Politik

Dringlichkeit bei Sanierung von Schulen angemahnt

Um die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden wird in Brüssel bis zuletzt gerungen, erwartet werden Vorgaben für umfangreiche Sanierungen. Vor dem Hintergrund der anstehenden abschließenden Trilog-Verhandlungen über die Richtlinie zeigen sich Sozialverbände, Gesundheits- und Umweltorganisationen sowie Vertreter von Schulen besorgt über die gravierenden Folgen von Schulen und Wohngebäuden in schlechtem Zustand und appellieren, die Ambitionen Gebäudesanierungen hochzuhalten.

22.12.2023

Dringlichkeit bei Sanierung von Schulen angemahnt
EU-Parlament Strasburg

Dramatische Auswirkungen von Sanierungsstau bei Schulgebäuden

In Deutschland weist ein großer Teil der Gebäude einen niedrigen Standard bei Isolierung und Energieeffizienz auf; mehr als 45 Prozent der Gebäude haben derzeit eine der niedrigen Energieeffizienzklassen (F, G, H). Eklatant ist der Sanierungsstau bei den Schulen. In einer 2022 veröffentlichten Analyse beziffert die KfW den Sanierungsbedarf von Schulgebäuden mit gravierendem oder nennenswertem Rückstand auf 56 Prozent. Infolgedessen werden hierzulande pro Jahr 200.000 Fehltage von Schülern aufgrund von Belastungen durch Feuchtigkeit und Schimmel in Innenräumen verzeichnet. Das Gros dieser Fehltage könnte durch bessere Isolierung und Belüftung der Gebäude verhindert werden.

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Dr. Heinz Fuchsig, Arbeitsmediziner bei Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) erklärt: „Es gibt klare Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Gebäude, in denen unsere Kinder ihre Tage und Nächte verbringen und einigen Krankheiten sowie schlechten Leistungen und mangelndem Wohlbefinden der Kinder. Oftmals übersehen wir die Bedeutung von erforderlicher Isolierung und Belüftung von Gebäuden für die Gesundheit von Kindern. Tatsächlich besteht ein größeres Risiko für Schimmelbildung, Hormonstörungen durch Phthalate und Irritationen der Schleimhäute, je mehr Heizkörper aufgrund schlechter Gebäudeisolierung aufgedreht werden müssen. Insbesondere an Schulen führt eine unzureichende Wärmeisolierung dazu, dass Klassenfenster im Winter geschlossen bleiben. Dies führt zu erhöhter Luftfeuchtigkeit, die sich an kalten Wänden absetzt und zu Schimmelbildung führen kann.“

Priorisierung von Schulen darf kein Lippenbekenntnis bleiben, um Sanierungsstau beizukommen

Aktuell befinden sich die EU-Staaten in der Endphase der Verhandlungen über die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD), die einen Aktionsplan für die Gebäudesanierung in Europa vorsieht. Noch offen ist das Gesamtniveau der Energieeinsparungen, die bis 2030 und 2035 erreicht werden sollen. Definiert werden soll dies nun von den verhandelnden Ländern, darunter Deutschland. Da es nicht für alle Gebäude Sanierungs-Vorgaben geben wird, sind die Mitgliedsländer aufgefordert, ihre öffentlichen Gebäude für Sanierungsvorhaben zu priorisieren. Als Priorität für Deutschland nannte Bundesbauministerin Klara Geywitz jüngst Schulen.

Beispielhaft für die Situation zahlreicher Schulen ist die Erich Kästner Grundschule in Frankfurt/Main. Schulleiter Benedikt Gehrling schildert die Situation seiner Schule so: „Der Bedarf an Räumlichkeiten hat sich seit der Planung der Schule in den 70er Jahren stark verändert. Heute brauchen wir dringend Räume für Inklusion, Kleingruppenbetreuung und -förderung sowie für den schulischen Ganztag. Hierfür müsste die Schule komplett umgeplant, beziehungsweise in Teilen neu gebaut werden. Was die Bestandsgebäude betrifft, haben wir vielfach undichte, verzogene Fenster; die Dämmung fehlt größtenteils komplett. In einzelnen Gebäuden wird es im Sommer extrem heiß und es fehlt an Möglichkeiten, die Räume zu kühlen. An anderen Stellen gibt es eine Schimmel-Problematik, dort muss sehr viel gelüftet und gleichzeitig geheizt werden. Das alles führt nicht nur zu hohen Energiekosten sondern erschwert Konzentration und Lernfähigkeit stark und schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten, die an einer Schule im Vordergrund stehen sollten, enorm ein.“

