"Wälder leiden unter Klimawandel"
Vom globalen Klimawandel sind weltweit auch die Wälder bedroht. Nicht nur in den Tropen, in Kanada oder Sibirien, sondern auch in Deutschland sind steigende Temperaturen und ausbleibende Niederschläge für die Baumbestände ein Problem. Darüber berichtet der Tropen-Botaniker Professor Steven Jansen aus aktuellem Anlass zur Weltklimakonferenz in Lima in einem Interview mit Andrea Weber-Tuckermann der Universität Ulm.
12.12.2014
Die Weltklimakonferenz in Lima tritt in die entscheidende Phase. Es geht darum, die politischen Weichen zu stellen, um die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Sieben lateinamerikanische Staaten haben bereits umfangreiche Wiederaufforstungsprogramme beschlossen. Ein Grund zur Hoffnung?
Jansen: „Der Schritt geht auf jeden Fall in die richtige Richtung, wird aber wohl global betrachtet nicht ausreichen. Nicht nur der illegale Holzeinschlag und die landwirtschaftliche Brandrodung bedrohen die Wälder weltweit, sondern auch der Klimawandel selbst setzt den grünen Lungen auf unserem Planeten zu. Vor allem erhöhte Temperaturen und Trockenstress
machen Bäumen zu schaffen, sogar in den tropischen Regenwäldern. Betroffen sind aber auch Waldgebiete in der Schweiz, im Mittelmeerraum oder Slowenien sowie Nadelwälder im Norden der USA, in Kanada und in Sibirien.“
Wie groß ist denn das Ausmaß des weltweiten Waldsterbens?
Jansen: „Tja, wenn man das wüsste. Bedauerlicherweise gibt es noch immer kein weltweites Monitoring. Die technischen Möglichkeiten sind da und auch der
politische Wille. Aber an der Umsetzung hapert es. Ohne globale Satellitenüberwachung und Feldforschung vor Ort werden wir keine zuverlässigen Aussagen über das Ausmaß des weltweilten Waldsterbens machen können. Auch was Prognosen und die Modellierung zukünftiger Entwicklungen
angeht, stehen wir noch weitestgehend am Anfang. Erst vor kurzem haben 65 international führende Pflanzenphysiologen, Waldökologen und Modellierer
aus sechs Kontinenten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Erstellung eines weltweiten Waldzustandsberichts gefordert. Wir brauchen diese Daten, um die politischen Entscheidungsträger und das Forstwesen vor Ort zum Handeln zu bewegen.“
Der Waldzustandsbericht des Landes Baden-Württemberg, der diese Tage veröffentlicht wurde, verheißt nichts Gutes. Daraus geht hervor, dass auch die Wälder im Land unter dem Klimawandel leiden. Einen Großteil der Waldschäden führen die Experten auf Klimaeffekte zurück. So gelten im wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 42 Prozent der Waldfläche im Südwesten als deutlich geschädigt. Besonders Buchen und Fichten sind davon betroffen.
Jansen: „Eigentlich sind Bäume wie so viele andere Pflanzen an die klimatischen Besonderheiten in ihrer Umgebung optimal angepasst. Doch sie können sich
sehr schlecht auf klimatische Veränderungen einstellen. Außerdem machen Trockenstress und Hitze die Bäume anfälliger für Schädlingsbefall.
Borkenkäfer und schädliche Pilzkrankheiten haben dann ein leichtes Spiel. Außerdem schränkt Wassermangel die Photosynthese-Leistung der Pflanzen ein. Da so weniger energiereiche Kohlenhydrate hergestellt werden, kommt es regelrecht zum Verhungern der Pflanzen. Carbon Starvation nennt man dieses Phänomen. Die Bäume leiden also mehrfach unter den Klimaveränderungen.“
Sie forschen am Institut für Systematische Botanik und Ökologie der Universität Ulm über pflanzliche Wassertransportsysteme, Trockenstress und Tropen-Botanik.
