Business Case

Warum Vertical Farming aktuell nicht die Lösung ist

Die Ernährungswende ist in Deutschland und der Welt ein heiß diskutiertes Thema, denn durch Klimakrise, vermehrte Umweltkatastrophen, weniger Nutzfläche und immer mehr Menschen, wächst der Wunsch nach mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Regionalität. Innovative Konzepte wie das Vertical Farming sollen urbane Räume nutzen, um den Anbau von Nahrungsmitteln auf kleinsten Flächen zu ermöglichen. Das Problem: Biologische Erzeugnisse sind so nicht möglich. Licht ins Dunkle bringt hier die Bioponik.

15.06.2023

Warum Vertical Farming aktuell nicht die Lösung ist
Bioponik Farm und smartGarten von simplePlant in der Hobenköök
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Von Ben Märten, CEO & Co-Founder simplePlant

Ernährung ist immer wieder ein großes Thema unserer Gesellschaft, denn das derzeitige deutsche Ernährungssystem ist ungesund, unsozial, höchst klima- und umweltschädlich und stellt die gesellschaftlichen Belastungsgrenzen zunehmend auf die Probe – so heißt es im Appell verschiedener Dachorganisationen, Verbänden und Fachgesellschaften aus Gesundheit, Sozialem, Ernährung und Umwelt an die Parteien Ende 2021. Das Ziel? Eine ressortübergreifende Ernährungsstrategie, die Anfang 2023 verabschiedet werden soll. Passiert ist das bisher allerdings noch nicht. Was jetzt zählt sind Innovationen, neue Ideen und eine klare Strategie für regionale, ökologische, sozial nachhaltige und vielfältige Ernährungskonzepte. Eine davon ist Vertical Farming. Das landwirtschaftliche Konzept orientiert sich an der Idee von Hochhäusern: Vertikal in die Höhe bauen, um auf möglichst wenig Fläche viel Kapazität zu generieren. Im Fall der Nahrungsmittelindustrie: möglichst viel Ertrag in „Gewächshochhäusern“ für eine ganzjährige Ernte im urbanen Raum.

Die Vorteile davon liegen auf der Hand: keine wetterbedingten Ernteausfälle, Landwirtschaft im urbanen Raum und mehr Naturschutz statt Nutzflächen. Wenn das Konzept die Ernährungswende so vorantreibt, bleibt zu hinterfragen, warum es bisher nicht weitreichender genutzt wird. Die Gründe sind zum einen die immer wieder diskutierten hohen Energiekosten. Zudem sind häufig die dahinterstehenden Prozesse technisch noch nicht weit genug fortgeschritten. Was allerdings noch viel wichtiger ist – Vertical Farming ist biologisch nicht möglich. Da das Konzept auf einem erdfreien System basiert, wachsen die Wurzeln der Pflanzen in hydroponischen Systemen. Das sind Behälter oder Rohre, durch die mit Nährstoffen angereichertes Wasser fließt. So lässt sich der Wasserverbrauch und auch Düngemittel und Pestizide zwar stark reduzieren, ohne chemischen Dünger funktioniert das System bisher aber nicht.

Für biologische Erzeugnisse ist ein biologischer Anbau Voraussetzung. Dieser beinhaltet den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und den Einsatz ausschließlich umweltverträglicher und energiesparender Verfahren, sowie den Einsatz von Düngern, die nur natürlichen Ursprungs sind. Die Idee für biologisches Vertical Farming ist natürlich nicht neu und hat auch bereits einen Namen: Bioponik. Den Unterschied zwischen beiden Konzepten macht der Dünger. Bisher war die Umsetzung allerdings aufgrund fehlender technischer Umsetzung in hohen Erträgen nicht möglich. Bis jetzt. In Zusammenarbeit mit der Hobenköök Hamburg haben wir, simplePlant, nun ein System entwickelt, das erstmalig biologischen Dünger für ein Vertical Farming System verwendet und dabei fast genauso effizient ist. Für den Anbau werden dabei flüssige organische Nebenprodukte – in dem Fall Essensreste der Hobenköök – genutzt, die vorher anaerob in Bokashi-Eimern fermentiert werden. Bei der anaeroben Fermentation wandeln voneinander abhängige Bakterien- und Archaeen-Gruppen unter Sauerstoffmangel Biomasse in energiereiches Biogas und nährstoffreiche (flüssige) Fermente um.

