„Wir haben von Beginn an gesagt, dass das Geschäftsmodell funktionieren muss“
Die Neuproduktion von IT-Geräten ist ressourcen- und energieintensiv. Durch deren Wiederaufbereitung reduziert AfB diese Umweltrisiken. Gleichzeitig macht sich AfB für Inklusion stark, weil das IT-Unternehmen beeinträchtigten Menschen Arbeitsplätze bietet. Nun feiert der Refurbisher sein 20-jähriges Betriebsjubiläum. Im Gespräch mit UmweltDialog erklärt Daniel Büchle, Geschäftsführer von AfB, warum man auch im gemeinnützigen Bereich nur mit einem guten Business Case erfolgreich ist und welche Vorteile eine Kooperation mit AfB hat.
14.10.2024
UmweltDialog: Herr Büchle, als Refurbisher übernimmt AfB von Unternehmen und Behörden gebrauchte IT und bereitet diese zur Wiederverwendung auf. So haben Ihre Mitarbeitenden alleine 650.000 Notebooks, Drucker und Smartphones im vergangenen Jahr bearbeitet. Fast die Hälfte Ihrer Angestellten ist schwerbehindert; AfB steht für „Arbeit für Menschen mit Behinderung“. Mittlerweile sind Sie Europas größtes gemeinnütziges Unternehmen im IT-Bereich und feiern Ihr 20-jähriges Betriebsjubiläum. Klären Sie uns auf: Warum hat man bei AfB damals diesen Geschäftsweg eingeschlagen?
Daniel Büchle: Im Grunde genommen war das ein Zufall. Es ging auch nicht primär darum, Inklusion und Kreislaufwirtschaft voranzubringen, Fördermittel zu bekommen oder Spenden zu generieren. Vielmehr sind wir mit einem konkreten Business Case an den Start gegangen.
Das hört sich spannend an...
Büchle: Unser Firmengründer Paul Cvilak – der zugegebenermaßen sehr mutig und experimentierfreudig ist – hatte damals schon andere Firmen, die sich mit Leasing und IT Asset Management beschäftigt haben. Daraus ergab sich automatisch die Frage, was mit den gebrauchten Geräten passiert, die zurückkommen, aber welche die Unternehmen nicht mehr benötigen. Während einer zufälligen Begegnung mit einem Leiter einer Werkstatt mit Menschen mit Behinderungen philosophierten die beiden darüber, ob das Wiederaufbereiten dieser Geräte nicht eine Tätigkeit ist, die auch von beeinträchtigten Menschen erledigt werden könnte.
Das war damals in Emmedingen bei Freiburg. Als Nächstes wurde diese Idee dann in die Tat umgesetzt und in Werkstätten getestet, oder?
Büchle: Genau. Wir haben damals die ersten Computer in die Werkstätten mitgenommen und geschaut, ob die Menschen Spaß an dieser Arbeit haben und sie unter Anleitung anderer umsetzen können. Und, ob die Qualität passt. Das Tolle war, dass dieser Job den Menschen mehr Selbstwertgefühl gegeben hat, weil sie „mit Computern“ arbeiteten. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn es geht auch darum, Daten von großen und bekannten Unternehmen zu löschen.
Die einzige Herausforderung war, dass die Werkstätten ziemlich offen und ungeschützt waren. Für die darin arbeitenden Menschen schön, in puncto Datensicherheit jedoch nicht optimal. Daraus entwickelte sich dann der Gedanke, dass wir einen eigenen Standort – das war in Ettlingen bei Karlsruhe – gründen wollten. Mit professionellem Security-Konzept und eigenen Sicherheitskameras, wie von den Partnerunternehmen gefordert. Zunächst arbeiteten wir mit behinderten Menschen aus einer Werkstatt, die zu uns kamen. Die wurden dann wiederum nach und nach sozialversicherungspflichtig bei uns eingestellt.
Mit Ihrem Geschäftsmodell haben Sie es geschafft, die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – genuin in Ihrer DNA zu verankern. Sie sagen, dass AfB genau wie jede andere Firma tickt, mit dem Bonus, das Geschäftsmodell inklusiv umzusetzen. Was meinen Sie damit?
Büchle: Wir haben von Beginn an gesagt, dass das Geschäftsmodell funktionieren muss. Das war und ist essenziell. Deswegen geht es bei uns um klare Zahlen und KPIs. Wie viel können wir für ein Notebook zahlen? Für wie viel verkaufen wir es dann? Und die Marge dazwischen, welche Kosten muss sie decken? Denn zuallererst muss das Businessmodell funktionieren. Anderenfalls wäre es auch unfair den Menschen gegenüber, die wir jetzt eingestellt haben. Die verlassen sich darauf, dass wir ordentlich kalkulieren. Und nur so kann es auch langfristig funktionieren.
