals Platform noch auf die Anforderungen des DFAs zugeschnitten. Wie lange dauert es, bis das Tool an die neuen Bedürfnisse der europäischen Gesetzgebung angepasst ist?

Walden: Wir sind von der Gestaltung unseres Tools relativ generisch, da wir Software-Lösungen für den klassischen Produkt-Compliance-Bereich anbieten. Die Social-Compliance-Aspekte haben wir als Sonderform davon betrachtet. Deswegen sind wir in der Lage, genau solche Prozesse mit der iPCMP abzubilden und flexibel zu erweitern. Eine größere Herausforderung ist es hingegen, die Reporting-Prozesse durchgehend bei den Herstellern zu implementieren.

UD: Wie genau funktioniert Ihr Tool?

Walden: Unser Tool ist eine webbasierte On-Demand-Softwarelösung. Es unterstützt Unternehmen dabei, ihre Daten über Konfliktmineralien entlang der gesamten Lieferkette zu sammeln, zu verarbeiten, zusammenzufassen und zu berichten. Im Prinzip verbinden Sie über die Plattform Lieferanten und Kunden und versuchen, Datenströme abzubilden. Indem die Betriebe relevante Informationen von all ihren Zulieferern sammeln und aggregieren, können sie ihren Konfliktmineralien-Status nahtlos dokumentieren. Um einen hohen Abdeckungsgrad zu erreichen, unterstützen wir unterschiedlichste Reportingformate.

Damit hilft die iPCMP den Herstellern, genau den Transparenz-Anforderungen gegenüber den Gesetzgebern oder Kunden nachzukommen. Entscheidend ist dabei, dass der Prozess anonymisiert ist und die einzelnen Zulieferer der Lieferkette nicht publik gemacht werden. Transparente adaptive Prozesse, nachvollziehbare dokumentierte Entscheidungen und maximale Automatisierungen sind das Fundament all unserer Applikationen.

UD: Gibt es unterschiedliche Lizenzen?

Walden: Ja, wir bieten unterschiedliche Lizenzen an; abhängig von der Unternehmensgröße und dem Umfang der Prozesse, die abgebildet werden. So können beispielsweise kleine Unternehmen, die nur eine Kundenanfrage beantworten müssen, das Tool über eine Basislizenz kostenlos nutzen. Großunternehmen mit komplexen Lieferketten hingegen erhalten mit der Enterprise-Lizenz eine integrierte Lösung, die an die bestehende Unternehmenssoftware angebunden wird und die Datenströme über die gesamte Lieferkette vollautomatisch abbildet.

UD: Herr Walden, wir bedanken uns für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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