Arbeitsplatz

„Betriebe mit einer langen Erfolgsgeschichte haben die Tendenz, Erfolg zu perpetuieren“

Wenn ein Unternehmen merkt, dass es ohne Veränderung nicht weitergeht, ist der Trendforscher Franz Kühmayer gefragt. Der Österreicher vom Zukunftsinstitut in Frankfurt weiß, wie man Betriebe fit für die Zukunft macht. „Klarheit vor Harmonie“ lautet dabei der Leitspruch seiner Arbeit. Was er damit meint und wie sich die Arbeitswelt von morgen insgesamt verändert, erklärt er uns in einem Gespräch.

13.07.2023

„Betriebe mit einer langen Erfolgsgeschichte haben die Tendenz, Erfolg zu perpetuieren“

UmweltDialog (UD): 50 Prozent der ‚Fortune Global 500‘-Unternehmen, die vor 20 Jahren existierten, sind verschwunden; die Lebenserwartung multinationaler Unternehmen sinkt stetig. Sie selbst beraten Unternehmen in Zukunftsfragen. Wie gehen Sie vor, wenn Sie merken, ein Unternehmen ist nicht zukunftsfähig?

Franz Kühmayer: Das passiert ja graduell. Sollte ein Unternehmen nicht zukunftsfähig sein, braucht es einen Konkursrichter und keinen beratenden Trendforscher mehr. Bevor es so weit ist, kann ein Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen in Schieflage geraten. Entweder ist das Geschäftsmodell für die Zukunft nicht mehr tragfähig. Oder die Unternehmenskultur ist in der Vergangenheit steckengeblieben und wird in dieser Form Adaptionen brauchen. Vielleicht ist dabei auch das handelnde Personal nicht einsichtig und bereit für Veränderungen.

In den meisten Fällen ist es eine Gemengelage unterschiedlicher Faktoren, die einen Veränderungsprozess im Unternehmen notwendig machen. Das ist aus Sicht der Trend- und Strategieberatung der schönste Zeitpunkt der Arbeit, weil sich daraus tatsächlich noch Veränderungsmöglichkeiten ergeben. Wenn eine gewisse Einsicht herrscht, dass es ohne Veränderung nicht weitergeht, ist es meine Aufgabe, hier die Unternehmen ein Stück des Weges zu begleiten. Es geht dann darum, strukturiert und systematisch Perspektiven zu eröffnen, zu irritieren und Inspiration zu stiften, in welche Richtung sich der Betrieb entwickeln könnte.

Wenn mich eine Organisation um Unterstützung bittet, ist es nicht meine Aufgabe, ihnen zu schmeicheln.

UD: Sie arbeiten nach dem Leitspruch ‚Klarheit vor Harmonie‘. Was bedeutet das?

Kühmayer: Wenn mich eine Organisation um Unterstützung bittet, ist es nicht meine Aufgabe, ihnen zu schmeicheln. Das wäre herausgeschmissenes Geld. Ich muss stattdessen das Augenmerk auf Dinge richten, die ich als Außenstehender – ich kenne mich ja nur in seltenen Fällen in den jeweiligen Branchen so gut aus, wie die Menschen der Unternehmen, die darin arbeiten – nicht verstehe und die mir unlogisch erscheinen. Und dann geht es darum, in einem positiv formulierten Streitgespräch neue Wege aufzuzeigen und Kritik in anschlussfähiger Weise zu üben.

Für einen konstruktiven Dialog ist es dabei wichtig, dass mein Gegenüber nicht gleich in einen Verteidigungsmodus wechselt, sondern offen und neugierig gegenüber meinen Fragen und Anmerkungen ist. Um auf den Ausgangpunkt unseres Gesprächs zurückzukommen: Wenn ich in der Physik ein Phänomen vorfinde, dass mit meinem Weltbild nicht übereinstimmt, muss der Grund nicht unbedingt ein Messfehler sein [lacht].

UD: Welche Unternehmen sind Ihrer Erfahrung nach am schwierigsten zu beraten?

Kühmayer: Ab und an sind Betriebe mit einer langen Erfolgsgeschichte schwieriger zu beraten. Diese haben die Tendenz, Erfolg zu perpetuieren, also das, was sie in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, in die Zukunft fortzuschreiben. Und dann bestenfalls durch mehr Leistung im Existierenden den Erfolg sicherzustellen. Diesen Effekt nennt man Linearismus, also linear in die Zukunft zu denken.

