Warum Nachhaltigkeit für die Generation Y wichtig ist
Für den Nachhaltigkeitsaktivisten und -Blogger Daniel Anthes ist Nachhaltigkeit ein Wort, das oft hinter seinem wahren Potenzial zurückbleibt – „dabei geht es nicht nur um die Herausforderung, sondern vor allem die Chance, unseren Planeten zukunftsfähig zu gestalten“. UmweltDialog sprach mit ihm über Erwartungen der sogenannten Generation Y.
15.07.2015
UmweltDialog: Weshalb kann 2015 ein Jahr werden, in dem wir Nachhaltigkeitsgeschichte schreiben?
Daniel Anthes: Viele mögen mich als Idealisten, Optimisten oder gar Romantiker bezeichnen, wenn ich sage, dass ich die Hoffnung hierfür noch lange nicht aufgegeben habe. Ob in Addis Abeba in puncto Entwicklungsfinanzierung, in New York in puncto weltweit geltender Nachhaltigkeitsziele (SDGs) oder in Paris in puncto globaler Klimaschutz – wir haben in diesem Jahr auf gleich drei großen Bühnen die Chance, uns zu mehr Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung in der Welt zu verpflichten.
Ich denke, dass die Vorzeichen hierfür zumindest im Hinblick auf die Vorjahre schlechter stehen könnten. Denn ob UN oder G7, große Schwellenländer wie China oder sogar der Papst – wir sehen derzeit mehrfach Bemühungen, das Augenmerk auf die zentralen Herausforderungen wie z.B. den Klimawandel zu lenken. Und damit kam es in letzter Zeit teils zu historischen Schritten in die richtige Richtung, sei es das Abkommen zwischen den USA und China bzgl. ehrgeizigerer Klimaschutzziele oder das Vorhaben der G7 zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Wichtig wird nun aber natürlich sein, dass diesen Versprechen auch ernstgemeinte Taten folgen – und zwar zeitnah.
Skeptiker verweisen jedoch auf frühere UN-Gipfel, die nicht annähernd die an sie gestellten Erwartungen erfüllen konnten …
Anthes: … und das sicherlich nicht unbegründet. Sie spielen hier wahrscheinlich auf die Klimakonferenz in Kopenhagen aus dem Jahr 2009 an. Aber man darf eben auch nicht immer nur auf die große Politik oder irgendwelche Wirtschaftsriesen schimpfen, und sonst nichts unternehmen. Denn es ist letzten Endes nicht immer nur die große politische Bühne vonnöten, um etwas zu bewirken. Jeder kann mit seinem individuellen Handeln einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Aus Erfahrung weiß ich, dass hier gerade Nichtregierungsorganisationen und Vereine – oft nahezu unbemerkt – viel auf lokaler Ebene anstoßen und damit letztlich zu wirklichem Wandel beitragen – ganz nach dem Motto „Veränderung beginnt mit dir“.
Allgemein habe ich das Gefühl, dass die Generation Y die Koordinaten des Gesellschafts- und eben auch Wirtschaftssystems immer mehr in Richtung einer neuen persönlichen Lebens- und Business-Moral verschiebt – de facto einer Mischung aus Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem Engagement. Das ist gleichermaßen spannend und höchst erfreulich.
Können Sie ein konkretes Beispiel aus Ihrem Umfeld nennen?
Anthes: Ein mittlerweile von der Bundesregierung ausgezeichnetes Beispiel hierfür ist ShoutOutLoud, ein in Frankfurt ansässiger Verein, der sich im Rhein-Main-Gebiet im Bereich Nachhaltigkeit und ökologische Tragfähigkeit engagiert. Seit einiger Zeit habe ich die Ehre und Freude, als Vorstandsmitglied dieses mehr als 20 Personen starken Vereins unmittelbar an der Planung, Kommunikation und Durchführung von Vereinstätigkeiten mitzuwirken.
Dabei beschäftigen wir uns u.a. mit den Themen Lebensmittelverschwendung und Plastikabfall, welchen endlich auch zunehmend die mediale Aufmerksamkeit zuteilwird, die sie verdienen. Denn letztlich sind dies zwei mögliche und dabei im Alltag zentrale Stellschrauben, anhand derer jeder Einzelne auf einfachste Art und Weise den Druck auf unsere weltweiten Naturressourcen verringern kann. Durch bewussten Konsum können Umwelt- und Sozialaspekte in der Wertschöpfungskette berücksichtigt bzw. implizit nachgefragt und so im Hinblick auf nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster optimiert werden.
Dazu braucht es Bewusstseinsbildung …
Anthes: Ja, das ist definitiv vielfach noch der Knackpunkt. Denn oft werden die Implikationen und damit nicht-sichtbare Bedeutung des eigenen Konsums unterschätzt. Was bringt es, wenn ich mich anstelle des Discounter-Hackfleisches für das des Bio-Metzgers entscheide und dabei meinen Fleischkonsum auf einmal pro Woche beschränke? Überhaupt, was macht es für einen Unterschied, wenn meine T-Shirts nur fünf Euro oder das Vierfache kosten? Und natürlich brauche ich jedes Jahr das neue iPhone! Leider ist immer noch vielen Menschen nicht wirklich bewusst, dass sie durch ihre Nachfrage indirekt die Art und Weise mitgestalten, auf welche die Wirtschaft funktioniert.
Weshalb ist für Sie Nachhaltigkeit kein "nice to have" mehr, sondern Notwendigkeit?
Anthes: Ein Wirtschaftssystem, das ausschließlich monetäres und materielles Wachstum anstrebt, wird hier einfach nicht mehr funktionieren. Wir müssen grundlegend überdenken, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Naturressourcen nutzen. Um an dieser Stelle auch das globale Verteilungsproblem zu lösen, bedarf es einem prinzipiellen Wandel hin zu nachhaltigeren Produktions- und Konsummustern vor allem in der industrialisierten Welt. Die enormen Mengen an Abfall und schier grenzenlose Verschwendung stellen hierbei mögliche Aktionsbereiche dar, wie wir unseren ökologischen Fußabdruck senken und damit den Planeten zukunftsfähiger gestalten können.
Klar ist aber auch, dass es ein Patenrezept oder Masterplan für die gleichzeitige Lösung aller Herausforderungen und Probleme nicht gibt. Doch es gibt definitiv Ansätze, die uns als Gesellschaft auf den richtigen Kurs bringen können.
Dazu gehören die Umlenkung von Finanzströmen zu nachhaltigen Investitionen, Schutz des Naturkapitals, effizienterer Produktion, Anpassung des Konsums und allgemein eine gerechtere Ressourcenverteilung – das Wissen für den notwendigen Paradigmenwechsel hin zu wirtschaftlicher Prosperität bei gleichzeitiger ökologischer Tragfähigkeit und sozialer Inklusion ist da, es muss nur noch umfassend in der Praxis umgesetzt werden.
Es ist jedoch unabdingbar, dass hier alle Akteure am gleichen Strang ziehen – sowohl Regierungen, als auch Privatsektor und Zivilgesellschaft. Multistakeholder-Ansätze sind fraglos die Lösung des Problems. Nachhaltigkeit ist eben nicht mehr nur die Predigt der politischen Grünen oder Greenpeace-Aktivisten – die Thematik ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und deshalb auch oben auf der politischen und wirtschaftlichen Agenda. Um hier aber eine revolutionäre Stoßrichtung hin zu Wandel mit Wirksamkeit der Renaissance zu entfalten, bedarf es dem authentischen, ernst gemeinten und vor allem kohärenten Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit – von allen!
Danke für das Gespräch!