Politik

„Die Themen Klima und Nachhaltigkeit werden auch in Russland immer wichtiger“

Themen wie Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit haben in Russland in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, ist die Diplom-Wirtschaftswissenschaftlerin und Journalistin Angelina Davydova überzeugt. Davydova leitet das Russisch-Deutsche Büro für Umweltinformation (RNEI) und unterrichtet Journalismus an der Universität St. Petersburg. Darüber hinaus ist sie seit 2008 Beobachterin bei den UNO-Klimaschutzverhandlungen.

14.03.2016

Von Andreas Vierecke

Frau Davydova, hier in Deutschland ist der Begriff der „Nachhaltigkeit“ seit vielen Jahren ein zentrales Leitmotiv der Umweltdiskussion. In letzter Zeit ist vor allem „nachhaltiger Konsum“ ein Thema und damit die Verantwortung jedes Einzelnen. In Russland kein so großes Thema, oder?

Angelina Davydova: Ich befasse mich mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen intensiv seit 2008. In dieser Zeit ist die Sensibilität dafür in Russland sehr viel größer geworden. 2008 war das hier bestenfalls etwas für Ökofreaks. Heute ist es ein Thema, das die Mitte der Gesellschaft beschäftigt. Jedenfalls in den großen Städten und bei jüngeren Leuten, die sich für die Welt um sie herum interessieren, reisen und Online-Medien lesen. Für diese Menschen haben Zukunftsfragen wie nachhaltiger Konsum eine viel größere Bedeutung als früher.

Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Davydova: Themen wie Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit werden auch in den Medien in Russland immer wichtiger, und das zunehmend auch in Mainstream-Medien, egal ob Online, Print oder auch im Fernsehen. Ich selbst schreibe als freie Autorin regelmäßig nicht nur für verschiedene Umweltmedien, sondern auch für „Kommersant“, eine der führenden russischen Zeitungen.

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Deutschland hat sich eine Energiewende verordnet und setzt mehr und mehr auf regenerative Energien. Russland verfügt über große Reserven an fossilen Energieträgern – wird regenerativen Energien da überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt?

Davydova: Im Moment spielen regenerative Energien in Russland noch kaum eine Rolle – ihr Anteil an der Stromerzeugung liegt bei weniger als einem Prozent. Aber: 2013 hat die russische Regierung ein Gesetz erlassen, das die Förderung der Solar- und Windkraft sowie kleiner Wasserkraftwerke zum Ziel hat. Seitdem hat die Solarenergie – wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau – einen gewissen Aufschwung erlebt.

Ende Oktober 2015 wurde in der Republik Baschkortostan die erste Ausbaustufe eines 20-Megawatt-Solarkraftwerks fertiggestellt. In den nächsten drei Jahren sollen nach Angaben der Betreiberfirma, Hevel Solar, in der Region sechs weitere Solarkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von rund 60 Megawatt ans Netz gehen. Insgesamt plant das Unternehmen, ein Joint Venture der russischen Firmengruppe Renova und des russischen Staatsunternehmens Rusnano, in den nächsten drei Jahren eine Kapazität von 500 Megawatt in das russische Stromnetz einzuspeisen.

Bis 2020 soll die jährliche Solarenergieerzeugung russlandweit jährlich 1,5 Gigawatt betragen. Ein steiles Wachstum, auch wenn der Anteil Russlands an der weltweiten Erzeugung erneuerbarer Energien damit bei nicht mehr als einem halben Prozent liegen wird.

Sie beobachten seit einigen Jahren die Verhandlungen der Vereinten Nationen zum Klimaschutz. Was erwarten Sie in diesem Jahr vom Klimagipfel in Paris?

Davydova: Der Klimagipfel in Paris findet kurz nach der fürchterlichen Terrorattacke des sogenannten Islamischen Staates statt. Ich hoffe aber, dass die Chiffre „Paris 2015“ auf lange Sicht für etwas anderes stehen wird: für den positiven Wendepunkt nämlich, den dieser Klimagipfel und das dort beschlossene Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll für die internationale Klimapolitik markieren könnte. Mehr Beobachter als sonst jedenfalls waren im Vorfeld ziemlich optimistisch. Und soweit man das im Moment beurteilen kann, könnten die Verhandlungen von Paris die zukünftige Weltklimapolitik tatsächlich auf eine neue Basis stellen. Es wird aber entscheidend darauf ankommen, ob es den Staaten in Zukunft gelingt, die konkreten Emissionsreduktionen, auf die sie sich verpflichten, auch wirklich umzusetzen. Dies und die Reduktionsziele selbst sollen zukünftig alle fünf Jahre überprüft werden.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Wie leben Sie den Wunsch nach einem nachhaltigen Lebensstil ganz persönlich in Ihrem Alltag?

Davydova: Ich versuche es zu vermeiden, Sachen zu kaufen, die ich eigentlich nicht brauche. Außerdem ist es mir wichtig zu wissen, woher die Produkte kommen und ob sie umweltgerecht hergestellt und fair gehandelt wurden. Bei Lebensmitteln versuche ich möglichst lokale Produkte zu kaufen. Und natürlich achte ich darauf, wieviel Strom und Wasser ich verbrauche und trenne den Müll, obwohl das hier in Petersburg nicht ganz so einfach ist wie in Deutschland, weil es hier kein zentral organisiertes System der Mülltrennung gibt. Gut erhaltene alte Kleider, Bücher und Haushaltsgeräte spende ich.

Außerdem habe ich kein Auto und benutze möglichst öffentliche Verkehrsmittel. Leider fliege ich berufsbedingt viel. Dafür versuche ich meine Familie und Freunde, Kollegen und Studierende für das Thema zu sensibilisieren. Und ein ganz klein bisschen hoffe ich auch, mit meinen Artikeln und Vorträgen etwas zu bewirken.

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Quelle: UD
 

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