Deutlichen Handlungsbedarf bei der Schul-Sanierung mahnt auch Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands an, als er die räumlichen Bedingungen kürzlich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk als „unterirdisch“ bezeichnete und gegenüber der Augsburger Allgemeinen erklärte: „Viele Gebäude sind in einem Zustand, in dem sie dringendst saniert gehören. Der Standard, den unser Land eigentlich vertritt, ist bei vielen Schulen nicht mehr gegeben. Das ist nicht länger hinnehmbar. Schulgebäude müssen in einem Zustand sein, der motivierend ist, der Wertschätzung ausdrückt gegenüber den Lehrkräften und den Kindern.“

Zentrale Rolle für Gesundheit von Kindern: Ambition Deutschlands in Brüssel

Neben der dringenden Sanierung von Schulen betonen Gesundheits- und Umweltverbände auch den Sanierungsbedarf von einzelnen Wohngebäuden, wenn es um die Gesundheit von Kindern geht. Vor den finalen Verhandlungen zur EU-Gebäuderichtlinie zeigt sich diesbezüglich Daniel Edwin Moser von der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) alarmiert: „Am europäischen Verhandlungstisch wird nicht nur über unsere Gebäude, sondern auch über die Zukunft unserer Kinder entschieden. Marode Schulen und schlecht gedämmte Wohnungen gefährden gleichermaßen die Gesundheit und Bildungschancen vieler Kinder in Deutschland. Das Lippenbekenntnis der Bauministerin für eine schnellere Sanierung von Schulen reicht nicht aus, um den derzeitigen Missständen entgegenzutreten. Wenn die Bundesregierung ernsthaft am Wohl unserer Kinder interessiert ist, muss sie in Brüssel Druck machen für eine ambitionierte Ausgestaltung der Gebäuderichtlinie. Bei Schulen und Wohnungen muss jetzt mit den schlechtesten Gebäuden begonnen werden, um die Klimaschutzlücke zu schließen und für nachkommende Generationen gesündere Wohnungen und Lernorte zu schaffen.“

Die weitreichenden Folgen von Schulen in schlechtem Zustand und die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken und verringerten Bildungschancen betont Dr. Katharina Weiss-Tuider von der Stiftung Gesunde Erde - Gesunde Menschen: „Schule ist ein ‚Vollzeitjob‘ für Kinder: Bis zu 8 Stunden täglich verbringen sie in ihren Klassenzimmern. Welche Luft sie in Schulen atmen, verdient also dringend mehr Aufmerksamkeit – in Schulen ebenso wie in Wohnungen. Schlechte Isolierung, Schimmel und Feuchtigkeit können für Kinder mehr Krankheitstage, geringere Leistungsfähigkeit und ein allgemein schlechteres Wohlbefinden bedeuten. Je stärker dabei die Außenluft verschmutzt ist, etwa mit Feinstaub, desto schlechter ist auch die Luftqualität in Innenräumen. Langfristig kann dies dramatische Folgen haben: Denn für Schüler können sich versäumte Schultage nachweislich negativ auf ihre allgemeinen Fähigkeiten, ihren Bildungsstand und letztlich ihr zukünftiges Einkommen auswirken. Eltern wie Schulen können hier einen wertvollen Beitrag für die Zukunft ihrer Kinder leisten, wenn sie die Luftqualität in Innenräumen als wichtiges Thema im Blick haben.“

Wesentliche Stellschrauben: Finanzielle Mittel und hohe politische Ambitionen

Dass neben hohen politischen Zielsetzungen finanzielle Mittel die zentrale Stellschraube sind, stellt die KfW in ihrer jüngsten Analyse zum Thema fest. Seit Jahren analysiert die KfW, welche Maßnahmen von Nöten wären, um die Schulen in Deutschland so zu sanieren, dass sichergestellt ist, dass die Kinder dort ein geeignetes Lernumfeld vorfinden.

Dem entsprechend appelliert Eva Maria Welskop-Deffa, Präsidentin der Caritas Deutschland an die Verhandler der EPBD, die Gesundheitsaspekte bei den festzulegenden Standards zu priorisieren und nimmt auch die frühen Jahre der Kindheit und die Rolle der Prävention in den Blick: „Kindergesundheit ist eine Frage entschiedener Prävention, gutes Aufwachsen ein Thema früher Hilfen. Schimmel im Badezimmer über der Wickelkommode ist für einen Säugling eine veritable Gesundheitsbelastung. Und eine Kita, deren Gebäude ungenügend saniert sind, ist kein guter Ort für ein Vorschulkind. Nicht erst im Schulalter, bereits in den Lebensjahren zuvor verbringen Kinder viele Stunden in Gruppenräumen, die den Anforderungen des Gesundheitsschutzes unbedingt entsprechen sollten. Kleinkinder ebenso wie Erzieherinnen sind darauf angewiesen, dass die EU-Gebäuderichtlinie Standards durchsetzt, die ihre Gesundheit priorisieren.“

Quelle: UD/pm
 

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