Kosmetik und Beauty – schön, aber auch grün?
Cremes, Duschgel und Make-up benutzen viele von uns jeden Tag. Kosmetikprodukte enthalten aber oft potenziell umwelt- und gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe wie Mikroplastik, Mineralöle oder Tenside. Dass es anders geht, zeigen Start-ups und etablierte Hersteller von Naturkosmetik. Aber auch konventionelle Marken haben sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit gemacht.
27.07.2021
Schwermetalle für einen schwarzen Lidstrich, Blei für einen vornehmen Teint und Quecksilber gegen Sommersprossen: Wer vor einigen Jahrhunderten den Schönheitsidealen entsprechen wollte, schminkte sich mitunter um sein Leben. Zu Zeiten von Cleopatra bemalten sich die Ägypter – sowohl Männer als auch Frauen – die Augen unter anderem mit schwarzer Farbe, die neben Ruß auch gesundheitsschädliche Manganoxide und das giftige Bleisulfit Galenit enthielt (Lesen Sie mehr dazu im Online-Magazin „Farbimpulse“.). Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert hinein war für einen blassen Teint Bleiweiß hip. Die Paste aus Blei, Essig und Eiweiß war allerdings giftig, schädigte die Haut und „konnte bei exzessiver Anwendung sogar zum Tod führen“, heißt es im Unternehmens-Blog von Alpina Farben. „Trotzdem wollte fast niemand auf die vornehme Blässe verzichten.“ Gegen Sommersprossen griffen manche zudem auf ebenfalls hochgiftiges Quecksilber zurück.
Und heute? Mittlerweile muss sich keiner mehr vor Gesundheitsschäden durch Blei oder Ähnlichem im Make-up fürchten. Schwermetalle gehören laut der EU-Kosmetik-Verordnung zu den verbotenen Stoffen in Kosmetikprodukten. Sie sind nur in kleinen und vor allem gesundheitlich unbedenklichen Mengen erlaubt und auch nur dann, wenn sie sich technisch nicht vermeiden lassen. Dafür geraten andere Inhaltsstoffe in den kritischen Blick von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Umweltschutzorganisationen.
Kein Blei, dafür aber Kunststoffe, Aluminium und tierische Inhaltsstoffe
Einer davon ist Mikroplastik: „Nach einer gängigen Definition umfasst der Begriff Mikroplastik nur feste, wasserunlösliche Kunststoffpartikel, die fünf Millimeter oder kleiner sind“, informiert Öko-Test. In Kosmetika werden die Partikel beispielsweise für einen Peeling-Effekt eingesetzt. Kunststoffe kommen aber auch als flüssige, gelartige oder lösliche Polymere in Kosmetikprodukten vor und übertreffen sogar den Anteil an Mikroplastik, zeigt eine Analyse des Fraunhofer UMSICHT. In dieser Form sorgen sie unter anderem für den Glanz oder auch für eine bessere Konsistenz von Kosmetikprodukten. Über das Abwasser gelangen die Polymere schließlich ins Wasser und die Umwelt. Welche Auswirkungen solche Kunststoffe auf unsere Gesundheit haben, ist bisher noch nicht geklärt. Bestandteile von Mikroplastik wurden aber bereits im menschlichen Körper nachgewiesen, berichtet der Deutschlandfunk.
Wie viel Plastik steckt im Make-up?