Schaut man sich beispielsweise das neueste iPhone an und vergleicht es mit dem Ersten, stellt man fest, dass sich die Geräte sehr ähneln – auch wenn sich die Leistung verbessert hat und die neuen Modelle eleganter sind.

Aber im Prinzip ist die Vorstellung, wie wir mobil kommunizieren, konstant geblieben. Und so wie es jetzt funktioniert, ist es auch nach wie vor hervorragend. Aber irgendwann wird jemand kommen und eine andere Vorstellung haben und die gegenwärtige Technik ablösen.

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UD: Ihr Spezialgebiet ist die Entwicklung der Arbeit. Seit Corona hat sich hier bereits viel verändert. Abgesehen von Homeoffice oder ‚New Work‘: Welche großen Trends sehen Sie hier für die Zukunft?

Kühmayer: Hier müssen wir auf die Veränderungstreiber schauen; am wichtigsten ist hier wohl der Faktor Demografie. Man kann heute mit keinem Unternehmen mehr sprechen, das nicht über einen generellen Arbeitskräftemangel klagt. Das ist längst nicht nur die Suche nach den wenigen Hochqualifizierten. Diese Entwicklung wird weiter voranschreiten, denn in den nächsten 20 bis 30 Jahren werden altersbedingt viele Menschen aus dem Arbeitsprozess ausscheiden. Folglich muss sich die menschliche Arbeit reduzieren.

Gerade die letzten Monate haben der Öffentlichkeit gezeigt, welche enorme Sprengkraft in Systemen wie Machine Learning et cetera steckt, also in der berühmten künstlichen Intelligenz. Und da kommt jetzt die erlösende Botschaft, dass uns dieser Teil der Technologie Arbeit abnimmt, für die wir ohnehin nicht gut sind und die uns keinen Spaß macht wie ,dröge‘ Routinetätigkeiten.

UD: Und wozu braucht man uns Menschen dann noch?

Kühmayer: Für innovative Arbeitsleistung: Wenn etwa die Klimawende wirklich gelingen soll, dann brauchen wir ganz neue Herangehensweisen an Geschäftsmodelle, ganz neue Technologien, ganz neue Arten, die Welt zu denken. Das heißt, wir brauchen Menschen, deren Beruf es ist, kreativ und innovativ zu sein und die in der Lage sind, systematisch die Welt neu zu erfinden. Das werden nicht Maschinen machen.

Gleichzeitig benötigen wir immer mehr Menschen in klassischen Sozialberufen, die andere durch den Wandel begleiten und sie dabei unterstützen, sich in einer komplexeren Welt mit vielfältigen Abhängigkeiten voneinander zurechtzufinden. Aber: Auch empathische Führungskräfte sind hier etwa gefragt, ihre Mitarbeitenden bei diesem Prozess zu begleiten. Und genau diese Eigenschaften – Schöpfungskraft, Empathie und soziales Verhalten – unterscheiden uns von Maschinen. Auch auf lange Sicht gesehen.

In der Summe wird die Arbeitswelt insgesamt menschlicher werden, denn der, unmenschliche‘ Teil der Arbeit wird uns durch fortschreitende Automatisierungsprozesse abgenommen. Allerdings müssen wir uns fragen, wie diese Entwicklung mit unseren bestehenden Sozial- und Steuersystemen vereinbar ist, die derzeit auf menschliche Arbeitsleistung ausgelegt sind. Ein großer Teil des Steueraufkommens liegt bei uns an dem, was man Einkommenssteuer oder Lohnsteuer nennt. Wenn das aufgrund der Arbeitsmenge nicht mehr gleichermaßen funktionieren kann, müssen wir uns schnell was anderes überlegen, denn sonst bekommen wie gesellschaftliche Probleme.

UD: Vielen Dank für das Gespräch!

Erfahren Sie im ersten Teil des Interviews, wie wie man Gesellschaften fit für die Zukunft macht.

Dieser Artikel ist im Original im Magazin „UmweltDialog“ zum Thema „Zukunft“ erschienen.

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Quelle: UmweltDialog
 

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