 
 

Die größte Herausforderung, die den Einsatz der Düngerquellen einschränkt, ist die Verfügbarkeit von Stickstoff, da der Großteil dessen, in organischen Düngern in organischer oder reduzierter Form vorliegt. Ein Mangel an Nährstoffen wie Stickstoff in Düngemitteln auf Basis organischer Abfälle wird in der Regel durch die Zugabe von Mineraldünger ausgeglichen. In unserem System wird diese durch die Oxidation reduzierter Formen von Stickstoff zu Nitrat durch Nitrifikation optimiert. Im System werden nitrifizierende Bakterien, Nitrosofizierer und Nitrifizierer in das Kreislaufsystem integriert, um die Pflanzen mit Stickstoff zu versorgen und das Risiko einer Infektion mit Krankheitserregern zu verringern. Das geschieht in Bioreaktoren mit beweglichem Bett, die große Oberflächen in Kombination mit Belüftung nutzen, um Bakterienschlamm zu erzeugen, der Ammoniak in Nitrat umwandeln kann. Ein weiterer Vorteil ist es, dass in unseren Systemen die Verwendung von organischen Abfällen als Dünger nicht zu Versalzungsproblemen führt. Dieser beeinträchtigt in der Regel die Aufnahme von Nährstoffen, reduziert dadurch die kommerzielle Qualität und den Ertrag der Pflanzen und wirkt sich negativ auf das Wachstum der Pflanzen und deren photosynthetische Wirkung aus.

Beleuchtet werden die Pflanzen von selbst entwickelten LED-Modulen der Gründer. Der Prototyp, der aktuell in der Hobenköök Hamburg getestet wird, nutzt dafür 100 Prozent Ökostrom von Green Planet Energy. Insofern die Leistung des Prototypen weiterhin so erfolgreich ist wie bisher, kann die Innovation als Startschuss für biologisches Vertical Farming gesehen werden. So ist zukünftig nicht nur regionale Landwirtschaft im urbanen Raum möglich, sondern auch nachhaltige und biologische Erzeugnisse als Revolution der Ernährungswende.

Das Gründerteam von simplePlant mit Pablo Antelo Reimers, Felix Witte und Ben Märten (v.l.n.r.) mit dem Bioponik-Prototypen in der Hobenköök Hamburgzoom
Das Gründerteam von simplePlant mit Pablo Antelo Reimers, Felix Witte und Ben Märten (v.l.n.r.) mit dem Bioponik-Prototypen in der Hobenköök Hamburg

Über simplePlant

simplePlant ist ein Hamburger Start-up dreier Jungunternehmer. Ben Märten, Felix Witte und Pablo Antelo Reimers lernten sich während des Studiums an der Universität Hamburg kennen. Nachdem sie kein Glück mit ihrem Basilikum hatten, entwickelten sie aus einer Idee heraus ihren ersten smartGarten, der Ende 2021 auf den Markt kam. Das intelligente Kräuterbeet für zuhause vereint Beleuchtung, Bewässerung und Nährstoffkontrolle in einem nachhaltigen System. Steuerbar per App simuliert die Elektronik eine ideale wie natürliche Umgebung. So ernten Heimgärtner:innen ganzjährig frische, gesunde und geschmackvolle Salate, Kräuter oder Chilis– ohne große Mühen und Pestizide. Weitere Informationen zu simplePlant und den smartGärten gibt es hier.

Quelle: UD
 

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