Anfang des Jahres untersuchte Greenpeace 664 Make-up-Produkte (unter anderem von den Marken L'Oréal, Essence, Catrice und Lush) auf verschiedene Kunststoffe. Das Ergebnis: Drei Viertel der untersuchten Produkte enthalten Kunststoff. In 26 Prozent der Produkte liegt er als Mikroplastik vor, in den restlichen Produkten ist Kunststoff in flüssiger, halbflüssiger oder löslicher Form vorhanden. Am häufigsten fand die Organisation Plastik in Augen-Make-up, gefolgt von Lippenstiften und Lipgloss. Auch in Make-up sowie in Highlighter und Puder waren Kunststoffe enthalten. „Die Kosmetikunternehmen müssen sofort aufhören, Inhaltsstoffe aus Plastik zu verwenden“, fordert Greenpeace in dem Bericht. „Auf diese Weise wäre ein wichtiger Sektor für Konsumgüter nicht mehr Verursacher dieser Umweltverschmutzung, sondern könnte sich zu einem Vorreiter für Nachhaltigkeit entwickeln.“
Kosmetikprodukte enthalten darüber hinaus noch weitere für die Umwelt und Gesundheit mitunter problematische Inhaltsstoffe. Aluminium, das oft in Deos, Sonnencreme und Zahnpasta verwendet wird, steht im Verdacht, zur Entstehung von Brustkrebs und Alzheimer beizutragen. Duftstoffe können Allergien auslösen; in Lippenstiften, Cremes und Vaseline stecken häufig Mineralöle; Tenside in Shampoo, Duschgel, aber auch in Reinigungsmitteln können umweltschädlich sein (UmweltDialog berichtete darüber). Palmöl wiederum steht in Zusammenhang mit der Abholzung von Regenwäldern; und das Mineral Glimmer (auch als Mica bekannt) bringt Puder, Lippenstift und Co. zum Glitzern, wird aber häufig von Kindern abgebaut. In einigen Kosmetikprodukten findet man darüber hinaus tierische Inhaltsstoffe wie Kollagen, Lanolin oder Keratin. Zu alledem kommen Beautyprodukte auch oft in einer Menge Verpackungen daher. Es muss sich also was tun: 74 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich, dass die Branche mehr in Richtung Nachhaltigkeit unternimmt, hat eine Studie des VKE-Kosmetikverbands ergeben.
Zertifizierte Naturkosmetik
Besonders nachhaltig unter Verbraucherinnen und Verbrauchern gilt laut der VKE-Studie die Marke Weleda. Das Unternehmen besteht schon seit 100 Jahren und vertreibt seine anthroposophischen Arznei- und Pflegemittel mittlerweile in 50 Ländern. Die Naturkosmetik von Weleda ist mit dem „NaTrue“-Siegel zertifiziert und darf damit weder synthetische Duftstoffe und Silikone noch Rohstoffe aus Erdöl wie Paraffine, Mikro- und Nanoplastik enthalten. Mehr als 80 Prozent der Rohstoffe bezieht das Unternehmen eigenen Angaben zufolge „aus kontrolliert biologischem und, wo möglich, biologisch-dynamischem Anbau“. Viele Pflanzen werden auch in den eigenen Heilpflanzengärten angebaut, auf Tierversuche verzichtet die Marke. Bei den Verpackungen setzt Weleda auf Glas, Aluminium und (zum Teil recycelten) Kunststoff, arbeitet aber auch an weiteren Verbesserungen.
Kreative Ideen kommen auch von jungen Unternehmen. Das dänische Start-up Sprout World hat einen nachhaltigen Eyeliner entwickelt, den man später einpflanzen kann, damit daraus eine Wildblumenwiese wächst. Wer wiederum plastikfreie Naturkosmetik zum Selbermischen sucht, wird beim Start-up verpackmeinnicht fündig.
Eine weitere bekannte Naturkosmetik-Marke ist lavera. Die Produkte sind ebenfalls mit dem „NaTrue“-Siegel ausgezeichnet, tierversuchsfrei und zum Großteil vegan. Bei den Verpackungen setzt das Unternehmen soweit möglich recyceltes Material ein und arbeitet stetig daran, den Anteil an Verpackungen zu reduzieren. Darüber hinaus unterstützt lavera zahlreiche Klimaschutzprojekte. Eine Liste von Naturkosmetik-Marken finden Sie bei Utopia.
Kann herkömmlich auch nachhaltig?
Auch die konventionellen Marken verstärken zunehmend ihr Engagement in Richtung Nachhaltigkeit. Darunter der Kosmetikkonzern L'Oréal, zu dem die bekannten Marken Garnier, L'Oréal Paris und Maybelline New York gehören. Das Unternehmen startete bereits 2013 ein Nachhaltigkeitsprogramm und hat sich nun mit dem neuen Programm „L'Oréal for the Future“ weitere Nachhaltigkeitsziele gesetzt. So will der Konzern unter anderem die Menge seiner Verpackungen bis 2030 um 20 Prozent reduzieren (im Vergleich zu 2019) und nur noch Kunststoff aus biobasierten oder recycelten Quellen verwenden. Außerdem sollen 95 Prozent der Inhaltsstoffe biobasiert sein und nur von „reichlich vorhandenen“ Mineralien und Kreislaufprozessen stammen.