Es gibt etliche gemeinwohlorientierte Initiativen, die wirklich toll sind und ganz viel Positives bewirken, die aber zu stark von Spenden und Fördermitteln abhängen. Was passiert denn, wenn nach Wahlen die neuen Landes- oder Bunderegierungen die jeweiligen Gelder streichen? Wenn die Investoren abspringen? Da fühlen wir uns als Unternehmen, das zu 100 Prozent in Familienhand ist, mit unserem expliziten Business Case deutlich sicherer. Wir wissen genau, was machbar ist und was nicht. Deswegen nehmen wir auch nicht jedes Notebook oder nicht jeden Drucker an. Unser Motto ist, lieber stabil gesund sein und wachsen, als es zu schnell skalieren zu wollen. Wir haben eine große Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden.
Welche Vorteile haben Kunden, die mit Ihnen eine Kooperation eingehen?
Büchle: Ich würde zwischen Partnern, also Unternehmen und Behörden die uns ihre gebrauchten IT- und Mobilgeräte verkaufen einerseits, und den Kundinnen und Kunden, die die wiederaufbereiteten Geräte kaufen anderseits, differenzieren.
Dann starten Sie bitte mit der Beschaffungsseite.
Büchle: Die Unternehmen und Behörden benötigen für ihre alten Geräte einen Partner, der so wie wir zertifiziert ist und auf den sie sich bei dem Thema Datensicherheit verlassen können. Wir garantieren einen 100 Prozent sicheren Transport der Geräte und eine revisionssichere Datenvernichtung. Darüber hinaus bezahlen wir für die Geräte, sodass die Organisationen noch Geld für ihre alte Hardware bekommen.
Außerdem können die Partner ihre soziale und ökologische Wirkung durch die Kooperation mit AfB – gemessen in aussagenkräftigen KPIs wie etwa eingesparter Energie in Kilowattstunden oder Anzahl an gesicherten Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen – für ihr eigenes Nachhaltigkeitsreporting verwenden und interne und externe Stakeholder darüber informieren. Für das Image der Unternehmen ist das ein wichtiger Faktor, gerade im Bereich des Recruitings, denn viele junge Menschen wollen für eine nachhaltige Firma arbeiten.
Und warum sollten sich Endverbrauchende für ein Gerät von Ihnen entscheiden?
Büchle: Die Kundinnen und Kunden, die bei uns einkaufen, erwerben kostengünstig hochwertige Business-Geräte der großen Hersteller wie Lenovo, HP, Apple, Samsung oder Dell, die wir wiederaufbereitet haben. Solche Geräte sind langlebig und besonders hochwertig. Da können die Consumer-Serien von den bekannten Elektronikfachmärkten nicht mithalten.
Aber dort kann man neue Geräte kaufen. Und die sind nur etwas teurer als Ihre gebrauchten...
Büchle: Ja, aber diese Geräte kommen oft nicht an die technische Leistung und die Businessqualität unserer Hardware heran. Wir müssen extrem qualitätsbewusst handeln und unsere Hardware muss vielen Belastungstests standhalten. Denn macht ein Kunde eine negative Erfahrung mit einem unserer Notebooks oder Smartphones, dann wird er beim nächsten Mal wieder ein Neugerät kaufen. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Unser Ziel ist es, die Geräte, die eh schon produziert wurden, so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Daher bieten wir auf alle refurbished Geräte 12 Monate Garantie, die unsere Kunden für einen kleinen Aufpreis auf 36 Monate erweitern können.
Wie alt sind die Geräte im Durchschnitt, die Sie von den Unternehmen und Behörden bekommen?
Büchle: Nach vier bis fünf Jahren sind sie für den Erstnutzer technisch meistens nicht mehr dienlich, weil Unternehmen und öffentliche Institutionen andere Ansprüche an Performance und Security haben. Aber Privatpersonen, Schulen oder NGOs können diese Geräte mit Sicherheit noch fünf bis zehn Jahre nutzen. Darüber müssen wir durch Kommunikation und Marketing noch mehr aufklären. Nach dem Motto: „Ihr braucht euch kein Neugerät zu kaufen, ein gebrauchtes tut es auch. Ihr tut damit der Umwelt einen Riesengefallen, weil diese Geräte weniger hergestellt werden!“ Und eurem Geldbeutel auch.
Wie messen Sie den ökologischen Impact Ihrer Geschäftstätigkeit?
Büchle: Wir identifizieren anhand von Standard-Produkten den Ressourcenverbrauch beim Herstellungsprozess. Welche Rohstoffe stecken darin? Wie viel Wasser wurde verbraucht? Wie viele Emissionen verursacht der Transport nach Europa? Etc. Das verrechnen wir mit den negativen Auswirkungen unserer Arbeit, denn auch wir verursachen ja beispielsweise Emissionen, wenn wir die Geräte bei unseren Partnern abholen oder Ersatzteile verwenden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lesen Sie Anfang November mehr in Teil 2: Arbeitswelt inklusiver gestalten!