Telefónica Basecamp: Unternehmen im Spannungsfeld Geopolitik
Die aktuelle angespannte geopolitische Lage beeinflusst uns nicht nur in unserem Alltag, sondern hat auch Auswirkungen auf Unternehmen. Darin sind sich Dr. Thomas Bagger, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, und Ansgar Baums, Senior Advisor Sinolytics / Senior Fellow Stimson Center, einig. Auf einem Telefónica Basecamp diskutierten sie, welchen Einfluss Geopolitik auf (Tech) Unternehmen hat und welche Rolle Europa und Deutschland einnehmen müssen.
13.03.2025

Wer derzeit die Nachrichten verfolgt, wird fast täglich mit neuen politischen Themen, Positionen und Uneinigkeiten konfrontiert. „Trump friert Ukraine-Militärhilfen ein“; „Fischer fordert Wehrpflicht“; „Milliarden-Plan für die Aufrüstung Europas“; „China kündigt Gegenzölle auf US-Produkte an“: Diese und ähnliche Meldungen kann man aktuell auf verschiedenen Nachrichten-Plattformen lesen. Die Welt ist zunehmend von politischen Spannungen geprägt. Und grade angesichts der neuesten Entwicklungen (Ukraine-Krieg, Handels-Zölle, mögliche Rohstoff-Abkommen usw.) rückt Geopolitik auch zunehmend in den Mittelpunkt unternehmerischer Überlegungen.
Wie hängen Geopolitik und Technologie zusammen?
„Wir sind dabei, gerade wiederzuentdecken, dass Raum, also Geographie, tatsächlich eine Rolle spielt“, erklärte Dr. Thomas Bagger, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, bereits im September vorigen Jahres bei einer Basecamp-Debatte, die O2 Telefónica veranstaltete. Im Zentrum des Basecamps stand die Frage, wie Geopolitik (Tech) Unternehmen beeinflusst und welche Rolle Europa einnehmen muss, um am Ball zu bleiben. Gegenwärtig stoßen unterschiedliche Machtinteressen in verschiedenen Machträumen hart aufeinander, so Bagger. Wir befinden uns gerade mitten in einem Paradigmenwechsel, meinte auch Ansgar Baums, Senior Advisor Sinolytics / Senior Fellow Stimson Center, der ebenfalls auf der von Marcus Tychsen, Welt TV Journalist, moderierten Basecamp-Veranstaltung diskutierte. Das unipolare Element werde abgelöst durch eine bipolarisierte Welt. Vor allem der Tech-Bereich spiele da eine große Rolle. Denn einerseits verändere die Geopolitik die Technologie an sich. Andererseits werde auch der geopolitische Wettbewerb über die Technologie geführt.
Konkret heißt das, Staaten können mit politischen Instrumenten – etwa Exportkontrollen, Investmentkontrollen, usw. – anderen Ländern den Zugang zu Technologien erschweren beziehungsweise einschränken. Oder sie können die Verbreitung von Technologien fördern, wenn es im Interesse des Staates liegt, zum Beispiel für die nationale Sicherheit. Baums bezeichnet dies als „Geotech Statecraft“. Bestes Beispiel dafür sind die aktuellen Handels-Beziehungen zwischen China und den USA. Die US-amerikanische Regierung verhängte voriges Jahr Exportkontrollen rund um Halbleiter. So dürfen spezielle Halbleiter, die für Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, nicht nach China exportiert werden, berichtet etwa das Handelsblatt. China wiederum stoppte die Ausfuhr von den chemischen Elementen Gallium und Germanium, die sowohl in zivilen als auch militärischen Produkten genutzt werden, in die USA, heißt es bei der Deutschen Welle.
Regierungen vs. Unternehmen?
Dass Staaten Technologien stärker kontrollieren wollen, etwa aufgrund eines höheren Sicherheitsbedürfnisses, ist nicht das Ende der Globalisierung, erklärt Bagger. Es werde aber kritischer geprüft, wer sich in die Technologien einkauft. Hier träfen dann aber unterschiedliche Interessen aufeinander. Denn Unternehmen bräuchten den Austausch über Grenzen hinweg. Grade deutsche Unternehmen sind gute Globalisierer, weiß Baums. Und Deutschland habe von der Globalisierung und der internationalen Vernetzung stark profitiert. Während der Weltdurchschnitt beim Export bei rund 28 Prozent liege, sei der Export hierzulande bei etwa 47 Prozent, also weit über dem Durchschnitt. Unternehmen seien jetzt mit einem neuen Politikstil konfrontiert und müssten sich anpassen. Das heißt, sie müssten Strukturen, die über 30 Jahre lang gewachsen sind, verändern und das sei herausfordernd.


