CSR-Management

Wie entwickeln Sie eine Klimastrategie?

Künftig müssen bereits kleine und mittelständische Unternehmen Klimadaten bereithalten. Entsprechende Anforderungen der Hausbank und der Geschäftskunden bewirken, dass Klimaschutz ins Kerngeschäft Einzug erhält. Stephan Schunkert von KlimAktiv erklärte uns, wie man Klimamanagement angeht.

04.01.2024

Wie entwickeln Sie eine Klimastrategie?

Noch vor ein paar Jahren ging es beim Klimareporting zu wie beim Metzger. Frei nach dem Motto: Darf's noch ein bisschen mehr sein? Mit der Herleitung der Klimabilanz wurde sich nur oberflächlich beschäftigt. CO2-Zertifikate waren billig. Wer auf der sicheren Seite sein wollte, packte einfach noch ein paar Tonnen obendrauf.

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Heute ist das anders. Seitdem europaweit die Emissionspreise steigen und die Klimaneutralstellung ein Geschmäckle bekommen hat, fangen immer mehr Unternehmen an, ihre Bilanzen ernsthaft zu erstellen. Wer das erstmals angeht, dem empfiehlt Stephan Schunkert, Geschäftsführer bei KlimAktiv, zunächst einmal die Frage nach dem „Warum“ zu klären. „Wer bei uns anruft, den fragen wir zunächst nach der Motivation. Wie ist die Ausrichtung des Unternehmens? Handelt es sich um ein Familienunternehmen oder eine Aktiengesellschaft? Da ergeben sich, gerade beim Thema Langfristigkeit, unterschiedliche Einstellungen.“

Die Frage des Warums ist zugleich auch die Systemgrenze für den zweiten Schritt einer CO2-Bilanzierung: Wie ambitioniert sind unsere Ziele? Reicht eine sehr begrenzte Grundaufstellung mit eigenen und zugekauften Energieverbräuchen am Standort (Scope 1 und 2)? Oder gehen die Ambitionen weiter in Richtung science-based targets? Und wie steht es mit den produzierten Waren? Wird der CO2-Fußabdruck auch auf einen sogenannten „Product Carbon Footprint“ ausgedehnt?

Schunkert: „Bei den Gesprächen muss man auch zwischen den Tönen lesen. Oft geben sich Unternehmen intrinsisch, weil sie glauben, dass Stakeholder das von ihnen erwarten, aber letztendlich reicht ihnen die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten.“ Die Klärung erfolgt in einem Workshop, an dem unbedingt auch die Geschäftsführung teilnehmen muss. In der Anfangsphase kommt es zwingend darauf an, auch die Rückendeckung der Führungsebene zu haben. Weitere Teilnehmer können die Umweltabteilung, die Personalabteilung, der Einkauf, eventuell Forschung und Entwicklung und bei produzierenden Unternehmen die Fertigung sein.“

Die Motivation der einzelnen Abteilungen gibt dann auch Hinweise über Fortschritte und Schnelligkeit. Schunkert empfiehlt, spätestens alle fünf Jahre die Ziele zu überarbeiten. Da nicht alles sofort umgesetzt werden kann, braucht es Zeit. Zu viel sollte es aber auch nicht sein, um Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Der Fünfjahresrhythmus findet sich übrigens auch in der neuen EU-Berichtspflicht wieder.

Schätzen, wenn Messen nicht möglich ist

Damit sind die Grundlagen gelegt für die eigentliche CO2-Bilanzierung. Diese muss jährlich erstellt werden. Das ist ein iterativer Prozess, der jeweils bei den Ergebnissen des Vorjahres ansetzt und kontinuierliche Verbesserungen ableitet. Beim ersten Mal fehlen natürlich die Vergleichszahlen, deshalb ist die erste Bilanzierung von der Datenlage immer relativ schwierig. Das gilt insbesondere für Scope 3, die vor- und nachgelagerte Lieferkette. Der Gesetzgeber sieht hier nach einer Übergangszeit eine 100-prozentige Transparenz vor. Das wird in den seltensten Fällen über eine individuelle Betrachtung von Waren und Lieferanten möglich sein. Generische und monetäre Methoden, die eher auf Schätzungen beruhen, werden die Datenlücken füllen.

Schunkert: „Wie sich die ESRS weiterentwickelt, ist noch offen, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß, dass Brüssel den 100-Prozent-Ansatz fahren wird. Von daher ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass hier sehr viele Unternehmen zumindest in ersten Schritten auf Basis monetärer Daten die CO2-Bilanz erstellen.“

CO2-Bilanzierung – ein Weg zum klimaneutralen Wirtschaften: Eine grobe Wegplanung

Es geht vor allem um Strom

Klimaschutz und Stromverbrauch hängen eng zusammen, mit zunehmender Elektrifizierung von Mobilität und Heizen umso mehr. Das Greenhouse-Gas-Protokoll unterscheidet zwei Logiken: Da ist zum einen der sogenannte markt- beziehungsweise netzbasierte Ansatz. Die CO2-Berechnung beruht auf den konkreten Angaben des Stromanbieters. Wird hier Ökostrom genutzt, ist der CO2-Fußabdruck entsprechend gut. Die zweite verpflichtende Bilanzierung ist der standortbezogene Ansatz. Hier wird der bundesdeutsche Strommix zugrunde gelegt. Dieser ist seit dem Verzicht auf russisches Gas und verstärkte Nutzung von Kohle schlechter geworden.