Der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble hat sich mit der „Ambition 2030“ ebenfalls Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Wichtiger Eckpfeiler der Strategie ist zum Beispiel die Reduzierung von Plastik und Verpackungen im Bereich Responsible Beauty. Als eine Maßnahme hat der Konzern für die Shampoos seiner Marken Pantene Pro-V, Head & Shoulders und Herbal Essences ein Nachfüllsystem eingeführt. Statt der üblichen Plastikflaschen können die Verbraucherinnen und Verbraucher Shampoo der beteiligten Marken in wiederverwendbaren Aluminiumflaschen kaufen – und dann später mit einem recycelbaren Nachfüllbeutel wieder auffüllen.
Weniger Verpackung und Plastik bei Discountern
Selbst die Discounter machen sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich Beauty und Kosmetik. So will Netto Marken-Discount Plastik reduzieren und setzt sich dafür ein, Mikroplastik in Drogerieprodukten zu vermeiden. Mittlerweile sind 120 Produkte der Eigenmarken frei von festem Mikroplastik. Außerdem soll auch flüssiger Kunststoff durch Überarbeitung der Rezepturen im Bereich Hygiene, Pflege und Reinigung durch Alternativen ersetzt werden.
ALDI SÜD wiederum bietet seit April 2021 die wiederbefüllbare Kosmetikflasche „Nepenthes“ an, die vom Start-up Cyclic Design entwickelt wurde. Damit Kundinnen und Kunden sie direkt nutzen können, kommt das „Hair & Body Dusch-Konzentrat“ der ALDI-Eigenmarke Ombia nun auch im Nachfüllbeutel daher. Außerdem hat das Unternehmen nun testweise fünf vegane Naturkosmetik-Produkte der Eigenmarke BIOCURA Nature im Sortiment. Die Produkte sind mit dem „NaTrue“-Siegel zertifiziert und haben eigenen Angaben zufolge eine Rezeptur ohne Mikroplastik.
Tierversuche in Kosmetik: was gilt?
In Deutschland sind Tierversuche für die Entwicklung von Kosmetika laut dem deutschen Tierschutzgesetz schon seit 1998 verboten, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. 2004 verbot auch die EU Tierversuche für die Prüfung von Kosmetika; 2009 wurde das Verbot auch auf neue kosmetische Inhaltsstoffe ausgeweitet. Seit 2013 ist außerdem EU-weit der Verkauf von Kosmetikprodukten, deren Inhaltsstoffe außerhalb der EU an Tieren getestet werden, verboten.
Aber: Die Verbote gelten generell nur für neue Produkte und Inhaltsstoffe, mahnt der Tierschutzbund. Ältere Produkte dürften daher – trotz Tierversuchen – noch verkauft werden. Zudem bezögen sich die Regeln nur auf Stoffe, die ausschließlich für Kosmetika verwendet werden. Das heißt, Inhaltsstoffe, die in anderen Produkten wie beispielsweise Reinigungsmitteln oder auch Medikamenten eingesetzt werden (hier sind Tierversuche sogar noch Pflicht), dürften auch Kosmetikhersteller verwenden. „Leider betrifft dies die Mehrzahl der Inhaltsstoffe, sodass mit einem Ende der Tierversuche erst dann zu rechnen ist, wenn für alle Bereiche der Stoffprüfung tierversuchsfreie Teststrategien zugelassen sind“, so der Tierschutzbund. Darüber hinaus verkaufen viele Marken Kosmetika im Ausland, wo Tierversuche zum Teil sogar vorgeschrieben sind, weiß man bei Utopia. In China galt das zum Beispiel bis Anfang dieses Jahres. Eine neue Gesetzesregelung hebt die Pflicht bis auf einige Ausnahmen aber auf.