Gleichzeitig bietet diese Situation auch Chancen: „Wenn Staaten ein besonderes Interesse an strategischen Technologien haben, dann sind sie nicht nur bereit, Verbote und Kontrollen zu erlassen, sondern auch Geld in die Hand zu nehmen“, sagte Bagger. Und das bringe Möglichkeiten für Unternehmen. Presseberichten zufolge plante die alte Bundesregierung zum Beispiel zwei Milliarden Euro Subventionen für die hiesige Halbleiterindustrie, für die sich Unternehmen bis Anfang Januar bewerben konnten.
Ganz unabhängig von staatlichen Subventionen müssen sich Organisationen mit der geopolitischen Situation auseinandersetzen und eine entsprechendes Risikomanagement entwickeln. So empfiehlt Deutsche Leasing zum Beispiel, sich mit dem eigenen Sanktionsrisiko zu beschäftigen und dazu verlässliche Strukturen aufzubauen, um „finanzielle Risiken zu vermeiden und die Reputation zu schützen“. Der Seminaranbieter „Best Akademie“ wiederum rät Unternehmen unter anderem dazu, ihre Lieferketten zu diversifizieren: „Durch die Zusammenarbeit mit mehreren Lieferanten in unterschiedlichen geografischen Regionen können Unternehmen das Risiko minimieren, dass politische Spannungen oder Handelsbarrieren ihre Lieferketten unterbrechen.“
EY: Deutsche Banken müssen sich wappnen
Geopolitische Entwicklungen haben großen Einfluss auf die Finanzmärkte, weiß man bei EY. Deutsche Banken müssen, auch aufgrund ihrer internationalen Vernetzungen, ihre Widerstandsfähigkeit gegen solche Risiken verbessern, erklärt die Beratungsgesellschaft. Eine Herausforderung dabei sei es, dass geopolitische Risiken sich von traditionellen unterscheiden. So seien sie nur schwer vorauszusagen und ließen sich über Kennzahlen nur unzulänglich parametisieren. „Letztlich stellen geopolitische Ereignisse komplexe, miteinander eng verknüpfte Beziehungen dar, die sich mit starken Interdependenzen auf Wirtschafts-, Gesellschafts- und Finanzsysteme einzelner Länder oder ganzer Regionen erstrecken können“, heißt es bei EY.
Deutsche Banken müssen ihren Handlungsbedarf strukturiert ermitteln, meint die Beratungsgesellschaft. Dazu gehöre eine Analyse des Geschäftsmodells, des Zielmarktes, der Kundinnen und Kunden, der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, der Governance- und Compliancestrukturen und letztlich auch ein Review des Risikomanagements. Diese Überprüfungen sollten die Banken immer im Hinblick auf mögliche Betroffenheit durch geopolitische Risiken fokussieren. Um erfolgreich zu sein, müssten sich Banken besonders auf die drei Bereiche Governance-Struktur, integriertes und umfassendes Risikomanagement sowie umfassende Compliance konzentrieren.
„Die Stärkung der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit, der Bank ist in einem sich ständig wandelnden Umfeld für deutsche Banken unerlässlich“, erklärt EY: „Die Einschätzungen der Aufsichtsbehörden zum Umgang mit geopolitischen Risiken zeigen schon heute, was morgen von Banken erwartet wird.“
Europa muss eine eigene Rolle einnehmen
Für die hiesigen Staaten gilt es ebenfalls, sich politisch passend aufzustellen, um nicht zum Spielball zu werden. Deutschland und Europa müssen selbst dazu in der Lage sein, in diesem Spiel mitzuspielen, forderte Bagger beim Telefónica Basecamp. Wir müssten ein Interesse daran haben, auch in technologischer Sicht, eine eigene Rolle einzunehmen. Bei uns gebe es zwar keine großen KI-Plattformen, aber wir hätten eine gute Forschungslandschaft zum Beispiel in Bereich Präzisionstechnik oder der Medizintechnik. „Wir müssen selber erfinden, innovativ sein, entwickeln und auch produzieren“, so Bagger mit Verweis auf den Draghi-Bericht. Dieser fasst die Herausforderungen und Chancen, mit denen die EU aktuell konfrontiert ist, zusammen und enthält Vorschläge für konkrete Maßnahmen.
Neben der amerikanischen und chinesischen IT-Welt werden wir aber keine dritte IT-Welt kreieren können, meinte Baums. Im Zentrum der europäischen Debatte stehe aktuell die Frage, ob wir auch einen kreativen Beitrag haben, um Technologien beisteuern zu können. In gegenseitigen technologischen Abhängigkeiten sieht Baums aber auch Potential: nämlich das zur Abschreckung. Man müsse versuchen, die eigenen Stärken auszuspielen und sich in einigen Dingen unabdingbar machen (Ressourcen, Technologien usw.), damit man etwa von anderen Staaten nicht unter Druck gesetzt werden kann.

Politische Einflussnahme birgt auch Risiken
Staatliche Regulierungen wie zum Beispiel Exportkontrollen können auch unerwünschte Nebeneffekte haben, gab Baums außerdem zu bedenken. Wenn man beispielsweise Chinas Zugang zu bestimmten Technologien einschränkt, würden sie diese vermutlich mit der Zeit selbst entwickeln: „Wir tauschen einen kurzfristigen Vorteil, nämlich die Verlangsamung von technologischer Entwicklung in China, ein gegen einen langfristigen Einfluss.“ Damit gebe man das Maß an Kontrolle, das man noch hat, weg.
Darüber hinaus ist die geopolitische Gesamtkostenrechnung nicht Teil der Diskussion, mahnte Baums an. Es würden diverse Kontrollen aufgebaut, ohne wirklich ungefähr zu wissen, was diese kosten werden. Er würde sich wünschen, dass man diese Kosten zumindest mitdenkt, so Baums, der sich hier vor allem auf die USA bezog. Es gibt zwar eine nationale Gesamtrechnung, aber keine geopolitische, sagte wiederum Bagger. Das Geschäft von Kontrollen und Sanktionen sei keine exakte Wissenschaft. Die Frage, wie viel Wohlstandsverlust ein Land für die eigene Sicherheit in Kauf nimmt, sei immer von der individuellen Situation und politischen Lage abhängig, wie etwa die geographische Nähe zu Ländern, die sich im Krieg befinden.