Den marktbasierten Ansatz kann eine Firma steuern, den standortbezogenen nicht. Beide im Vergleich zeigen Analysten, wie ernst es das Unternehmen mit dem Steuerungsinstrument Strom meint. Wobei die Bilanzierung oft nicht so einfach ist. Beispiel Deutsche Bahn: Die fährt mit Ökostrom aus Norwegen. Aber im deutschen Netz landet dieser Wasserkraft-Strom aus Norwegen natürlich nicht. Der Beleg erfolgt über Herkunftsnachweise. Auch in der Produktion kann es innerhalb einer Warengruppe ganz unterschiedliche Werte geben. Ob man etwa in Frankreich oder in Deutschland produziert, macht einen großen Unterschied: Frankreich hat dank Atomstrom deutlich bessere CO2-Werte.

Datenkonsolidierung bleibt schwierig

Bei der Zusammenstellung des Emissionsfußabdruckes muss letztendlich dann auch geklärt werden, ob das Unternehmen eine CO2-Bilanz, eine Treibhausgasbilanz oder eine Klimagasbilanz erstellen will. Klingt ähnlich, aber es gibt Unterschiede. Eine CO2-Bilanz umfasst die Kohlendioxidausstöße, eine Treibhausgasbilanz inkludiert die weiteren sechs im Greenhouse-Gas-Protokoll genannten Gase. Weiter gefasst ist das Thema Klimabilanz: Das erfasst nicht nur Emissionen, sondern auch Emissionseffekte. Dazu zählen etwa in der Luftfahrt Kondensstreifen oder biogene Emissionen in der Landwirtschaft. Perspektivisch plant die EU, das Klimareporting so um zusätzliche Aspekte zu erweitern.

Ein Klimamanagement umfasst das ganze Unternehmen, nicht nur den Sektor Energie.

In der Praxis kompliziert ist aber nicht nur die Datenbilanzierung, sondern vor allem die Datenerhebung. Schunkert: „Klimamanagement ist kein erweitertes Energiemanagement. Ein Klimamanagement umfasst das ganze Unternehmen, nicht nur den Sektor Energie.“ Ein Beispiel: Fragt man den Energiemanager, dann drückt der auf einen Knopf und liefert zwei Zahlen für den Gasverbrauch und für den Stromverbrauch. Fragt man dagegen den Einkauf, dann sieht die Datenlage ganz anders aus: Da gibt es dann vielleicht 7.000 Positionen und die Datenaggregation ist alles andere als einfach.

Schunkert: „Wenn das alles steht, sind wir bei Schritt drei. Wir haben die CO2-Bilanz und wissen, was die Peanuts und was die Big Points sind. Jetzt stellt sich die Frage: Für welche Big Points und vielleicht auch für welche Peanuts habe ich den Schlüssel zur Vermeidung?“

Offsetting als Auslaufmodell?

Bisher haben viele Unternehmen ihr Klimamanagement oft über Ökostrom und CO2-Offsetting vorangetrieben. Das wird in Zukunft so nicht mehr möglich sein. Im Kyoto-Protokoll war vereinbart, dass Projekte im Ausland über sogenannte „flexible Mechanismen“ angerechnet werden konnten. Schunkert: „Das heißt, das Windrad in China war ein Klimaschutzprojekt in Deutschland.“ Möglich gemacht wurde diese Bilanzierungspraxis, weil China das Kyoto- Protokoll nicht ratifiziert hatte. China hat aber jetzt das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet. Das heißt künftig, dass das Windrad in China ab sofort in die Klimabilanz von China einfließt. Da auch China das 1,5-Grad-Ziel anstrebt, wird es die Emissionseinsparungen künftig nicht mehr oder zumindest nicht günstig an andere Länder wie Deutschland abtreten. Schunkert: „Das hat für eine große Verwirrung gesorgt. Zwei große Anbieter bieten deshalb keine Klimaneutralitäts-Zertifikate mehr an. Wir raten unseren Kunden nicht mehr zur Kompensation. Und wenn sie es machen wollen, dann raten wir dazu, nur alte Zertifikate zu nehmen.“

Dieser Artikel ist im Original im Magazin „UmweltDialog“ zum Thema „Klimareporting“ erschienen.

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Quelle: UmweltDialog
 

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