Jansen: „Ja, ich betreibe traditionelle Botanik – wenngleich mit hochmodernen Bildgebungsverfahren. Alle globalen Herausforderungen der Menschheit – ob Welternährung, alternative Energien oder Klimawandel – haben mit Pflanzen zu tun. Die Flora gestaltet unsere Lebensräume und ist ganz entscheidend für die Lebensqualität von Menschen und Tieren. Viele Fragen rund um Nachhaltigkeit oder Zukunftsfähigkeit haben botanische Aspekte. Da wundert es einen schon, dass viele der Botanik gegenüber so wenig Wertschätzung entgegenbringen. Der Eisbär ist das Symbol des voranschreitenden Klimawandels. Warum sind es nicht Moose und Flechten? Die könnten so viel mehr darüber sagen, sind aber nicht so sexy.“
Wie wirkt sich denn nun Wassermangel auf die Pflanzen aus?
Jansen: „Das Problem bei Trockenheit ist der Transpirationssog der Pflanze. Über die Spaltöffnungen auf der Blattoberfläche verdunsten Pflanzen einen Großteil des über die Wurzeln aufgenommenen Wassers. Wenn in Dürrephasen kein Wasser mehr nachkommt, die Verdunstung aber durch die Hitze steigt, entsteht in der Pflanze ein ziemlich starker Unterdruck. Sinkt der Druck unter einen bestimmten Wert, reißt die Wassersäule schließlich ab. Es bilden sich größere Luftblasen, die wie Embolien die Leitungsbahnen verstopfen und den Wassertransport behindern. Wenn Pflanzen nicht an die Trockenheit angepasst sind, sterben sie letztendlich ab.“
Wovon hängt es ab, wieviel Wassermangel eine Pflanze überlebt?
Jansen: „Pflanzen haben eine gewisse Toleranz gegenüber Trockenstress. Dies hängt vor allem davon ab, wie sie physiologisch und anatomisch mit ihrem Wassertransportsystem an diese Voraussetzungen angepasst sind. Was Savannengräser ohne Problem überstehen, ist für Sumpfpflanzen in der Regel tödlich. Bäume beispielsweise können sich nicht von heute auf Morgen an geänderte klimatische Bedingungen anpassen. Sie werden dann meistens verdrängt durch andere – meist invasive, eingewanderte – Arten, die damit besser zurechtkommen. Der Götterbaum gehört zu diesen schnell wachsenden, invasiven Arten und breitet sich in Europa immer stärker aus. Auch Robinien und Douglasien scheinen an die neuen Verhältnisse in unseren mittleren Breiten besser angepasst zu sein als viele heimische Arten. Wie sich Ökosysteme dadurch langfristig verändern, muss sich aber noch zeigen.“
Sind sie eigentlich nicht frustriert, wenn sie sehen, wie der Mensch weltweit mit seinen Wäldern umgeht und sich damit selbst einer wichtigen Lebensgrundlage beraubt?
„An der Uni hier haben wir ein Tropen-Botanik-Projekt in Indonesien. Dort gibt es einen Baum, dessen Rinde und Blätter traditionell zum Färben von Textilien verwendet werden. Bei der „Ernte“ wird der ganze Baum meist achtlos zerstört. Das ist natürlich das Gegenteil von nachhaltig. Mit einem meiner Doktoranden haben wir nun versucht, diese Pflanze zu kultivieren. Doch das ist sehr schwer, da sie ganz besondere Anforderungen an den Boden stellt. Dieser muss ziemlich sauer sein und Aluminium-haltig. Bisher ist es uns zwar noch nicht wirklich gelungen, den Baum erfolgreich in Kultur zu nehmen. Doch immerhin konnten wir die örtliche Bevölkerung davon überzeugen, einfach die alten, abgefallenen Blätter auf dem Boden aufzusammeln – die sowieso die höchste Farbstoffkonzentration aufwiesen –
anstatt den ganzen Baum zu zerstören. Ein kleiner Erfolg immerhin.“
Sie kultivieren ihre Pflanzen im Botanischen Garten der Universität?
„Ja, diese wundervolle Einrichtung leistet einzigartige Dienste für die Forschung und Lehre. Wir haben vor Ort nicht nur umfangreiches Anschauungsmaterial für Herbarien, sondern finden dort auch kostbares Probenmaterial für unsere Forschung. Wir haben dort Treibhausgewächse aus ganz unterschiedlichen Klimazonen, darunter Pflanzen mit ganz
unterschiedlichen hydraulischen Strategien und Toleranzmechanismen zur Bewältigung von Trockenheit, die bestens angepasst sind an die Temperaturen und Niederschläge ihrer natürlichen Umgebung. Und nicht zuletzt sind die Palmenhäuser gerade im Ulmer November ein wunderbarer Ort, um Nebel und Kälte zu vergessen.“